Morata Marke Eigenbau

Von Lukas Herold
Patrick Cutrone ist die Entdeckung beim AC Milan in dieser Saison
© getty

Der 19-jährige Patrick Cutrone vom AC Milan sorgt in der aktuellen Saison für Furore. Das Eigengewächs trotzt dem Kaufrausch des chinesischen Investors und übernimmt eine wichtige Rolle bei den Fans. Am Sonntag treffen Cutrone und Milan im Derby della Madonnina auf Stadtrivale Inter (20.45 Uhr live auf DAZN und im LIVETICKER).

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Die Fans des AC Milan können es nicht fassen. Der sicher geglaubte Sieg gegen Rijeka ist durch einen in der 90. Minute verwandelten Elfmeter futsch. Es läuft die Nachspielzeit im San Siro. Der 19-jährige Patrick Cutrone kreuzt hinter der Viererkette, wird mit einem hohen Pass im Sechzehner angespielt und spitzelt den Ball am Torhüter vorbei.

Der Europa-League-Debütant lässt die Ränge explodieren. Eine Etage tiefer zwingen sich die Neuzugänge Andre Silva, Nikola Kalinic, Hakan Calhanoglu und Ricardo Rodriguez, zusammen 98 Millionen Euro schwer, zu einem Lächeln.

Ein Eigengewächs hat ihnen die Schau gestohlen.

Cutrones Jugend beim AC Milan

Anders als die hochkarätig besetzte Bank durchlief Cutrone sämtliche Jugendmannschaften der Mailänder - mit Erfolg: Allein in seiner letzten Saison in der Primavera A traf er 19 Mal in nur 22 Spielen. Ähnlich erfolgreich war seine Zeit bei den U15- bis U19- Nationalteams der Azzurri, für die er insgesamt 31 Tore erzielte.

Es war nur noch eine Frage der Zeit, bis er in die erste Mannschaft vorstoßen würde. Am 21. Mai 2017 schenkte Coach Vicenzo Montella seinem Schützling erstmals das Vertrauen.

Geld schießt (manchmal) keine Tore

Milan galt nie als große Talentschmiede, doch die Übernahme durch den chinesischen Geschäftsmann Yonghong Li im April 2017 erschwerte die Situation zusätzlich. Der Investor begann direkt in seiner ersten Transferphase Talente und gestandene Spieler anderer Vereine zu holen.

Insgesamt 232 Millionen Euro verprasste der Chinese, um den Traditionsklub aus dem Mittelmaß zu hieven. Auf der Position des Stürmers sah man trotz der Zugänge von Silva und Kalinic weiteren Handlungsbedarf.

"Wir würden gerne Morata haben. Wir wollen einen Spieler in diesem Format kaufen", sagte Geschäftsführer Marco Fassone bei MilanTV.

Cutrones Idol: Alvaro Morata

Alvaro Morata wechselte im Sommer zum FC Chelsea, und Milan entschied sich für einen Verbleib Cutrones, obwohl eine Leihe des Youngsters bis zum Ende des Transferfensters im Raum gestanden hatte.

Ein Morata-Transfer hätte die Karriere des Italieners in eine andere Richtung lenken können. Bemerkenswert, denn der Spanier ist Cutrones großes Vorbild. "Ich lasse mich viel von Morata inspirieren", berichtete er der Gazzetta dello Sport.

Cutrone nutzte seine Chance: In den ersten sieben Spielen der neuen Saison durfte er sechs Mal ran, drei Mal von Beginn an. Anders als der torlose Stareinkauf Silva hat Cutrone bereits zwei Treffer und zwei Vorlagen zu verbuchen.

Cutrone ist im Schnitt alle 60 Minuten direkt an einem Tor beteiligt. Mit seinen Scorerpunkten sticht er seine Teamkollegen Kalinic und Silva locker aus, selbst sein Idol in der Premier League braucht länger pro Treffer.

Cutrone: Identifikationsfigur der Fans

Durch seine Torausbeute und seine Identifikation mit dem Verein, spielte sich Cutrone schnell in die Herzen der Fans.

Im am Reisbrett zusammengestellten Kader ist Cutrone eine Ausnahme, aber eben das macht ihn zum Liebling der Milan-Anhänger, die sich nach Spielern mit Stallgeruch sehnen. Gut zu sehen war das im Juni, als die Gerüchte um einen Abgang von Top-Talent Gianluigi Donnarumma heftige Reaktionen hervorriefen.

Für Cutrone ist es mehr als eine leere Geste, mit dem Wappen zu posieren. Das merken die Fans - er ist einer von ihnen. "Es ist mein Traum, in der Serie A für Milan zu spielen, weil ich hier spiele, seitdem ich ein Kind bin", schwärmte er vor seinem Debüt bei Milan TV.

Seine Bodenständigkeit verstärkt die Popularität des Eigengewächses: "Ich habe ein Tattoo am Arm, welches meine Familie repräsentiert. Ich werde ihr immer dankbar sein", erklärte er seinen Jubel, bei dem er seinen rechten Unterarm küsst.

Der zweite Pippo Inzaghi?

Sein Spielstil lässt die älteren Milan-Anhänger in Erinnerungen an erfolgreichere Zeiten ihres Vereins schwelgen, denn er ähnelt dem einer Vereinslegende.

"Er ist ein eiskalter Torjäger, der mich in gewisser Weise an Pippo Inzaghi erinnert", sagte etwa der ehemalige Chefscout Mauro Bianchessi über Cutrone.

Er besitzt schon jetzt einen Killerinstinkt vor dem Tor - in 1-gegen-1-Situationen schließt er überlegt und sicher ab.

Sein starkes Kopfballspiel ist nicht nur auf seine Größe von 1,83 Metern oder außergewöhnliche Sprungkraft zurückzuführen, sondern vielmehr das Ergebnis cleverer Bewegungen und Laufwege im gegnerischen Strafraum.

Prompte Gehaltserhöhung

Oft lauert er gekonnt an der Grenze zum Abseits, was er sich womöglich direkt beim Spezialisten Inzaghi abgeschaut hat: "Ich habe nur einen Monat mit ihm zusammen gearbeitet, aber in diesem Monat gab er mir Tipps, wie ich meine Bewegungen als Stürmer optimieren kann", erzählt Cutrone bei Milan TV.

Auch setzt er seine Mitspieler immer wieder gekonnt In Szene, das untermauern seine zwei Assists zu Beginn der Saison.

Freilich fehlt ihm in seiner ersten Seria-A-Saison noch die Erfahrung und er muss sich weiterentwickeln, um sich auf höchstem Niveau zu etablieren, doch Cutrone zeigt sich lernwillig. "Ich muss meinen linken Fuß verbessern", gab er etwa selbstkritisch zu.

Seine starke Entwicklung honorierte das Management in Mailand prompt und passte seinen bis 2021 laufenden Vertrag an. Deutlich höher als 180.000 Euro sollte sein Jahresgehalt nun angesetzt sein.

Der Hype kann kommen

Auch außerhalb des Fußballs geht es steil bergauf. Cutrone ist in den sozialen Netzwerken sehr präsent und seine Reichweite steigt zusehends. Seine Followerzahl bei Instragram ist im vergangenen halben Jahr von 36.000 auf 280.000 geklettert. Er ist auf dem besten Weg, eine eigene Marke zu kreieren.

Eine Garantie, dass es stetig so weiter geht, gibt es nicht, denn mit dem Kapital aus Fernost wird Milan weiter kräftig auf Shoppingtour gehen. Allerdings spielen die Verantwortlichen mit dem Feuer - sie könnten ein großes Talent verlieren.

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