Ronaldinho: Auf der Massagebank den Rausch ausgeschlafen
Doch Ronaldinho machte weiter, was er wollte. Häufig kam er nach durchfeierten Nächten direkt zum Training oder fehlte unentschuldigt, offiziell wegen Magen-Darm-Grippe oder individuellen Einheiten im Kraftraum. Angeblich soll er dort aber nur regelmäßig auf einem Massagetisch seinen Rausch ausgeschlafen haben. Sogar eine Affäre mit Rijkaards Tochter Lindsay wird ihm nachgesagt.
Gut für Ronaldinho, dass Smartphones und besonders ihre Kameras qualitativ damals noch in den Anfängen steckten. Dennoch gab es immer wieder Bilder vom feiernden Ronaldinho. Subtiler machte es die seriöse La Vanguardia, die größte Zeitung Kataloniens: Sie zeigte nach einem weiteren schwachen Auftritt einfach als Statement auf der Titelseite ein Bild des Brasilianers mit nacktem Oberköper, auf dem die Fettpölsterchen eindeutig zu erkennen waren.
Sein stetig wachsender Bauchumfang und seine regelmäßigen Zwangspausen sorgten für dauerhaften Gesprächsstoff. Aufgrund von anhaltenden körperlichen Beschwerden machte er ab Mitte März kein Spiel mehr. Allerdings veröffentlichte der FC Barcelona damals ein medizinisches Bulletin, wonach keine Verletzung zu diagnostizieren sei. "Barca stellt Ronaldinho bloß", kommentierte das Hausblatt El Mundo Deportivo.
"Was ist bloß aus dem echten Ronaldinho geworden? Es gibt ihn nur noch virtuell - er kickt bei YouTube. Beim FC Barcelona darf er nicht mehr spielen. Liegt sein Problem tatsächlich im rechten Oberschenkel? Oder höher?", fragte die FAZ damals zu Recht.
Ronaldinho: Im Trainingsspiel schon nach zehn Minuten ausgewechselt
Wie disziplinlos und untrainiert die Mannschaft zu dem Zeitpunkt war, macht eine Anekdote aus Balagues Buch deutlich: Bei einem Spiel gegen die in der vierten Liga spielende Reserve, dem Rijkaard teilnahmslos und Zigarette rauchend zuschaute, musste Ronaldinho schon nach zehn Minuten ausgewechselt werden, weil er nicht mehr konnte. Auch der Rest der Startruppe wurde so vorgeführt, dass einer von Rijkaards Assistenten den damaligen Trainer der B-Mannschaft, Pep Guardiola, nach kurzer Zeit bat, einen Gang runterzuschalten.
Die Meisterschaft war diesmal schon deutlich früher verloren, am Ende hatten die Blaugrana 18 Punkte Rückstand auf Meister Real und schafften als Dritter nur knapp den Einzug in die Champions League. Im Pokal schied man ebenfalls vorzeitig aus, so blieb nur noch die Königsklasse, um die verkorkste Saison zu retten.
Vor dem später verlorenen Halbfinale gegen Manchester United stellte Präsident Joan Laporta Rijkaard daher das Ultimatum, dass er nur mit einem erneuten Gewinn des Henkelpotts Trainer bleiben werde. Wie egal Ronaldinho allerdings dieses Alles-oder-Nichts-Spiel war, zeigte der angeblich Verletzte einmal mehr mit einer rauschenden Partynacht am Vorabend des Rückspiels - minutiös dokumentiert von einem anwesenden spanischen Journalisten.
Ronaldinho und Deco betrunken beim Training
Als Guardiola im Juni 2008 als neuer Chefcoach präsentiert wurde, machte er sich sofort daran, die Mannschaft nach seinen Ideen umzubauen: Mit mehr hungrigen Spielern aus La Masia und mit weniger satten Superstars, weshalb Deco und Ronaldinho den Verein verlassen sollten. Zudem wollte Guardiola Lionel Messi aus der zu diesem Zeitpunkt äußerst negativen Abhängigkeit von seinem Freund und Förderer Ronaldinho befreien, der ihm bei seinem Debüt 2005 per Lupfer das erste Tor als Profi aufgelegt hatte und nur wenige Häuser weiter im Vorort Castelldefels wohnte.
Aufgrund ihrer Verdienste sollten Ronaldinho und Deco eine allerletzte Chance erhalten, bestätigten in der Vorbereitung auf die neue Saison aber Guardiolas Vorbehalte. "Ronaldinho und Deco kamen betrunken zum Training. Deshalb wurden die beiden verkauft. Weil man Angst hatte, dass sie ein schlechter Umgang für Messi sind", berichtete der Ex-Stuttgarter und seinerzeitige Barca-Neuzugang Alexander Hleb.
So einigte man sich in beiden Fällen relativ geräuschlos, Deco ging zum Chelsea und Ronaldinho verließ Barcelona nach vier Jahren in Richtung AC Mailand. Die Italiener zahlten 21 Millionen Euro Ablöse, nachdem der Klub ein Jahr zuvor noch knapp viermal so hohe Angebote abgelehnt hatte. Bei den Rossoneri wurde er nicht besonders freundlich begrüßt. "Er bringt Milan nicht weiter. Wir brauchen Spieler mit einer anderen Einstellung", sagte Gennaro Gattuso.
Wie zum Beweis machte Ronaldinho weiter wie in Barcelona: Nach seinem Siegtor im Derby gegen Inter feierte er drei Tage durch und verschleuderte dabei angeblich 75.000 Euro. "Der Abstieg von Ronaldinho hat mich nicht überrascht", erinnerte sich sein damaliger Trainer Carlo Ancelotti. "Sein Talent stand nie in Frage. Aber sein körperlicher Zustand war immer bedenklich."