Er hat etliche spätere Spitzenfußballer ausgebildet. Spieler wie Mesut Özil, Julian Draxler oder Leroy Sane, der nun ein zentrales Aushängeschild der neuen Just-do-It-Kampagne von Nike ist.
Vor den Qualifikationsspielen der deutschen Nationalmannschaft zur EM 2020 spricht Schalkes U19-Trainer Norbert Elgert über das Erfolgsrezept der Knappenschmiede, die Generation Social Media, den Stand beim DFB-Nachwuchs und Sane.
Schalkes U19-Trainer Norbert Elgert über ...
... den Namen Knappenschmiede: Der Begriff passt hervorragend, weil Gelsenkirchen immer eine Bergbaustadt war und irgendwo auch noch ist. Und da die Bergleute Knappen genannt werden, ist der Name schon sehr gut gewählt. Das hat auch was mit Malocher-Mentalität zu tun. Dafür steht unser Klub.
... seine Philosophie: Der Mensch steht bei mir immer in seiner Ganzheit im Vordergrund, also in der Verbindung von Körper, Geist und Seele. Sportlich steht das Spielverständnis ganz oben in unserer Ausbildung. Und dann die Spielintelligenz, die Fähigkeit, in kürzester Zeit die perfekte Lösung zu finden. Dafür müssen die Spieler, um es modern zu erklären, permanent online sein. Sie müssen sehen, was auf dem Platz passiert. Verstehen, was auf dem Platz passiert. Und dann benötigt man die passende Technik, die Athletik und die mentale Stärke. Daraus resultiert die optimale Ballbehandlung unter größtem Gegner-, Raum- und Zeitdruck. Alles spielt irgendwie zusammen.
... mentale Stärke: Mir ist in meinen 20 Jahren Berufserfahrung aufgefallen, dass die Spieler in ihren jungen Jahren schon sehr viel durchgemacht haben. Sei es Julian Draxler, Max Meyer, Mesut Özil, Leroy Sane und viele, viele mehr. Sie haben viel mitgemacht und waren dadurch in der Lage, in der Arena Spitzenleistung abzurufen. Dazu muss man wissen, dass der Kopf gewinnt. Und das kann man trainieren. Autosuggestion, also die Kunst, sich selbst positiv zu beeinflussen, ist heute besonders wichtig, weil 70 bis 80 Prozent der Nachrichten, die wir aufnehmen, negativer Natur sind. Dazu sollte man sein Kopf-Kino anwerfen, misslungene Aktionen noch einmal anschauen, löschen und sich das Ganze positiv vorstellen und danach damit abschließen.
... über seine Erfolge in der Jugendarbeit: Ich habe noch keinen Spieler dahingebracht, wo er heute ist. Das haben sie alle durch ihr Talent, ihre Leistungen und ihre Anstrengungsbereitschaft selbst erreicht. Ich versuche dabei, alle gleich zu behandeln. Gleichbehandlung heißt für mich, jedem das zu geben, was er braucht. Das ist individuell unterschiedlich und situativ bedingt.
... seine Erreichbarkeit für die Spieler: Wir sagen den Spielern zu Saisonbeginn, dass wir 24 Stunden am Tag für sie da sind. Wenn sie uns brauchen, können sie uns anrufen. Das hat ein Spieler aus Ostwestfalen mal genutzt. Es kam ein Anruf mitten in der Nacht um 3.30 Uhr. Damals war es mit dem Handy noch nicht so weit, also klingelte es auf unserem Haustelefon. Meine Frau und ich standen im Bett, wir dachten, in der Verwandtschaft wäre etwas Schlimmes passiert. Es meldete sich aber der Vater des Spielers und wollte seinen Sohn fürs Training am nächsten Morgen wegen einer Grippe abmelden. Ich musste einen Tobsuchtanfall unterdrücken, habe ihm dann erklärt, dass es dazu auch bis zum nächsten Tag Zeit gehabt hätte.
... die Generation Social Media: Man kann 62 Jahre alt oder jung sein. Ich habe die Entscheidung getroffen, jung zu sein und mit gewissen Dingen zu wachsen. Ich mache aber nicht alles mit. Die Einflüsse sind schon extrem. Handy, PlayStation, Social Media - entscheidend ist, wie man damit umgeht. Meine Frau beherrscht das Internet und kann mir dabei sehr gut helfen. Ich bin mehr für Face-to-face anstatt für Facebook. Es ist eine andere Welt, aber ich verstehe sie. Man muss diese Sachen intelligent nutzen und nicht darin versinken. Der Mensch sollte immer im Vordergrund stehen.
... den Fokus auf die individuelle Entwicklung vor Ergebnissen: Unser Job ist es, möglichst viele Spieler aus der Knappenschmiede in den Profifußball zu bringen. Ergebnisse sind für viele immer wichtiger geworden, weil in unserer Gesellschaft meist nur der erste Platz zählt. Zwar stehen die Ausbildung und die individuelle Entwicklung in vielen Vereinen an oberster Stelle, aber wenn die Ergebnisse mal nicht stimmen, entsteht sofort ein Druck. Auch die Trainer selbst wollen zu häufig schnell hoch hinaus und dafür braucht man Resultate und Meisterschaften. Das ist aber nicht der Erfolgsweg, sondern der Holzweg. Wir haben uns zu sehr auf Matchpläne, Spielideen und Statistiken fokussiert, aber weniger auf die Menschen und den individuellen Verbesserungsprozess. Darum geht es aber, um das tägliche Verbessern.
... den Jugendfußball in Deutschland: Wir müssen uns keine Sorgen machen. Wir waren absolute Weltspitze und wir gehören weiterhin dazu. Es gibt sehr gute Jahrgänge, aber auch mal ein oder zwei schwächere. Dennoch kann man gewisse Dinge verbessern und das ist zum Teil auch schon geschehen. So hat zum Beispiel der Ansatz, die Leistungszentren zu zertifizieren, dazu geführt, dass alle nur noch den Sternen hinterhergejagt sind. So wurde aus der Ausbildung schon eine Art Einheitsbrei und die Klub-Identität blieb im Ausbildungsbereich auf der Strecke.
... das beste Spielsystem: Effektivität und Attraktivität schließen sich nicht aus. Ich frage meine Jungs im Training immer, warum sie damals mit dem Fußball angefangen haben. Weil sie den Ball haben oder ihm hinterherlaufen wollten? Die Antwort ist klar.
... die Möglichkeit, Profi-Trainer zu werden: Es gab schon häufiger Angebote, auch vereinsintern. Aber ich habe nie gespürt, das unbedingt machen zu müssen. Und dieser großartige Klub Schalke 04 hätte es verdient, dass ich 100 Prozent hinter der Aufgabe stehe. Ich habe immer lieber ausgebildet, hatte immer mehr ein großes Verlangen, jungen Menschen zu helfen, ihre Ziele und Träume zu verwirklichen. Es macht mir einfach großen Spaß, sportliche und soziale Spuren zu hinterlassen. Das macht für mich deutlich mehr Sinn.
... Gespräche mit Talenten, die es nicht schaffen: Diese Gespräche gibt es viel häufiger. Der Prozentanteil derjenigen, die es schaffen, ist allgemein extrem niedrig. Bei uns auf Schalke ist dieser zum Glück etwas größer gewesen in den vergangenen Jahren und das macht uns auch stolz. Aber für die, die es nicht schaffen, haben wir eine persönliche Verpflichtung. Das hat mit Versagen überhaupt nichts zu tun und das müssen wir vor allem den Jüngsten beibringen. Wir sehen die Ausbildung als eine Schule fürs Leben und müssen mit den Spielern darüber sprechen. Wir wollen Träume verwirklichen, müssen aber realistisch bleiben. Plan A ist deshalb eine optimale schulische Ausbildung, falls es mit dem Profifußball nicht klappt.
... ein Engagement beim DFB: Da gab es schon mal Kontakt. Aber ich sehe mich in meiner täglichen Arbeit noch lieber auf dem Platz. Und da kann in meiner jetzigen Position auch noch das ein oder andere Jahr dazukommen. Wenn ich mal aufhöre, geht es bei mir eher in Richtung Mentoring. Ob das dann auf Schalke, beim DFB oder in der freien Wirtschaft sein wird, weiß ich nicht. Da schließe ich nichts aus. Für die nächsten Jahre zählt aber Schalke 04. Der Rest des Lebens ist Zukunft.
... seine erste Begegnung mit Leroy Sane: Leroy war nicht zu übersehen und hatte schon damals seinen ureigenen Haarschopf. Sein Auftreten war durchaus selbstbewusst. Nach dem B-Jugend-Training kam er häufig bei uns vorbei und hat sich sehr viele Trainingseinheiten der U19 angesehen. So kamen wir ins Gespräch. Er hatte großes Interesse am Fußball, aber auch daran, wie es später einmal weitergeht. Gleichzeitig wusste er sich - und das fand ich positiv - ins Bild zu setzen und zu positionieren. Das hat er später auch bei den Profis ähnlich gemacht. Als er bei uns in der U19 Spieler war, stand er häufig bei den Profis am Trainingsplatz: ‚Schaut her, hier bin ich. Hier komme ich irgendwann mal hin und jetzt schaue ich mir mal an, was ich dafür tun muss.'
... Sanes Bild in der Öffentlichkeit: Leroy wird aufgrund seiner Körpersprache häufig falsch eingeschätzt, ähnlich wie es bei Mesut Özil der Fall ist. Man kann Körpersprache unterschiedlich interpretieren. Wenn ich mit verschränkten Armen vor Ihnen sitze, kann das eine riesengroße Distanz bedeuten oder aber eine Lockerheit. Das war bei Leroy auch der Fall. Er war sehr selbstbewusst, aber keineswegs negativ.
... Sanes Potenzial: Leroy hat im Spiel gegen den Ball unter Pep nochmal einen Riesenschritt gemacht. Er ist sicherlich einer derjenigen, denen beim DFB die Zukunft gehört.