Zu Özcan kommen wir gleich, aber können Sie uns kurz erklären, über was gesprochen wird, wenn Hansi Flick, Bülent Ceylan und Kenan Kocak frühstücken?
Kocak: Es wird auf jeden Fall viel gelacht. Wir kommen ja alle ungefähr aus derselben Ecke und da wird natürlich nicht nur über Fußball gesprochen, sondern auch über die Heimat.
Was trauen Sie Flick bei der WM 2022 in Katar zu?
Kocak: Hansi hat seit seiner Ankunft sehr viel bewegt und die Bilanz in der WM-Qualifikation spricht ja für sich. Deutschland gehört zu den Favoriten, auch weil Hansi neue Spieler in die Mannschaft integrieren konnte, die ihren Beitrag leisten werden. Ich freue mich sehr für ihn, dass er die Anerkennung bekommt, die er verdient. Es war nicht selbstverständlich, was er beim FC Bayern geschafft hat und es ist auch nicht selbstverständlich, in der Nationalmannschaft die Wende so schnell und sauber hinzubekommen. Das verdient wirklich Anerkennung.
Flick ist mit Deutschland dabei, die Türkei hat dagegen die Teilnahme an der WM verpasst. Gegen Portugal gab es ein bitteres Aus in den Playoffs, Burak Yilmaz verschoss kurz vor Schluss einen Elfmeter, der zum Ausgleich geführt hätte. Ist das Aus schon verarbeitet?
Kocak: Wir müssen es verarbeiten. Uns bleibt keine andere Wahl, den Schalter sofort umzulegen und das nächste Turnier anzugehen. Es ist traurig, dass eine Fußball-Nation wie die Türkei seit 2002 keine Weltmeisterschaft mehr gespielt hat. Das heißt, dass die Fehler nicht erst seit gestern gemacht werden. Wir müssen es hinbekommen, dass die Türkei möglichst bei allen großen Turnieren dabei ist.
Kenan Kocak: "Wir müssen die Energie noch besser nutzen"
Salopp gefragt: Was ist denn das Problem?
Kocak: Es ist ein unfassbares Potenzial da. Die Türkei ist ein junges Land mit einer großen Fußball-Begeisterung. Ich reise durch das ganze Land, um überall Spiele und Spieler zu verfolgen. Die Menschen freuen sich, wenn jemand von der Nationalmannschaft da ist. Man spürt überall die Energie. Wir müssen sie aber noch besser nutzen.
Hamit Altintop, der nun alle Nationalmannschaften verantwortet, arbeitet aktiv an der Verbesserung der Trainer- und Spielerausbildung, hat dafür auch Unterstützung aus Deutschland geholt mit Bernhard Peters. Auch Sie und Stefan Kuntz sieht man bei den Lehrgängen. Wie sehen die Erwartungen aus?
Kocak: Es ist richtig, dass gewährleistet werden muss, dass die Jugendlichen die beste Ausbildung bekommen, damit sie ihr Potenzial ausschöpfen können. Wir müssen daher erstmal den Trainern die bestmögliche Ausbildung bieten, um dann ihr Wissen weiterzugeben. Wir müssen langfristig denken und handeln. Nur so funktioniert es.
Bekommt man die Zeit dafür?
Kocak: Das darf nicht die Frage sein. Man muss die Zeit geben, sonst wird die Türkei nur temporäre Erfolge im Fußball feiern. Vereine und Verband müssen an einem Strang ziehen und das Potenzial endlich mal ausschöpfen.
Um dann wieder auf Salih Özcan zu kommen: Muss die Türkei da hinkommen, dass man nicht mehr bei anderen Verbänden scouten muss, um Spieler für die Nationalmannschaft zu überzeugen?
Kocak: Das Scouting ist doch völlig normal und überall gängig. Richtig ist, dass wir hier selbst unsere Spieler ausbilden müssen. Wenn aber ein Spieler wie Salih Özcan sich dafür entscheidet, für die Türkei zu spielen, weil er der Überzeugung ist und nicht, weil wir ihn überreden mussten, dann ist er eine Verstärkung.
Einflüsse aus Deutschland hat man ja nun auch auf Trainerebene. Das geht bei Ihnen los, mit Stefan Kuntz weiter, aber dann ist da auch Nuri Sahin. Er hat als Trainer die meisten Punkte in der Geschichte Antalyaspors geholt und 16-mal in Folge nicht verloren.
Kocak: Und dafür verdient er ein dickes Lob! Ich weiß, wie methodisch Nuri arbeitet und dass dieser Erfolg kein Zufall ist. Er hat schon als Spieler wie ein Trainer gedacht und sich darauf vorbereitet. Man kann auch seine Handschrift lesen, wenn Antalyaspor spielt und das ist für einen Trainer eine große Anerkennung. Er wird seinen Weg machen. Genauso wie auch Emre Belözoglu, den ich als Spieler schon sehr geschätzt habe, aber nun leistet er auch als Trainer hervorragende Arbeit bei Basaksehir oder schon letztes Jahr bei Fenerbahce. Nuri oder Emre verschließen ihre Augen nicht. Sie wissen, was in der Welt passiert. Sie handeln akribisch und fortschrittlich und werden dafür belohnt. Sie werden ihren Weg machen.
Sahin zum BVB? Kocak: "Daran führt wahrscheinlich kein Weg vorbei"
Trauen Sie Sahin zu, eines Tages den Trainerjob beim BVB zu übernehmen?
Kocak: Der BVB ist sein Verein. Wenn er diesen Weg weitergeht, führt daran wahrscheinlich kein Weg vorbei, dass Nuri eines Tages dort Trainer wird. Es würde mich für ihn freuen.
Was ist mit Ihnen? Es gab in der vergangenen Saison ein Angebot von Fenerbahce, wie man aus den türkischen Medien hörte. Ein Veto von Altintop soll den Wechsel damals verhindert haben. Planen Sie die Rückkehr zum Vereinsfußball?
Kocak: Ich kann natürlich keine Spekulationen kommentieren. Fakt ist: Wir haben bei der Nationalmannschaft sehr viel zu tun und es ist auch wichtig zu sagen, dass das hier eine Herzensangelegenheit ist. Uns liegt viel daran, das vorhandene Potenzial auszuschöpfen und den türkischen Fußball nach vorne zu bringen. Klar ist aber auch, dass ich mit Leib und Seele Trainer bin und irgendwann sicherlich die Zeit kommen wird, in der ich wieder einen Job als Cheftrainer angehen werde.
Wäre eine Rückkehr nach Deutschland denkbar?
Kocak: Ich habe in Deutschland das Fußballspielen gelernt, in Deutschland den Trainerjob gelernt und habe als Trainer den deutschen Einfluss, ich habe in Deutschland erfolgreich gearbeitet und meine Familie lebt in Deutschland. Ich glaube, die Antwort ist eindeutig.
Das Trainerkarussell dreht sich in der Bundesliga schnell. Was würde denn Jupp Heynckes sagen, wenn Sie ihn anrufen und fragen, ob Sie Ihr Projekt in der Türkei weitermachen sollen oder in die Bundesliga kommen sollen?
Kocak: Sie können ihn ja mal anrufen und fragen. (lacht)