"Dortmund ist nicht mehr berechenbar"

Koray Günter ist bei Galatasaray bis 2018 unter Vertrag
© galatasaray / tuncay sen
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SPOX: Ihr erstes Fazit im Sommer fiel positiv aus: Sie sollten bei Galatasaray behutsam aufgebaut werden, spielten unter Roberto Mancini dann aber ziemlich oft. Dessen Nachfolger Cesare Prandelli hat Sie noch nicht eingesetzt. Fällt die aktuelle Bewertung immer noch positiv aus?

Günter: Man kann nicht wirklich zufrieden sein, wenn man nicht spielt. Aber Unzufriedenheit bedeutet nicht, dass man unglücklich ist. Unter Roberto Mancini hat es sehr vielversprechend angefangen, ich bin ja auch hauptsächlich wegen ihm gekommen.

SPOX: Im Sommer hieß es, dass Hannover 96 konkretes Interesse an einer Verpflichtung hat. War es für Sie keine Option, nach Deutschland zurückzukehren?

Günter: Ich finde es gar nicht so schlecht, gegen Widerstände anzukämpfen. Das tut einem jungen Spieler auch mal gut und prägt einen. Man sammelt Erfahrungen, man wird zu einem Typen. Wenn man nach jedem kleinen Widerstand aufgibt, hat man am Ende der Karriere um die 20 Stationen hinter sich. Man muss auch mal beißen und sich durchsetzen.

SPOX: Deswegen kam Hannover nicht in Frage?

Günter: Ich habe auch davon gelesen, aber wusste nichts von einem Interesse. Es stand für mich außer Frage, hier zu bleiben und meinen Weg weiterzuführen.

SPOX: Wie haben Sie den Abschied von Roberto Mancini erlebt?

Günter: Ich war sehr traurig. Auch wegen meiner eigenen Situation. Aber so ist der Fußball: Trainer kommen und gehen, Spieler kommen und gehen. Darauf muss man gefasst sein. Ich bin nicht nach Istanbul gekommen und hatte die Erwartung, dass Mancini drei Jahre hier ist und mich behutsam aufbauen wird. Im Fußball gibt es keine langfristigen Pläne - das ist ein Tagesgeschäft.

SPOX: Haben Sie damals bei Ihrem Wechsel darauf geachtet, wer Trainer bei Ihrem neuen Arbeitgeber ist? Angebote hatten Sie ja zu Genüge.

Günter: Ich habe keinen bestimmten Trainer gesucht, aber ich habe schon abgewägt zwischen den potenziellen Trainern. Als Galatasaray angefragt hat, war Mancini da: Ein erfolgreicher und erfahrener Mann, der schon bei Manchester City war und dem keiner etwas vorwerfen kann. Er hat auf all seinen Stationen immer junge Spieler herausgebracht. Bei Manchester City hat er einfach mal Matija Nastasic ins kalte Wasser geworfen, der dann seinen Weg gemacht hat. Und Mancini hat so etwas auch bei anderen Vereinen gemacht.

SPOX: Fast wäre statt Prandelli Thomas Tuchel auf Mancini gefolgt. Wäre das für Sie die Ideallösung gewesen? Stichwort: Der Klon von Jürgen Klopp.

Günter: Cesare Prandelli ist ein erfahrener Trainer, der uns gut zu Gesicht steht und uns neue Impulse gibt. Aber Tuchel wäre sicher kein Nachteil gewesen. Es war schade, dass es nicht geklappt hat. Ich hätte mir Tuchel zugegeben schon gewünscht, zumal es uns sicher nicht geschadet hätte, grundsätzlich mal einen deutschen Trainer zu haben, der uns etwas Neues beibringt. Er hätte eine Mannschaft mit deutschen Elementen vorgefunden. Wir hätten ihm helfen können.

SPOX: Mit den deutschen Elementen meinen Sie die zahlreichen deutschsprachigen Spieler im Kader Galatasarays. In der aktuellen Mannschaft sprechen mit Ihnen, Hamit Altintop, Sinan Gümüs, Hakan Balta, Tarik Camdal, Yasin Öztekin, Furkan Özcal und dem Schweizer Blerim Dzemaili gleich mehrere Spieler Deutsch. Steigert das für die "Deutschen" den Wohlfühlfaktor in der Wahlheimat Istanbul?

Günter: Ja. Ich beherrsche die deutsche Sprache in Perfektion. Mein Türkisch ist gut und es reicht, um mich zu artikulieren und es ist besser als das vieler anderer, die aus Deutschland kommen. Aber es ist einfach ein Reflex, wenn man jemanden vor sich hat, der Deutsch kann. Dann kommt es raus. Wieso soll ich nicht Deutsch sprechen, wenn ich es einfach besser kann? Der Draht zu diesen Spielern ist sicher auch etwas anders.

SPOX: Wie kommt das in der restlichen Mannschaft an, wenn im Training auf Deutsch geflachst wird?

Günter: Unser Spaßvogel Yekta Kurtulus sagt immer, dass die Kreuzberg-Jungs wieder da sind, wenn er uns sieht. Oder er sagt: "Schaut, die Ost-Berliner kommen!" (lacht) Es ist aber auch klar, dass wir nicht Deutsch sprechen, wenn wir unter den anderen Spielern sind. Das ist eine Sache des Respekts.

SPOX: Ist Hamit Altintop der große "Abi" (der große Bruder) der Deutsch-Türken?

Günter: Absolut. Er ist unser Godfather (lacht).

SPOX: Für alle Deutsch-Türken im Kader wird das Aufeinandertreffen mit dem BVB etwas Besonderes. Aber es wird auch besonders schwierig. Auf was muss Galatasaray achten, um gegen den BVB zu bestehen?

Günter: Auf unsere Offensive. Aber eigentlich schon auf unser Aufbauspiel. Dortmund bedeutet schnelles Umschalten - Ballgewinn im Zentrum und extrem schnell umschalten. Mit Aubameyang, mit Mkhitaryan, mit Marco Reus, haben sie Spieler, die das in Perfektion umsetzen.

SPOX: Ist Dortmund ohne Robert Lewandowski eigentlich unberechenbarer geworden?

Günter: Eins zu eins kann man Robert nicht ersetzen. Ich hatte das Glück, 2,5 Jahre jeden Tag mit ihm trainieren zu dürfen. Er ist der außergewöhnlichste Stürmer, dem ich je begegnet bin. Ich stimme zu, dass Dortmund ohne klaren Zielspieler nicht mehr so berechenbar ist, weil jeder ins Zentrum reinrutschen kann. Ciro Immobile wurde anfangs in Frage gestellt, aber erinnern Sie sich doch an Lewandowskis erste Zeit: Er kam und hat irgendwann nur noch trainiert, trainiert und gelernt. Dann hat er Lucas Barrios verdrängt und ist richtig aufgeblüht. Vielleicht macht das Immobile auch noch.

Koray Günter im Steckbrief