FC Barcelona: Mehr als ein Klub? Barça verhöhnt sein Motto längst nur noch

Von Mark Doyle
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Einst war der FC Barcelona ein Ausdruck von Freiheit durch Fußball, heute ist er ein Synonym für Skandale und Selbstzerstörung.

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Für die Fans des FC Barcelona, die nach diesen Zeilen ziemlich sicher wütend sein werden, schicke ich eines gleich vorweg: Ich war auch einmal ein Fan dieses Klubs. Ich habe mich als Kind in den Verein verliebt und hatte offensichtlich großes Glück mit der Zeit, in der ich aufgewachsen bin.

Ich weiß noch, wie ich mit meinen Freunden auf der Straße vor meinem Haus versucht habe, das Wembley-Siegtor von Ronald Koeman nachzuahmen. Dann gab es da Hristo Stoichkov und Romario, die Steve Bruce und Gary Pallister nass machten und Manchester United eine schmerzhafte Niederlage beibrachten. Ich war begeistert!

Genau wie Bobby Robson schlug ich die Hände ungläubig über dem Kopf zusammen, als Ronaldo nach DEM Tor gegen Compostela jubelnd abdrehte. Ich bekomme heute noch eine Gänsehaut, wenn ich daran denke.

Und Barça stand "trotzdem" immer für weit mehr als phänomenale Spieler und magische Momente ...

FC Barcelona: Mes que un club

Was mich betrifft, so sagt der Slogan von Barça alles: Mes que un club.

Und es war einmal mehr als nur ein Verein. Zumindest sah es so aus und fühlte es sich so an. Und das nicht nur für mich, sondern für Millionen von Menschen auf der ganzen Welt.

Wie die meisten Fußballfans, die vor der Ära des Internets geboren wurden, brachte mir mein Vater die Geschichte des Fußballs bei. So brachte er mir natürlich auch viel über den FC Barcelona bei, angefangen bei Irlands Patrick O'Connell bis hin zu Johan Cruyff, der wohl einflussreichsten Figur, die der Fußball je gesehen hat.

Aber noch wichtiger war, dass er mich lehrte, wie die Katalanen in Spanien verfolgt wurden. Wie sie daran gehindert wurden, ihre eigene Sprache zu sprechen oder ihre eigene Flagge zu schwenken.

Ich war noch ein Kind und ganz sicher kein Katalane, aber ich wuchs in einem Irland auf, das immer noch von den "Unruhen" geplagt wurde. Es wäre schwer gewesen, dem Mythos, der Barcelona umgibt, nicht zu verfallen. Die Ähnlichkeiten zwischen Irland und Katalonien schienen einfach so offensichtlich.

Umso mehr, als ich Jimmy Burns' Buch 'Barca: A people's passion' las. Das gab mir die nötige Bestätigung: Ich mag zwar aus Dublin stammen, aber ich könnte ein Barca-Fan sein.

Jetzt bin ich es aber nicht mehr. Ich bin es schon seit einiger Zeit nicht mehr.

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Barça: Der zynische Weg zum Trikotsponsoring

Barcelona war nie perfekt. Es war immer ein Verein, der auch Schwächen hatte. Die Art von Schwächen, die für ein Kind, das in der Romantik des "schönen Spiels" versunken ist, nicht so offensichtlich sind.

Josep Lluís Núñez sei als Beispiel genannt. Als Präsident führte er den Klub jahrezehntelang rücksichtslos und behandelte ihn praktisch wie sein Eigentum. Doch bis zum Beginn des 21. Jahrhunderts hatte der Verein es doch geschafft, sich einige seiner inspirierenden Ideale und Ikonen zu bewahren.

In einer Zeit, in der die Vereine plötzlich die Macht ihrer kommerziellen Attraktivität erkannten, weigerte sich Barca standhaft, sein Trikot mit einem Sponsor zu besudeln.

Fast alles, wofür das legendäre blau-rote Trikot einst stand, wurde jedoch ausgehöhlt.

Seit 2006 prangt nun ein Name auf dem Trikot, und die Vereinbarung mit UNICEF wurde nicht nur geduldet, sondern gelobt, denn Barca machte die Werbung und bezahlte die Organisation sogar für dafür, große Aufmerksamkeit für ihren Einsatz für Kinderrechte auf der ganzen Welt zu machen.

Oberflächlich betrachtet eine bewundernswerte Idee, aber in Wirklichkeit nur ein deprimierend zynischer Trick, um den Weg für nachfolgende Sponsorenverträge mit anderen Unternehmen zu ebnen; ein untrügliches Zeichen für den Anfang vom Ende der Idee, dass Barca etwas anderes ist als ein Unternehmen.

Und ein grob fehlgeleitetes noch dazu.

Barça: Tadelloses Images durch den Dreck gezogen

Barcelona ist heute ein Synonym für Rücksichtslosigkeit, Selbstzerstörung und katastrophale Deals auf dem Transfermarkt. Der Klub taumelt von einem Skandal zum nächsten, vom Rücktritt Sandro Rosells wegen der Folgen des Neymar-Transfers bis zum Rücktritt Josep Maria Bartomeus, der den Klub am Rande des Bankrotts zurückließ.

Der vorzeitige Abschied Bartomeus sollte offensichtlich das Ende einer ätzenden Ära der Korruption einläuten - und doch wird der einst stolze Name von Barca weiterhin in den Schmutz gezogen.

Der Clásico in dieser Woche läuft nämlich Gefahr, von den kürzlich bekannt gewordenen Zahlungen an den ehemaligen Vizepräsidenten des Technischen Schiedsrichterausschusses, Jose Maria Enriquez Negreira, völlig überschattet zu werden.

Jüngsten Berichten aus Spanien zufolge behaupten die Barca-Verantwortlichen, dass sie in "Notwehr" gehandelt und lediglich versucht hätten, eine "neutrale" Schiedsrichterleistung zu gewährleisten. Unabhängig von der Wahrheit ist dies zweifellos eine weitere PR-Katastrophe für Barça: Ein Verein, der sich früher über die Voreingenommenheit der Schiedsrichter gegenüber Real Madrid beklagte, wird nun beschuldigt, versucht zu haben, die Spielleitung zu beeinflussen.

Es ist zu hoffen, dass Barça von jeglichem Fehlverhalten freigesprochen wird. Der Verein hat natürlich ein Recht auf ein faires Verfahren - genau wie auch Manchester City und Juventus...

Unabhängig vom Ausgang des Verfahrens ist jedoch klar, dass das einst tadellose Image der Katalanen durch die ständigen Anschuldigungen finanzieller Unregelmäßigkeiten in Mitleidenschaft gezogen wurde. Man möge nur schauen, wie Anhänger von Athletic Club beim Spiel gegen Barcelona letzte Woche in in San Mames Falschgeld mit dem Barca-Wappen und dem Wort "Mafia" auf den Scheinen auf das Spielfeld warfen.

Lange Zeit war Barcelona für fast alle Fußballfans die "zweite Mannschaft", doch inzwischen wünschen sich viele den Niedergang des Klubs.

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Barça ist mittlerweile genau wie Madrid

Das Schlimmste, was man über Barcelona aus Sicht der Cules sagen kann, ist wohl, dass sie in den Augen des Durchschnittsfans nicht mehr viel anders gesehen werden als Madrid.

Wegen der Negreira-Affäre sind die Fronten zwischen den Erzrivalen aktuell mal wieder verhärtet. Aber man darf nicht vergessen, dass die Vorstände der beiden Klubs das Spiel heutzutage auf die gleiche Art und Weise betrachten. Es ist kaum ein Zufall, dass ausgerechnet Barcelona und Real gemeinsam mit Juventus noch die vehementen Verfechter einer Superliga sind.

Der derzeitige Präsident Joan Laporta erklärte am Montag, er werde "gegen die schamlosen Individuen vorgehen, die das Wappen des Klubs beschmutzen" - und es gibt in den Madrider Medien unbestreitbar Leute mit einer unverhohlenen und tief verwurzelten, politisch motivierten Agenda gegen Barça.

In Wahrheit sind die meisten Wunden der Blaugrana jedoch selbst zugefügt und das Ergebnis von Fehlleistungen auf Direktorenebene. Man denke nur an den Barça-Gate-Skandal, als horrende Summen dafür gezahlt wurden, (kritische) Vereinslegenden wie Pep Guardiola und Lionel Messi via Social Media zu diffamieren.

Laportas Lösungen für die von seinen Vorgängern verursachten Probleme lassen dabei kaum auf eine Rückkehr zu den Grundwerten des Vereins hoffen. Tatsächlich scheint er wenig aus Bartomeus katastrophaler Amtszeit gelernt zu haben, die wirtschaftlich so lähmend war, dass sie Laporta faktisch dazu zwang, die einzige verbliebene vereinende Kraft im Camp Nou aufzugeben: Lionel Messi.

Barca hat sich in Schwierigkeiten hineingesteigert - und scheint nun darauf bedacht zu sein, sich aus ihnen herauszuwinden.

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Barça ein Beispiel für die allgegenwärtige Macht des Geldes

Mit etwas Zeit und Geduld hätte Laporta Barça nach seinem alten Vorbild wieder aufbauen können. Zumindest hätte er den Versuch unternehmen sollen!

Immerhin sind die Blaugrana nach wie vor ziemlich gut darin, junge Talente zu entdecken und zu fördern - man schaue sich nur Pedri und Gavi in Aktion an. Aber getrieben von der Sorge, womöglich kurzfristig nicht konkurrenzfähig zu sein, werden ständig neue Superstars verpflichtet. Das Tafelsilber hat Laporta verhökert, in der mittelfristigen Zukunft drohen dem wirtschaftlich eh schon schwer angeschlagenen Traditionsklub große Probleme.

Zugegeben, Geld ist das A und O des modernen Fußballs, und es ist schwierig, mit Vereinen zu konkurrieren, die von ganzen Staaten finanziert werden. Aber auch wenn Laportas Spiel nicht schwer zu verstehen ist, so ist es doch nicht leicht zu akzeptieren.

Die Art und Weise, in der Barcelona seine Zukunft aufs Spiel setzt, hat den Beigeschmack der Verzweiflung. Der Verkauf von Zukunftswerten wäre in früheren Jahren bei Barça gewiss als unter der Würde angesehen worden.

Autor Jimmy Burns sagte über sein Buch: "Ich hoffe, dass ich eine Geschichte geschrieben habe, die Fans, die des modernen Fußballs überdrüssig sind, etwas Trost spenden kann. Das habe ich auch lange Zeit getan. Aber ich erkenne den Verein, den ich einst verehrte (sowohl als Kind als auch als junger Erwachsener), nicht mehr wieder."

Der FC Barcelona ist in diesem Business weder ein positiver Ausreißer noch ein Außenseiter. Er ist ein Teil des Establishments. Die allgegenwärtige Macht des Geldes hat den Verein sein eigenes Motto verhöhnen lassen. So ist er zum Gespött geworden.

Barcelona ist nicht mehr "mehr als ein Verein". Im Moment ist er nicht anders als alle anderen.

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