"Einige Kunden rufen mich immer noch an": Wie ein Kaffee-Verkäufer Napolis Chefcoach wurde - und nebenbei Nationaltrainer ist

Eigentlich wollte er ja eine Bar betreiben. Irgendein Job musste schließlich her, nachdem der Traum von der Karriere als Profi-Fußballer geplatzt war. Doch Francesco Calzona landete beim Kaffee.

Das kam für den heutigen Chefcoach der SSC Neapel, der nebenbei auch noch Nationaltrainer der Slowakei ist, durch einen Teamkollegen. Calzona hatte zu Beginn seiner Laufbahn als Spieler Mitte der 1980er-Jahre einmal kurz in der zweitklassigen Serie B bei SS Arezzo gekickt. In Italiens Eliteklasse schaffte es der offensive Mittelfeldspieler aber nicht.

Als er dann mehr als zehn Jahre später für den Amateurklub U.S.D. Tegoleto in der 6. Liga auflief, machte ihn ein Mitspieler, der in einer Kaffeerösterei arbeitete, mit deren Besitzer Marco Magi bekannt. Und plötzlich hatte Calzona eine Arbeit neben dem Fußball.

Der damals 30-Jährige verkaufte in der Folge Kaffee. Zunächst an Freunde, bis immer mehr Kunden hinzukamen. Die waren von den Produkten des kleinen Familienunternehmens "Moka Più" derart angetan, dass Calzonas Verkäufe florierten.

© getty

Francesco Calzona: Vom Kaffee-Verkäufer zum Fußballtrainer

"Es war eine faszinierende Zeit. Ich habe viel gelernt. Eine fantastische Erfahrung, an die ich gerne zurückdenke", sagte Calzona einmal und ergänzte stolz: "Einige Kunden rufen mich immer noch an und fragen nach Kaffee."

Doch trotz des florierenden Geschäfts hatte er das obere Regal im Fußball noch nicht gänzlich abgehakt. Wenn schon nicht als Spieler, sollte es als Trainer klappen. Dass Calzona dafür Potenzial besitzt, erkannten damals bereits die Vereinsoberen von Tegoleto und boten ihm an, Spielertrainer zu werden. Zugunsten des Kaffee lehnte Calzona zunächst aber noch ab - und empfahl dem Klub einen guten Freund von ihm. Er hieß Maurizio Sarri.

Sarri nahm schließlich 1999 die Offerte des Vereins an. Es war der erste Posten als Cheftrainer für den Kettenraucher, der 2017 Italiens Trainer des Jahres bei der SSC Neapel werden sollte, 2019 mit Chelsea die Europa League und ein Jahr später den Scudetto mit Juventus Turin gewann.

© imago images

Francesco Calzona: Jahrelang Co-Trainer von Maurizio Sarri

Calzona spielte noch ein Jahr unter Sarri mit und wurde ab 2004 im unterklassigen Bereich erstmals Trainer. Drei Jahre später holte ihn Kumpel Sarri als Co-Trainer zu US Avellino 1912. Fortan bildeten die beiden ein Gespann, das sich auch in Verona, Perugia, Alessandria, Sorrento und Empoli versuchte.

2015 begann schließlich Calzonas erste Amtszeit bei Napoli, natürlich erneut zusammen mit Sarri. Erst 2018 trennten sich die Wege der beiden, als Sarri zu den Blues ging und Calzona unter Eusebio Di Francesco Co-Trainer bei Cagliari Calcio wurde. Dieses Bündnis hielt jedoch nur 26 Pflichtspiele lang, im Sommer 2021 war Calzona zurück am Vesuv - und assistierte dort Luciano Spalletti.

Der machte sich zwei Jahre später in Neapel unsterblich, als er in der vergangenen Saison den ersten Meistertitel seit 1990 für die SSC errang. Calzona allerdings war kein Teil der ausgelassenen Feierlichkeiten. Ein Anruf von Napoli-Legende Marek Hamsik war daran Schuld.

© getty

Francesco Calzona und sein erster Posten als Chefcoach - der Slowakei

"Marek rief mich an und fragte mich, ob ich an einem Gespräch mit dem Verband interessiert sei", sagte Calzona. "Er stellte den Kontakt her, wir trafen uns und lernten uns kennen. Dann boten sie mir den Vertrag an." Und auf einmal war Calzona erstmals alleinverantwortlicher Trainer - der Slowakei. "Neapel war meine Komfortzone, in der ich von allen respektiert wurde. Ich liebe aber harte Herausforderungen, die Komfortzone ist nichts für mich. Ich mag es, das Adrenalin zu spüren", begründete der heute 55-Jährige seine Wahl im August 2022, die damals durchaus überraschend kam.

Schließlich war Calzona nach Pavel Hapal erst der zweite nicht einheimische Nationaltrainer der Slowakei und der erste ohne tschechoslowakische Herkunft. Zudem spricht er kein Englisch, kann seit Anfang September aber auf die Unterstützung von Hamsik als Teammanager bauen.

"Ich wusste nicht, wie es laufen würde, aber es hat sich gelohnt", sagte Calzona. Tatsächlich führte er sein Team durch einen 4:2-Sieg gegen Island Mitte November zur EM, wo es die Slowakei im Sommer mit Belgien, Rumänien und einem Gegner aus den noch auszutragenden Play-Offs zu tun bekommt. "Das Schwierigste war, 25 oder 30 Spieler aus mindestens elf oder zwölf verschiedenen Ligen mit unterschiedlichen Rollen und Mentalitäten zusammenzubringen. Es war eine echte Herausforderung, alle schnell zu synchronisieren", sagte Calzona.

© getty

Francesco Calzona bleibt bei Napoli nur noch ein Saisonziel

Vor einem guten Monat geschah jedoch etwas, womit Calzona nicht rechnete: Sein Ex-Klub Napoli rief und bat ihn um Hilfe. Nach Rudi Garcia und Walter Mazzarri wurde Calzona der dritte Coach in der laufenden Saison beim kriselnden amtierenden Meister - und blieb zugleich Nationaltrainer der Slowaken. Damit ist er der erste Trainer der Serie A, der während seiner Amtszeit gleichzeitig als Nationaltrainer eines anderen Landes fungiert.

Calzonas Programm dieser Tage sieht so aus: Am Sonntag gastierte er mit Napoli bei Spitzenreiter Inter Mailand, nächsten Samstag sitzt er in Bratislava gegen Österreich auf der Bank, drei Tage später geht es in Oslo gegen Norwegen und am Samstag darauf ist um 12.30 Uhr gegen Atalanta Bergamo Anstoß.

Während für ihn mit der Slowakei nun lediglich Freundschaftsspiele anstehen, sollte Calzona mit Napoli tunlichst das letzte verbleibende Saisonziel erreichen: die Qualifikation zur Champions League. Für den Tabellensiebten liegt Platz vier bei noch neun ausstehenden Partien aber neun Punkte entfernt. Doch auch wenn es in der Champions League in Barcelona die erste Niederlage unter Calzona hagelte, holte er aus den bislang fünf Ligaspielen ohne Pleite neun Punkte.

© getty

Francesco Calzonas unklare Zukunft: Neapel oder Slowakei?

Wie Calzonas Karriere zur neuen Saison weitergehen wird, steht in den Sternen. Bei Neapel läuft sein Vertrag bis Saisonende, was wie die weitere Ausübung des Amtes als Nationaltrainer Bedingung des slowakischen Verbandes war. In der Slowakei, wo Calzona nach 14 Länderspielen bei sieben Siegen und vier Remis steht, sieht sein Kontrakt zudem noch die WM-Qualifikation vor, die im März 2025 beginnt.

Der Verband hofft, dass sich Calzona ab Sommer wieder ausschließlich der Slowakei widmet. "Wir haben nicht so viele Trainer an der Hand", sagte beispielsweise Ex-Profi Marian Tomcak, der heute als TV-Experte arbeitet, lapidar.

Ähnlich simpel fiel auch Calzonas Antwort aus: "Wenn ein Angebot kommt, werde ich zusammen mit dem slowakischen Verband entscheiden, was das Beste ist", sagte er und ergänzte: "Ich habe aber kein Angebot erhalten." Das dürfte sich ändern, wenn er mit Napoli doch noch die Königsklasse packt. Dann wird er in der fußballverrückten Stadt sicher auch einmal auf einen Kaffee eingeladen.

© getty

Francesco Calzona: Seine Karriere als Trainer im Überblick