Anderes Land, andere Mentalität, anderes Essen. Als Jerome Boateng im vergangenen Sommer vom Hamburger SV zu Manchester City wechselte, war vieles ungewohnt. Der gebürtige Berliner war der einzige Deutsche im Kader von Roberto Mancini - zumindest fast. Denn einer war schon vor ihm da: Loris Karius.
Im Sommer 2009 wechselte das Torwart-Talent als 15-Jähriger vom VfB Stuttgart in die Jugendabteilung der Citizens. SPOX sprach damals schon mit seinem Vater über die Beweggründe der Entscheidung. Zwei Jahre später bitten wir Harald Karius um ein Zwischenfazit.
Stamm-Keeper im Reserve-Team
Bei Familie Karius ist man sichtlich zufrieden. Der Sohn wird immer selbstständiger, hat sich gut in seiner Gastfamilie eingelebt, seinen eigenen Freundeskreis aufgebaut und oben drauf die Führerschein-Prüfung bestanden. Das alles fernab der Heimat, das alles für den Fußball.
Dabei war die Entscheidung auf die Insel zu gehen keine leichte Sache. Doch es geht um eine mögliche Karriere. Mit dem Wechsel zu Manchester City sollte der Grundstein gelegt werden. Eine Sache des Geldes? "Alles Quatsch", meinte Harald Karius schon vor zwei Jahren.
Stolz erzählt er hingegen von der Entwicklung seines Sohnes: "Loris kam gleich in die U 18. In Deutschland wäre er ja noch in der B-Jugend gewesen. Bei City durfte er gleich in der A-Jugend spielen. Das war schon toll für ihn, er war sehr schnell in die Mannschaft integriert. Daran haben der Verein und die Mitspieler, die ihn toll aufgenommen haben, großen Anteil. Ende der letzten Saison durfte Loris sogar schon beim Reserve-Team mittrainieren und hat einige Spiele absolviert." Kurze Zeit später steht Loris regelmäßig zwischen den Pfosten.
Zwischentief im Herbst
Er bahnt sich seinen Weg, stand bereits bei drei Spielen der Profi-Mannschaft als dritter Torwart im Kader. "Das war für ihn ein tolles Erlebnis, zum ersten Mal Profi-Luft zu schnuppern", freut sich der Papa. Einziges Manko: Durch die vielen Verpflichtungen im Verein bleibt die Junioren-Nationalmannschaft auf der Strecke. Erst kürzlich musste Karius einen U-18-Lehrgang absagen.
Das größte Zwischentief gab es im vergangenen Herbst. Eine Handgelenksverletzung zwang Loris zu einer dreimonatigen Pause. Für einen Teenager eine schier endlos lange Zeit. Doch jetzt ist alles auskuriert, der mittlerweile 17-Jährige kämpfte sich ins Tor zurück und trainiert hin und wieder sogar mit der ersten Mannschaft.
Überhaupt werden keine großen Grenzen zwischen den Profis und dem Reserve-Team gezogen. Beim Mittagessen sitzen die Spieler beisammen und unterhalten sich. "Der Kontakt zur ersten Mannschaft ist absolut gegeben. Das Tolle an England ist, dass die Reserve und die Erste im gleichen Komplex beheimatet sind."
Keine Berührungsängste mit den Profis
Der beste Kontakt zu den Profis? Ein Ex-Hamburger. "Mit Jerome Boateng versteht sich Loris besonders gut. Loris ist schon seit eineinhalb Jahren bei City und konnte ihm ein paar Tipps geben, was man in Manchester so alles machen kann. Der Kontakt zwischen den beiden ist sehr gut."
Dass bei all dem Trubel um den sportlichen Werdegang die schulische Ausbildung nicht auf der Strecke bleibt, dafür sorgt ein Privatlehrer, der Loris neben dem Training unterrichtet: "Es ist schon eine große Belastung, einerseits jeden Tag sportliche Höchstleitungen zu bringen und andererseits die Schule nicht zu vernachlässigen. Das ist nicht einfach, aber es klappt recht gut", sagt Vater Harald.
Bundesliga fürs erste kein Thema
Deshalb wird die Mission England vorerst auch weitergehen. Dass es Ron-Robert Zieler, der über den 1. FC Köln und Manchester United einen ähnlichen Weg genommen hat, bei Hannover 96 mittlerweile zum Stammtorhüter geschafft hat, wird zur Kenntnis genommen - mehr auch nicht.
"Natürlich verfolgt er auch, dass in Deutschland sehr viele junge, teilweise auch gleichaltrige Spieler schon Bundesliga-Einsätze haben. Der Trend in Deutschland geht ja in diese Richtung. Aber im Moment gibt es keinen Grund, über Veränderungen nachzudenken", so Harald Karius.
Ein Wechsel steht momentan sowieso nicht zur Debatte: "Solange er sich dort wohlfühlt und es vor allem sportlich in die richtige Richtung geht, ist kein Anlass da, etwas zu verändern. Das würde erst der Fall sein, wenn einer der Parameter nicht mehr passen sollte."
Doch aktuell gibt es keine Anzeichen und auch auf den Verein hält man große Stücke: "Wir können nur positiv über Manchester City reden."
Harald Karius' Zwischenfazit ist deshalb durchweg gut: "Loris geht es sehr gut, er hat sich fantastisch eingelebt und sich an die Dinge in England gewöhnt."
Und wer weiß: Vielleicht spielen Loris Karius und Jerome Boateng in einigen Jahren auch in derselben Mannschaft - in der Premier League.
Manchester City: Der Kader im Überblick