Gianluigi Buffon und Giorgio Chiellini umarmten sich innig. Eine gefühlte Ewigkeit verging, bevor sich Juves Haudegen wieder von einander lösten. Das Verarbeiten des Abends dauerte aber noch an. Die Fans der Bianchoneri warteten in ihrer Kurve im Etihad Stadium sehnsüchtig auf ihre Helden. Gefeiert wurde dann gemeinsam Hand in Hand und mit viel Pathos.
Seit dem späten Dienstagabend ist Juventus Turin angekommen in der Saison 2015/16. Nach einem ungewöhnlich schlechten Start in die Serie A TIM drehte der Champions-League-Finalist der letzten Saison in Spiel eins nach dem Endspiel in Berlin einen 0:1-Rückstand bei Manchester City noch in einen 2:1-Sieg.
Die Leistung der Italiener war dabei ein Abziehbild vieler Spiele der so erfolgreichen Saison 2014/15. Juve war schwer zu bespielen, zeigte viel Leidenschaft, ließ sich vom irregulären Gegentor nicht irritieren und gewann die Partie noch mit zwei blitzsauberen Treffern durch Mario Mandzukic und Alvaro Morata.
"Die Alte Dame war zu schnell und zu clever für City und hat es ausgenutzt, dass der Gegner international immer noch zu grün hinter den Ohren ist", schrieb der Daily Mirror.
Reichlich Erfahrung vorhanden
Das kann man von Juve nicht behaupten. Obwohl der Alten Dame durch die Abgänge von Andrea Pirlo, Carlos Tevez und Arturo Vidal gleich drei lebenswichtige Körperteile herausgerissen wurden, die eine sehr erfolgreiche Ära über viele Jahre entscheidend mitgeprägten, stehen immer noch genügend Spieler mit reichlich Erfahrung und ebenso vielen Erfolgen im Kader: Buffon, Chiellini, Claudio Marchisio, Stephan Lichtsteiner, oder Leonardo Bonucci.
Spieler die schon lange im Verein sind, wissen, was es bedeutet, die schwarz-weißen Farben zu vertreten und sich im Klaren darüber sind, was auf Juve in dieser Saison zukommt. Auch wenn es im Verein niemand offen aussprechen mag, befindet sich die alte Dame in einem Übergangsjahr.
Wenn drei derart wichtige Säulen wie Pirlo, Tevez und Vidal wegbrechen, ist die Wahrscheinlichkeit groß, dass nicht alles von Anfang an wieder laufen kann. Zwei Niederlagen zum Start in die Serie A TIM kalkuliert in Turin niemand ein, einen holprigen Beginn konnte man aber nahezu erwarten.
Prominente Absagen
Juve musste zumindest ansatzweise adäquaten Ersatz besorgen und befand sich im Sommer zudem auf einem leichten Zick-Zack-Kurs, was Transfers betrifft.
Trainer Massimiliano Allegri wollte unbedingt einen prominenten Zehner verpflichten, handelte sich aber eine Absage nach der anderen ein. Draxler, Götze, Isco - sämtliche Verhandlungen scheiterten. Am Ende holte Juve Hernanes von Ligarivale Inter Mailand.
Zudem tüfelte Allegri an der richtigen Taktik; in den ersten beiden Ligaspielen ließ er hinten mit Dreierkette und zwei Stürmern spielen, gegen Chievo bot er eine Viererkette auf und in Manchester probierte er erstmals ein 4-3-3 aus.
Dieses System scheint für den jetzigen Kader das passende zu sein. Mit Morata, Cuadrado, Dybala, Zaza und Pereyra hat Juve genügend Spieler, die sich auf den Flügeln wohl fühlen, in der Sturmmitte ist Mandzukic der idealen Abnehmer.
Der Kroate mag in den letzten beiden Jahren in München und Madrid Probleme zwischenmenschlicher Art gehabt haben, seine Torjäger-Qualitäten sind aber unbestritten.
Pogba muss liefern
Die Abwehr ist seit Jahren eingespielt und für das Mittelfeldzentrum hat Allegri mit Marchisio, Stefano Sturaro und Sami Khedira ebenfalls genügend Alternativen. Und der kommende Superstar spielt auf jeden Fall noch mindestens eine Saison in Turin. Paul Pogba konnte dem penetranten Lockruf des FC Barcelona noch einmal wiederstehen.
Die Erwartungen an den 22-Jährigen sind in Turin gestiegen. Pogba muss eine Führungsrolle übernehmen; gerade im Mittelfeld fehlt ohne Pirlo und Vidal viel Leadership. "Ich weiß, dass auf mich noch mehr geschaut wird. Aber ich bin mental stark genug, dass ich mich der neuen Herausforderung bei Juve stellen kann", sagte Pogba.
Die größte Herausforderung der noch jungen Saison besteht für Juve darin, den Rückstand in der Liga nach und nach zu verringern. Acht Punkte beträgt bereits die Hypothek auf Tabellenführer Inter, auch der AS Rom, Florenz und Lazio sind erstmal nicht in Sichtweite.
"Es verbietet sich derzeit, vom Scudetto zu sprechen", sagte Buffon. "Zu so einem frühen Zeitpunkt macht das per se wenig Sinn und schon gar nicht nach unserem Start."
Chance auf Scudetto Nummer 5 in Folge
Inter spielt in dieser Saison nicht im Europacup und kann sich ganz auf die Liga und die Coppa Italia konzentrieren. Die Roma kam Juve in den letzten Jahren am nächsten und lechzt nach dem ersten Meistertitel seit 2001.
Die Mannschaft von Juventus Turin ist aber immer noch stark genug, das Feld von hinten aufzurollen. Der Übergang zu einer Verjüngung des Kaders ist eingeleitet, die Mischung in dieser Saison ist vielversprechend.
Die Chance auf den fünften Scudetto in Folge ist für Juve Ansporn genug, nach dem Sieg in Manchester auch in der Liga Gas zu geben. Dafür sollte am Sonntag beim FC Genua aber zwingend der erste Saisonsieg eingefahren werden.
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