Godin: Legenden haben keinen Preis

Diego Godin wird die nächsten vier Jahre seine Fußballschuhe für Atletico schnüren
© getty

Diego Godin wird von den Fans von Atletico Madrid vergöttert wie kein anderer Spieler der Rojiblancos. Am selbsternannten Höhepunkt der Karriere hätte er auf der Insel im Geld schwimmen können. Stattdessen machte er sich bei seinem Herzensverein unsterblich. SPOX zeigt Atleticos erstes Auswärtsspiel beim FC Sevilla im LIVESTREAM FOR FREE.

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Als Diego Godin das wichtigste Tor seines Lebens schoss, wurde es still. Beängstigend still sogar. Die Wenigsten jubelten und aus den Stadionlautsprechern brüllte keine Musik. Auf den drei, wie eine imposante Wand in den Himmel ragenden Rängen des Camp Nou herrschte Stille. Entsetzen und Ungläubigkeit.

Um kurz vor acht Uhr abends an diesem Samstag im Mai 2014 warf sich Godin wieder einmal mit allem, was er hatte, in einen Eckball. Und wieder einmal fand das Leder nach einem seiner gefürchteten Kopfstöße den Weg über die Linie. Doch dieses Mal war es anders. Da bedeutete sein Tor die Meisterschaft seiner Rojiblancos. Die erste seit 18 Spielzeiten, geholt im Wohnzimmer der besten Fußballmannschaft der vergangenen Jahre.

Coach Diego Simeone habe ihn, so heißt es, nach Schlusspfiff zu sich gezogen. "Du", soll der exzentrische Coach seinem Abwehrchef ins Ohr geschrien haben, "du wirst für immer und ewig ein Teil der Geschichte von Atletico bleiben."

"Er hat Geschichte geschrieben"

Ein Satz aus dem akuten Glücksgefühl heraus? Ein pathetisches Statement in einer Ausnahmesituation? Nein. Godin steht in einem Klub, der für seine zahlreichen Personalrochaden bekannt ist, für die absolute Identifikation mit dem rotweißen Trikot. Er ist der Publikumsliebling und die große Konstante der letzten Jahre. Und das nicht nur in den Augen der Fans. Und das nicht nur seit der Nacht im Mai - oder dem 20. August 2015.

"VERLÄNGERT! Er hat Geschichte geschrieben, er ist eine Legende", twitterte der Verein an jenem Tag. "Diego ist bis 2019 ein Rojiblanco."

Es ist - will man es fußballromantisch ausdrücken - zumindest ein kleines Märchen in einer Zeit, in der die Debatte um Vereinstreue und die Jagd nach dem großen Geld so emotional geführt wird, wie noch nie. In der die Frank Lampards, Andrea Pirlos und Bastian Schweinsteigers dieser Welt ihren Klubs den Rücken kehren, aus welchen Gründen auch immer.

Nicht für Pep, nicht für City

Die Möglichkeiten dazu hätte Godin allemal gehabt. Der Innenverteidiger, der vor fünf Jahren auf Empfehlung von Landsmann Diego Forlan für acht Millionen Euro aus Villarreal an den Manzanares kam, hat bei Weitem nicht den Glamourfaktor eines Sergio Ramos. In der öffentlichen Wahrnehmung ist Godin einer der unterschätztesten Verteidiger Europas, doch ist man sich in den Büros der Topklubs bewusst, dass es wenige gibt, die dem Uruguayer das Wasser reichen können.

Doch für Godin war es nie eine Option, zu gehen. Sein Atletico zu verlassen. Nicht für den FC Bayern, wo Pep Guardiola ihn angeblich nach der Verletzung von Javi Martinez unbedingt haben wollte. Nicht für Manchester City, das seine Ausstiegsklausel von 40 Millionen Euro ziehen wollte und ihm 125.000 Euro Gehalt pro Woche geboten haben soll. Und schon gar nicht für United, die verzweifelt versuchen, ihr zu vieles Geld auf dem Transfermarkt loszuwerden und den 29-Jährigen ebenfalls weit oben auf der Wunschliste hatten.

"Ich habe nie daran gezweifelt, bei Atletico zu bleiben", sagte Godin kurz nach der Unterzeichnung seines neuen Arbeitspapiers. Sprach vom Dank an den Klub, den überwältigenden Fans und ließ nebenbei sogar die Wörtchen "für immer" und "Herzensentscheidung" fallen. Ein bisschen Romantik, eben.

"Ich kann das Spiel nicht genießen"

So ganz anders als der Spieler Godin, der als fußballerische Reinkarnation seines Coaches seit seiner ersten Spielzeit in Madrid unantastbar war. Motiviert, ehrgeizig, immer und überall an den Grenzen. "Wir in Uruguay lieben den Kampf", hat Godin einmal über den Charakter der Urus gesagt. "Ich kann nicht auf den Platz gehen und das Spiel komplett genießen. Man rennt viel, gibt alles und geht bis ans Limit. Es ist purer Stress."

Dass Godin den Kampf liebt, lebt der Verteidiger auf dem Rasen. Dass er dabei über die Stränge schlägt, wie in einem Spiel gegen Barcelona, als er Nebenmann Miranda erklärte, wo er den angeschlagenen Lionel Messi zu traktieren habe, ist aber die Ausnahme. Godin ist ein sensationeller Zweikämpfer, in der Luft kaum zu bezwingen. Weder vor dem eigenen, noch vor dem gegnerischen Tor.

"Ich bin gerade in der besten Phase meiner Karriere", weiß Godin, der mit den Colchoneros die Geister aus dem Mai 2014 wiederbeleben möchte. Der Auftakt in die neue Saison gegen Aufsteiger Las Palmas war noch etwas holprig, beim FC Sevilla (So., 20.30 Uhr im LIVESTREAM FOR FREE) wartet schon eine schwerere Hürde für Godin & Co. Vielleicht wirft er sich dann wieder einmal mit allem, was er hat, in einen Eckball. Und vielleicht findet das Leder wieder einmal den Weg über die Linie. Dann wird es zwar nicht das wichtigste Tor seines Lebens sein - im Estadio Ramon Sanchez Pizjuan würde es aber wohl still werden.

Diego Godin im Steckbrief