Dieser Artikel erschien erstmals im November 2016 anlässlich der Wahl Hoeneß' zum Präsidenten im Rahmen einer Themenwoche auf SPOX.
Von Rainer Zobel
Es gibt wohl nicht viele, die von sich behaupten können, am gleichen Tag wie Uli Hoeneß beim FC Bayern München angefangen zu haben. Zusammen mit Paul Breitner schlugen wir 1970 an der Säbener Straße auf - noch wusste ich nicht, welchen Einfluss dieser junge Bursche mal auf den Verein haben würde.
Uli war 18, ich gut drei Jahre älter. Und obwohl ich schon zwei Jahre Profi-Erfahrung hatte, legte sich die Schüchternheit bei Uli und Paul deutlich schneller als bei mir. Ungewöhnlich schnell. Das war ich von mir und auch anderen gar nicht gewohnt. Er wollte sehr schnell in die Mannschaft und war dabei immer zielbewusst und erfolgsbesessen. Das hatte Jung-Siegfried, wie er genannt wurde, schon in jungen Jahren.
Ich kann mich noch sehr gut daran erinnern, wie oft ich mich über ihn geärgert habe. Durch Uli habe ich schnell begriffen, was Fußball eigentlich ausmacht und wie so eine Mannschaft funktioniert. Er hat im Spiel nach hinten überhaupt nichts gemacht, vorne aber die Tore geschossen. Es braucht auf verschiedenen Positionen einfach diese verschiedenen Charaktere. Uli war prädestiniert für die offensive Rolle. Hätten wir getauscht, wäre wohl jeglicher Erfolg ausgeblieben.
Auch wenn wir außerhalb des Platzes nicht sehr viel gemein hatten, war ich als Norddeutscher manchmal etwas neidisch, wie gut Uli Wattn und Schafkopf spielen konnte. Generell war er ein geselliger Typ: Feiern konnte er auf jeden Fall gut. Oft mit Paul Breitner, die beiden waren zu der Zeit ja wie ein Brüderpaar - unzertrennlich.
Man musste nicht immer alles gutheißen, was Uli tat. Er ist aber nicht auf den Kopf gefallen, sondern wusste mit seinen Mitteln schon immer klug umzugehen. Die Weltmeisterschaft 1974 war das beste Beispiel: Schon vor dem Turnier plante er, zusammen mit Paul ein Buch über die WM zu schreiben. Und sie brachten es auch tatsächlich heraus. Dabei stand ihm, dem 22-Jährigen, das eigentlich gar nicht zu. So etwas hätte man vielleicht von den erfahreneren Franz Beckenbauer, Sepp Maier oder Gerd Müller erwartet. Um die Seriosität zu wahren, hat er sich Udo Lattek als Co-Autor hinzugeholt. Natürlich wusste er, dass sich das Buch gut verkaufen würde.
Vielleicht war es auch eine kleine Genugtuung, nachdem wir Abiturienten im Klub anfangs etwas belächelt wurden. Wir Akademiker, zu denen auch Uli gehörte, hatten keinen leichten Stand. Ob die 'Gescheiten' denn überhaupt Fußball spielen könnten, wurde spöttisch gefragt. Uns schlug aus der Führungsetage des FC Bayern München schon Argwohn entgegen. Uli Hoeneß konnte das aber nichts anhaben.
Die letzten Jahrzehnte haben das bestätigt. Sein Geschäftssinn und Organisationstalent brachten ihn dahin, wo er jetzt steht. Als mein Vertrag 1976 auslief, bot mir der damalige Präsident Wilhelm Neudecker einen neuen an. Der wäre allerdings an die Anzahl meiner absolvierten Spiele gebunden gewesen, sodass ich das Angebot ausschlug. Heute wünsche ich mir, Uli Hoeneß wäre damals auch schon mein Verhandlungspartner gewesen. Er hätte meinen Wert ganz sicher anders anerkannt. Das Ergebnis unter ihm wäre zufriedenstellender gewesen, davon bin ich überzeugt. Nicht, weil wir uns kannten, sondern weil er immer auch um das Wohl Anderer bemüht war.
Ohne Uli Hoeneß gäbe es Bayern München nicht in der heutigen Form. Der Verein, den er damals übernahm, war nicht unbedingt intakt. Dass daraus so eine große Gemeinschaft gewachsen ist, ist Uli Hoeneß' Werk. Das gab es früher, als er noch Spieler war, so noch nicht.
Rainer Zobel wechselte 1970 von Hannover 96 zum FC Bayern und stieß somit zeitgleich zum Profi-Team wie Uli Hoeneß. Er bestritt bis 1976 251 Pflichtspiele für die Münchner. Nach seiner Profi-Laufbahn startete er seine Trainer-Karriere, die ihn unter anderem nach Ägypten, in die Vereinigten Arabischen Emirate, nach Georgien und Südafrika führte.