Die Situation des FC Barcelona wird immer desaströser: Erlöst Xavi!

Von Thomas Hindle und Stefan Petri
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Trainer Xavi sollte beim FC Barcelona besser jetzt gehen dürfen - bevor die Saison des Klubs noch enttäuschender verläuft.

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In der 45. Minute des LaLiga-Spiels zwischen Barcelona und Granada am Sonntag stand Xavi auf, drehte sich um, schrie vor Wut und schlug auf seinen Platz auf der Bank ein. Er hatte guten Grund für seinen Frust: Barça hatte wieder einmal ein billiges Tor kassiert. Abstiegskandidat Granada durfte ungestört den rechten Flügel entlangschlendern, den Ball in die Mitte spielen und dann am amtierenden La-Liga-MVP Marc-André ter Stegen vorbei abschließen.

Das Spiel endete schließlich 3:3, ein weiterer miserabler Abend in einer miserablen Saison für den spanischen Titelverteidiger. Barça taumelt durch diese Saison und verabschiedet sich Stück für Stück aus dem Titelrennen, während Real Madrid immer weiter davonzieht.

Auch in der Champions League wartet eine harte Nuss: Im Achtelfinale steht ein kniffliges Duell mit Napoli an, und selbst bei einem Sieg ist es schwer vorstellbar, dass Barça am Ende den Europapokal im Wembley-Stadion gewinnen wird.

Das hat Spuren beim Trainer hinterlassen - mit Stühlen und allem Drum und Dran. Xavi hat über den Schaden gesprochen, den der Job an seiner Psyche angerichtet hat, und über die Nebenwirkungen des unglaublichen Drucks, das Gesicht einer der größten Marken der Welt zu sein. Auch Klubpräsident Joan Laporta verliert zusehends die Geduld.

Daher wäre es besser, wenn Xavi schon jetzt ginge, statt bis zum Sommer zu warten. Barça steckt in der Klemme - und der Mann, der den Klub führen soll, auch.

Jetzt geht es auch um den Menschen Xavi. Ihn sofort gehen zu lassen, ist die einzig richtige Entscheidung.

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Trainer beim FC Barcelona zu sein, ist kein Zuckerschlecken

Xavi hatte seinen Rücktritt ziemlich plötzlich angekündigt. Nach der 3:5-Heimniederlage gegen Villarreal Anfang Januar gab er eine mürrische Erklärung vor der Presse ab.

"Ich werde Barcelona im Juni verlassen. Wir haben einen Punkt erreicht, an dem es kein Zurück mehr gibt. Es ist Zeit für einen Wechsel", sagte er. "Als Culé denke ich, dass es an der Zeit ist, zu gehen. Ich habe heute mit dem Vorstand und dem Verein gesprochen. Ich werde am 30. Juni gehen. Ich habe diese Entscheidung schon vor Tagen getroffen, ich wusste es bereits. Aber es ist an der Zeit, es öffentlich zu machen. Ich glaube, die Spieler wird das befreien. Ich will kein Problem für den Verein sein, im Gegenteil".

Es lag keine Leidenschaft in seiner Stimme, keine Überzeugung in seinen Worten. Es war die Erklärung einer Niederlage - und nicht gerade eine glorreiche.

In den drei folgenden Wochen hat Xavi die Umstände seines bevorstehenden Abgangs näher erläutert. Der Manager sprach dabei eine Reihe von Problemen an: Er hat das Gefühl, dass er die Mannschaft zurückhält und spürt die Unsicherheit im Verein. Er glaubt auch, dass die Medien seine Arbeit unmöglich gemacht haben. Vor allem aber könne er dem Druck nicht mehr standhalten.

"Ich versuche auszudrücken, was ich fühle. Sie geben dir jeden Tag das Gefühl, wertlos zu sein ... Ich glaube, wir haben ein Problem mit den Anforderungen an diese Position", gab er zu. "Es macht keinen Spaß und es scheint, als würde man andauernd sein Leben riskieren. Das gibt es in keinem Verein. Es ist grausam."

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XAVI IST NICHT DER EINZIGE

Xavis Geschichte ist Trainern auf der ganzen Welt bestens vertraut. Der Barça-Coach verwies auf die Schwierigkeiten seiner Vorgänger Luis Enrique, Ernesto Valverde und Pep Guardiola und warnte auf einer Pressekonferenz öffentlich seinen potenziellen Nachfolger Rafa Marquez - derzeit Trainer der zweiten Mannschaft - davor, dass ihm das gleiche Schicksal drohen könne.

Xavi ist allerdings nicht der erste, der diese Bedenken anspricht. Guardiola hatte sich vor zwölf Jahren ähnlich geäußert, als er, ebenfalls urplötzlich, bekannt gab, das Camp Nou zu verlassen. "Vier Jahre sind eine Ewigkeit", sagte er damals bekanntlich. "Im Dezember habe ich dem Präsidenten mitgeteilt, dass ich das Gefühl habe, dass meine Zeit hier zu Ende geht. In diesen vier Jahren habe ich mich abgenutzt. Ich habe alles gegeben und muss mich jetzt erholen."

Die Äußerungen des jetzigen Manchester-City-Teammanagers fielen in einer Zeit immensen Erfolgs, nach vier der denkwürdigsten Spielzeiten in der Geschichte des Klubs. Und doch brauchte Guardiola einen Ausweg, und andere ehemalige Barça-Manager haben sich ähnlich geäußert.

Ronald Koeman, der den Niedergang des Klubs miterlebte und mit den Schwierigkeiten der "Nach-Messi-Ära" zu kämpfen hatte, äußerte ähnliche Schwierigkeiten. "Barça-Trainer zu sein ist ein Angriff auf die geistige Gesundheit. Es macht viel mehr Spaß, ein Spieler des FC Barcelona zu sein als ein Trainer, und Xavi, als Katalane und Sohn des Vereins, hat das sicher gemerkt. Es war der härteste Job, den ich je hatte", erklärte er letzte Woche.

Dieses Problem geht auch über die katalanischen Grenzen hinaus. Ende Januar machte Jürgen Klopp seine Absicht öffentlich, den FC Liverpool zu verlassen, und äußerte sich dabei ähnlich. "Es ist so, dass ich - wie soll ich es sagen? - keine Energie mehr habe. Ich habe aktuell keine Probleme, natürlich wusste ich schon länger, dass ich es irgendwann bekannt geben muss. Momentan geht es mir sehr gut. Aber ich weiß, dass ich den Job nicht wieder und wieder und wieder und wieder machen kann", sagte er auf der Website des Klubs.

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Der FC Barcelona braucht eine Veränderung

Barcelona tritt derweil auf der Stelle, auch wenn es sich nicht um eine absolute Krise handelt. Trotz des Geredes über schlechte Leistungen und Ungereimtheiten auf beiden Seiten des Spielfelds sollte man sich problemlos für die Champions League qualifizieren können. Zwar hat die Mannschaft von Xavi zehn Punkte Rückstand auf Tabellenführer Madrid, aber der Vorsprung auf den fünftplatzierten Athletic Bilbao beträgt gleichzeitig fünf Zähler.

Barça hat die drittmeisten Tore in LaLiga geschossen, auch Robert Lewandowski traf trotz Sorgen um seine Form in der Liga bereits zehnmal. Youngster Lamine Yamal hat die Mannschaft in den letzten Wochen zu mehreren Erfolgen geführt und scheint gut genug zu sein, um die Mannschaft in den kommenden Jahren zu tragen, obwohl er erst 16 Jahre alt ist. Mit Pedri, Frenkie de Jong und Ronald Araújo gibt es genügend Bausteine, um ein Spitzenteam zu formen.

Laporta bemängelt also, dass Barça einfach noch so weit ist, wie es sein sollte. Wenn es nach dem Klubnamen geht, sollten sie jedes Jahr in LaLiga ganz oben stehen. In Sachen Talent ist diese Mannschaft immer noch gut genug, um um den Titel mitzuspielen.

Xavi wurde zu Recht für seine taktischen Ketten und sein Missmanagement eines Kaders kritisiert, der stark von Innenverteidigern geprägt ist und nur wenige Optionen für die Offensive bietet. Aber es handelt sich nicht um einen Klub in der tiefsten Krise.

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Allein aufgrund des Talents im Kader gibt es Grund zu der Hoffnung, dass Barça in den kommenden Wochen zu seiner Form finden könnte, auch wenn es noch eine Reihe von Auswärtsspielen zu absolvieren gilt: Bilbao, Atlético Madrid, Real Madrid und Girona stehen bis Saisonende noch auf dem Programm.

Das Mittelfeldtrio de Jong, Pedri und Ilkay Gündogan hatte seine Momente. Yamal wird Barça noch zu einigen Siegen verhelfen, wenn er von der Liga den nötigen Schutz erhält. Vitor Roques ordentliche Ausbeute von zwei Toren in 97 Ligaminuten deutet darauf hin, dass auch vom brasilianischen Teenager noch Einiges zu erwarten ist.

Xavi hat zudem ein wenig taktischen Ehrgeiz an den Tag gelegt. Andreas Christensen, in der letzten Saison eine tragende defensive Säule der Titelmannschaft, wurde mit Erfolg als defensiver Mittelfeldspieler eingesetzt. Der junge Außenverteidiger Hector Fort hat in einigen Einsätzen beeindruckt, und Lewandowski darf man ob seiner Torgefährlichkeit niemals abschreiben.

Doch all das ist nicht neu. Barça hat einen konkurrenzfähigen Kader und Einzelspieler, die gut genug sind, um Spiele im Alleingang zu gewinnen. Die derzeitige Situation ist nicht auf einen Einbruch in allen Mannschaftsteilen oder den plötzlichen Verlust fußballerischer Fähigkeiten zurückzuführen.

Vielmehr handelt es sich um einen mannschaftsweiten Mangel an Selbstvertrauen, ausgelöst durch einen Trainer, der nicht mehr das Beste aus seinen Spielern herausholen kann. Eine Besserung ist zwar möglich, aber keineswegs selbstverständlich.

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Xavi wird zur Belastung für seinen Verein

Früher oder später wird Barça einen neuen Trainer brauchen. Sportdirektor Deco ist den Fragen, ob eine Suche im Gange ist, bislang ausgewichen - und hat Gerüchte heruntergespielt, wonach Marquez klarer Favorit sein soll. Dennoch könnte die Verpflichtung eines neuen Trainers - ob Marquez oder ein anderer - dem Team den nötigen Auftrieb geben.

Für Xavi ist der Job derzeit einfach zu viel. Er hat jedes Recht dazu, sich Woche für Woche vor der Presse zu beschweren - vor allem, nachdem er so lange in einer Kultur der Zensur gelebt hat -, aber die Blaugrana brauchen eine Veränderung. Xavi scheint keine Freude mehr an seinem Job zu haben, und es wäre besser für ihn, wenn er schon jetzt geht.

Und dann wäre da noch der Vorteil für die Mannschaft. Ein frisches Gesicht mit neuen taktischen Ideen und ohne Ballast könnte dem FC Barcelona zumindest kurzfristig einen Schub geben. Das könnte auch den Spielern helfen, die unter der Xavi dahinvegetieren: João Félix, Joao Cancelo und Jules Koundé haben allesamt eine enttäuschende Saison hinter sich. Ein neuer Trainer mit neuen Ideen könnte das Beste aus ihnen herausholen - und den Rest der Mannschaft mitreißen.

Zugegeben, es wäre ein großes Risiko. Die maroden Finanzen des Klubs machen die dauerhafte Verpflichtung eines neuen Trainers außerdem schwierig. Aber es könnte für alle Beteiligten von Vorteil sein.

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Mögliche Nachfolger werden gehandelt

Der Barça-Job hat seine Strahlkraft verloren. Es ist nicht länger ein Posten, der die Möglichkeit bietet, Messi zu trainieren und jede Saison um die Meisterschaft zu kämpfen. Es gibt mittlerweile finanzielle Grenzen, und das Wohlwollen der Medien, besessen von berauschendem Fußball, ist weitgehend versiegt.

Dennoch gibt es auf dem Markt eine Reihe interessanter Optionen, wobei Hansi Flick als potenzieller Favorit gehandelt wird. Der Deutsche feierte bei Bayern München große Erfolge und gewann 2020 das Triple. Insgesamt holte Flick in seinen 18 Monaten dort sieben Trophäen und verlor nur sieben Spiele, bevor er den Trainerjob der deutschen Nationalmannschaft übernahm.

Ein weiterer möglicher Neuzugang ist Marcelo Gallardo. Der legendäre Trainer von River Plate hatte keinen guten Start beim saudischen Champions-League-Sieger Al-Ittihad und Barça hatte bereits in der Vergangenheit Interesse an ihm gezeigt. Vereinzelte Gerüchte besagen, dass sie sich erneut um Gallardo bemühen könnten.

Marquez wäre eine vernünftige interner Lösung. Endlich nachzugeben und José Mourinho die Zügel zu überlassen, das genaue Gegenteil.

So oder so hat es Xavi verdient, den Klub verlassen zu dürfen, während ein neuer Trainer der Moral im Team einen entscheidenden Impuls geben könnte. Das Ergebnis könnte für alle Beteiligten von Vorteil sein.

 

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