Francesco Totti scheint keinen Sinn für Fußball-Romantik zu haben. Humorlos traf er gegen Bari in den ersten 28 Minuten dreimal und beendete so das Abwehr-Märchen des Aufsteigers. Bis dahin hatten die Süditaliener mit nur sieben Gegentoren nämlich die beste Abwehr aller Teams in den europäischen Topligen gehabt.
Dieser Rekord gehört nun Chelsea, Real, Barca und Sevilla, die erst acht Gegentreffer hinnehmen mussten. Trotzdem hat Bari mit nunmehr zehn Gegentoren weiter die beste Defensive der Serie A - als Aufsteiger wohlgemerkt. Das verdankt der Underdog zum Großteil seinen zwei Innenverteidigern Leonardo Bonucci und Andrea Ranocchia.
Bis vor wenigen Monaten war das Duo selbst Italien-Kennern noch kein allzu großer Begriff. Kein Wunder: Bonucci ist 22, Ranocchia 21 Jahre alt. Beide kannten die Serie A bis vor wenigen Monaten nur aus dem Fernsehen, spielten bei Arezzo (Ranocchia) und Pisa (Bonucci) in Italiens zweiter Liga. Mit dem ersten Spieltag der laufenden Saison begann ihr kometenhafter Aufstieg.
Topstürmer ausgeschaltet
Den spürten mit Samuel Eto'o und Diego Milito (Inter), Pato und Ronaldinho (Milan), sowie Antonio Cassano und Giampaolo Pazzini (Sampdoria) bereits drei der besten Angriffsduos Italiens am eigenen Leib. Bari verlor keine dieser drei Partien und kassierte dabei nur ein Gegentor - Inter traf per Elfmeter.
Ranocchia und Bonucci zeichnen sich trotz ihrer 1,90 Meter durch Schnelligkeit und Spielstärke aus. Egal ob in San Siro oder Rom, mit ihrer eleganten Spielweise treten sie oft als kreative Spieleröffner auf und leiten die eigenen Angriffsaktionen mit dem Ball am Fuß ein. Ranocchia glänzt dazu mit seiner Kopfballstärke, Bonucci mit seiner kämpferischen Spielweise.
Das Duo kommt zumeist ohne Fouls aus - zusammen haben sie erst dreimal Gelb kassiert - und ergänzt sich prächtig. "Manchmal müssen wir nicht mal miteinander sprechen, um uns sofort zu verstehen", erzählt Bonucci, der in der Jugend von Inter Mailand ausgebildet wurde.
Vergleiche mit Baresi
Zusammengefasst: zwei moderne Innenverteidiger. "Eine so starke Spieleröffnung hatte in ihrem Alter zuletzt ein gewisser Franco Baresi", schwärmt Massimo Carrera, Champions-League-Sieger mit Juve 1996 und heute Verantwortlicher des Jugend-Sektors der Turiner.
Das alles ist auch vielen europäischen Topklubs nicht entgangen. Regelmäßig nehmen Späher aus ganz Europa auf der Tribüne des Stadio San Nicola Platz, um das Duo genauer unter die Lupe zu nehmen. ManUnited, Arsenal, Inter, Juve und Milan sollen bereits angeklopft haben. Auch Meister Wolfsburg soll sich bei seiner Suche nach einem neuen Innenverteidiger in Bari umgeschaut haben.
"Bald Nationalspieler"
Für Baris Trainer Giampiero Ventura ist klar: "Beide haben das Zeug, in ganz großen Mannschaften zu spielen. Wenn sie mit den Füßen auf dem Boden bleiben, werden sie bald Nationalspieler."
Einer, der das bei Ranocchia schon früh erkannt hat, ist Atalanta-Coach Antonio Conte: "Ich habe in Arezzo auf Ranocchia gesetzt, als er noch 17 Jahre alt war. Neben seinen technischen Fähigkeiten hat mich vor allem seine starke Persönlichkeit beeindruckt. Deshalb habe ich bereits vor zwei Jahren Juve auf ihn aufmerksam gemacht."
Mittlerweile stehen einige der Großen Europas auf der Matte von Giorgio Perinetti, dem Sportdirektor des Aufsteigers mit der Betonabwehr: "Andrea und Leonardo vereinen alle Qualitäten, die einen italienischer Verteidiger ausmachen und sind auch körperlich stark."
Keine Wechsel im Winter
Trotz des großen Interesses aus dem In- und Ausland schließt Perinetti eine Trennung im Januar aus: "Ranocchia, Bonucci und unseren anderen Leistungsträger werden bleiben. Punkt."
Bari hat in dieser Sache aber nicht allzu viel zu sagen. Schon eher der FC Genua. Bei dem liegen nämlich die Rechte für die beiden Abwehr-Juwelen. Ranocchia ist an Bari ausgeliehen, an Bonucci halten Genua und der Aufsteiger je 50 Prozente der Transferrechte.
"Genua würde die beiden am liebsten gleich zurückhaben", sagt Perinetti. Ein Blick auf die Statistik verrät, warum. Mit 24 Gegentoren hat der Europa-League-Teilnehmer die schlechteste Abwehr der Serie A. Ranocchia und Bonucci zeigen ihrem Stammverein Sonntag für Sonntag, wie man es besser macht.