"Ich habe Uli geärgert - also hat er mich geholt"

Gleich zweimal holte Uli Hoeneß Ottmar Hitzfeld zum FC Bayern
© getty

Am Freitag kandidiert Uli Hoeneß auf der Jahreshauptversammlung des FC Bayern München wieder als Präsident des Rekordmeisters. Ottmar Hitzfeld erlebte gleich zwei Amtszeiten als Trainer unter dem Bayern-Macher. Im Interview spricht er über Hoeneß' Anfänge als Manager, seine Kabinenreden, dessen Zeit in der JVA und die Rückkehr ins Präsidium. Außerdem berichtet er vom Burnout-Gespräch im Jahr 2001.

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SPOX: Herr Hitzfeld, Uli Hoeneß kandidiert in dieser Woche wieder als Präsident des FC Bayern. Wie haben Sie die Meldung des Vereins am 8. August aufgenommen?

Ottmar Hitzfeld: Ich habe mich riesig gefreut, dass er zurückkehrt. Er bereichert dadurch nicht nur den FC Bayern, sondern die gesamte Bundesliga. Es ist eine mutige Entscheidung von Uli, jetzt wieder Verantwortung zu übernehmen. Ich kann sie aber in jeder Hinsicht nachvollziehen, schließlich ist er hauptverantwortlich für die Marke Bayern München, wie wir sie heute kennen.

SPOX: Als Sie 1983 Ihre Trainer-Karriere beim SC Zug begannen, war Hoeneß bereits vier Jahre Manager beim FC Bayern. Haben Sie das damals schon intensiv verfolgt?

Hitzfeld: Dadurch, dass wir 1972 bei Olympia mal in der deutschen Auswahl zusammengespielt hatten, kannte ich ihn schon gut. Natürlich habe ich deshalb auch sein Wirken beim FC Bayern verfolgt, wir hatten regelmäßig Kontakt. Die Voraussetzungen, unter denen Uli damals arbeitete, waren aber ganz andere als heute. Der Umsatz des FC Bayern betrug zwölf Millionen Mark, als Uli übernahm - bei sieben Millionen Mark Schulden. Das wissen heute die Wenigsten. Er hat daraus Gigantisches entstehen lassen.

SPOX: Nahm man seinen Geschäftssinn damals schon so stark in der Öffentlichkeit wahr?

Hitzfeld: Es war schon zu erkennen, ja. Uli war immer ein Leader, der vorneweg marschierte. Er kann Menschen führen und sie mitreißen, das steckte schon in jungen Jahren in ihm drin.

SPOX: Erinnern Sie sich eigentlich noch an Ihr erstes Treffen mit dem Manager Uli Hoeneß?

Hitzfeld: Das ist schon lange her. (lacht) Es war aber sicher vor meinem Wechsel zum FC Bayern.

SPOX: Sie hatten in Dortmund 1997 als Trainer die Champions League gewonnen und wurden dann Sportdirektor beim BVB. Wie kam es, dass Sie nur ein Jahr später zum FCB gingen - wieder als Trainer?

Hitzfeld: Vermutlich, weil ich Uli und die Bayern mit dem BVB ein paar Mal geärgert habe - also hat er mich geholt. (lacht) Ich hatte in Dortmund eine sehr erfolgreiche Zeit, bei den Bayern herrschte durch Trappatonis kultigen "Flasche leer"-Spruch ein bisschen Unruhe. Die Position des Sportdirektors beim BVB machte mir allerdings wenig Spaß, mir fehlte die Arbeit auf dem Rasen mit den Spielern. Ich wollte nicht mehr nur am Schreibtisch sitzen. Da wurde mir klar, dass ich wieder Trainer werden würde.

SPOX: Als Dortmunder Sportdirektor kann man aber natürlich nicht bei den Bayern anrufen und nach einer freien Stelle fragen.

Hitzfeld: Natürlich nicht. Franz Beckenbauer hatte aber schon im Dezember 1997 zu mir gesagt: "Ottmar, du wirst der nächste Bayern-Trainer." Ein halbes Jahr zuvor hatte ich ein Angebot von Real Madrid ausgeschlagen, weil ich nach sechs Jahren als BVB-Cheftrainer einfach müde war. Nach Franz' Aussage ging aber alles ganz schnell. Im Januar waren die Weichen für den Sommer schon gestellt.

SPOX: Also war es gar nicht Ihr Freund Hoeneß, der Sie zu den Bayern holte?

Hitzfeld: Doch, doch. Die offizielle Anfrage des Vereins kam von Uli. Wir haben uns dann in München zusammengesetzt, was für mich eine große Auszeichnung war. Ein Angebot vom Rekordmeister erhält man nicht jeden Tag. Hinzu kommt, dass Uli ja nicht nur über sportliche, sondern auch über wirtschaftliche und soziale Kompetenz verfügt. Er wusste genau, was er sagen musste, um mich zu packen.

SPOX: Wie erlebten Sie Hoeneß anschließend in Ihrer ersten Amtszeit als Trainer des FC Bayern?

Hitzfeld: Unsere Freundschaft hat sich im Lauf der Jahre immer stärker entwickelt. Ich habe gemerkt: Mein Manager steht wie eine Wand hinter mir. Wir haben viel gesprochen, er war stets präsent. Uli war immer mit im Trainingslager und saß bei Spielen stets mit auf der Bank.

SPOX: Empfanden Sie nicht genau das auch als Druck? Zu wissen, dass der Chef direkt daneben sitzt und genau schaut, was man tut.

Hitzfeld: Nein, überhaupt nicht. Ich habe es als angenehm empfunden, einen kompetenten Fachmann neben mir zu haben. Uli hat sich nie in meine Belange eingemischt, nicht einmal eine Aufstellung hat er kritisiert. Das heißt nicht, dass wir nicht auch mal kontrovers diskutiert haben. Ich hatte aber immer die volle Entscheidungsfreiheit. Uli hat mir Vertrauen geschenkt, das ist enorm wichtig. Er hat mich nie allein gelassen.

SPOX: Karl-Heinz Rummenigge sagte, in der täglichen Arbeit mit Hoeneß habe es durchaus auch mal gescheppert.

Hitzfeld: Uli besitzt eben die Ehrlichkeit, auch mal Kritik anzubringen - manchmal auf seine emotionale Art und Weise, die knallhart sein kann. Viele Führungspersönlichkeiten besitzen gar nicht den Mut dazu, bei ihnen liest man es nur zwischen den Zeilen. Das ist viel schlimmer. Uli macht auch mal Verbesserungsvorschläge oder sagt einem, in welchen Bereichen man sich vielleicht verändern sollte.

SPOX: Einige Spieler berichteten von Hoeneß' deutlichen Kabinenreden. War seine Anwesenheit für Sie als Trainer schon das Signal, auf die eigene Ansprache erst einmal zu verzichten?

Hitzfeld: Dann wusste man Bescheid, ja. (lacht) Es ist aber normal, dass sich auch der Manager von Zeit zu Zeit vor den Spielern zu Wort meldet. Er hatte ein gutes Gespür dafür, wann der Zeitpunkt mal wieder gekommen war. Das tat er nicht, wenn die Mannschaft ohnehin schon verunsichert war, sondern wenn sie überheblich wurde. Ulis Donnerwetter waren auch für mich dankbar, denn so kam die Kritik nicht immer nur von mir - so war nicht nur ich der böse Bube. Ich hatte für Ulis Worte immer großes Verständnis.

SPOX: Auch im Jahr 2001, als Sie eigenen Aussagen zufolge auf dem Weg zum Burnout waren? Nach dem Gewinn der Champions League baten Sie Hoeneß um eine Pause, der aber verwehrte Ihnen diese.

Hitzfeld: Wir sind nach dem Finale nach New York geflogen, wo wir vor der Sommerpause noch ein Spiel hatten. Da habe ich Uli gesagt: "Eigentlich möchte ich jetzt aufhören, ich bin ziemlich platt und brauche nach drei kräftezehrenden Spielzeiten eine Pause." Das hatte Substanz gekostet. Ich wollte vorfühlen, wie der Klub darüber denkt. Doch Uli sagte direkt: "Das kommt überhaupt nicht infrage." Damit war das Thema erledigt.

SPOX: Wie schwer ist es Ihnen gefallen, das zu akzeptieren?

Hitzfeld: Es war ja nicht so, dass ich definitiv den Entschluss gefasst hatte, aufzuhören. Sonst hätte ich das auch so kommuniziert und hätte nicht mit mir diskutieren lassen. Meine Anfrage bei Uli war mehr ein Vortasten, um schon einmal Rückendeckung zu bekommen und sich der Unterstützung des Vereins sicher zu sein. Uli begründete seine Worte damit, dass es sportlich ja gut laufe und er betonte unser gutes Verhältnis. Das zu hören, tat auch gut.

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