Es ist nicht so, dass Birmingham noch nie einen Superstar zu Gesicht bekam. Die nach London zweitgrößte Stadt Englands hat durchaus ein paar illustre Töchter und Söhne anzubieten: J. R. R. Tolkien, Autor von Herr der Ringe, verbrachte hier seine Kindheit. Ozzy Ozbourne ist hier geboren. Ein Großteil von Black Sabbath kommt aus der Stadt. Auch die hiesigen Fußballvereine beschäftigten sehr spannende Namen.
Doch was Philippe Coutinho Correia, besser bekannt als Coutinho, ausgelöst hat, ist schon bemerkenswert. Der 29 Jahre alte Brasilianer kommt auf Leihbasis vom FC Barcelona zu Aston Villa - und der Hype sorgte für kuriose Reaktionen. Das stark frequentierte Internetportal BirminghamLive beispielsweise nahm ein paar lokalen Immobilienmaklern die Arbeit ab und listete die möglichen Häuser, die Coutinho anmieten könnte, auf.
Beispiel: Der Bauernhof in der Cherry Hill Road mit fünf Schlafzimmern wurde gerade erst renoviert. Für 2,25 Millionen Pfund kann man die Villa am Dunedin Drive haben. Etwas teurer ist die sehr luxuriöse Bleibe am Blakesfield Drive. Hier hat Jack Grealish gewohnt. Seitdem konnte sich das Haus offenbar keiner mehr leisten.
So einen warmen Empfang bekam Coutinho schon ewig nicht mehr. Die lokalen Sportgrößen tönen schon Richtung London und Manchester, dass sie sich warm anziehen können. "Das ist ein Statement an die Konkurrenz", sagt Ex-Kicker Paddy Kenny. Zappt man durch die TV-Sendungen, gibt es nur Lob und Anerkennung für diesen Transfer. Als hätte man in England die Zeit ab dem 6. Januar 2018, als Coutinho die Insel verließ, um zum FC Barcelona zu wechseln, bis heute einfach nicht mitbekommen.
Die Profistationen von Coutinho
Zeitraum | Klub | Spiele | Tore | Vorlagen |
2008 bis 2010 | Vasco da Gama | 19 | 1 | 2 |
2010 bis 2013 | Inter Mailand | 47 | 5 | 4 |
2012 | Espanyol Barcelona (Leihe) | 16 | 5 | 1 |
2013 bis 2018 | FC Liverpool | 201 | 54 | 45 |
seit 2018 | FC Barcelona | 106 | 25 | 14 |
2019-2020 | FC Bayern München (Leihe) | 38 | 11 | 9 |
seit 2022 | Aston Villa (Leihe) | - | - |
Xavi will alle bösen Erinnerungen ausradieren
140 Millionen Euro ließ sich Barca den Supertechniker damals kosten. Man stelle sich mal vor: Die Katalanen hatten schon Messi, Suarez, Dembele, ein halbes Jahr später dann auch Griezmann. Und dennoch nahm man so viel Geld in die Hand, weil man ihm einfach nicht widerstehen konnte und kein Geringerer als Neymar ersetzt werden musste. Aber es blieb beim Versprechen, dass Coutinho diese Rolle ausfüllen könnte.
Wenn man bei Barcelona heute über Coutinho spricht, wird er als Grund für den finanziellen Niedergang des Klubs relativ schnell aufgezählt. Als Klub-Legende Xavi den Trainerjob von Ronald Koeman übernahm, versuchte er nicht einmal, Coutinho eine Chance zu geben. Als würde er alles ausradieren wollen, was sein Barcelona kaputt gemacht hat. Als würde er die bösen Erinnerungen löschen wollen.
In England hat man aber gute Erinnerungen. Glaubt man den vielen Medienberichten, hat jeder Klub an Coutinho gedacht, als dieser auf dem Markt verfügbar wurde. Arsenal und Chelsea, ja auch Manchester United wurden gehandelt. Dass Coutinho aber zu Aston Villa geht, liegt daran, dass auch Coutinho so seine Erinnerungen hat: an eine sehr glückliche Zeit beim FC Liverpool. Aber die Reds wollten den Spielmacher nicht zurückhaben. Also wechselte er zur wichtigsten Figur der Reds. Zu dem Mann, zu dem er damals an der Merseyside aufgeschaut hat: Steven Gerrard.
Gerrard zu Coutinho: "Halt dich fern von mir!"
Der junge Mann aus Rio de Janeiro und der älter werdende Mann aus Liverpool. Zwölf Jahre Altersunterschied. Noch größer die Mentalitätsunterschiede. Aber erst entwickelte sich Respekt, dann daraus eine Freundschaft. Coutinho erzählt, dass er schon als Heranwachsender in Brasilien große Stücke auf Gerrard hielt. "Ich spielte damals auf der Playstation mit ihm. Als ich ihn dann kennenlernte, ihn im Training und auf dem Platz spielen sah, merkte ich, dass er noch besser ist. Das war unglaublich. Er konnte alles so gut: Schießen, Passen, Verteidigen, Angreifen."
Nicht anders erging es Gerrard in den zweiundeinhalb Jahren gemeinsamer Zeit beim FC Liverpool: "Er war schon seit Tag 1 brillant und er wurde Monat für Monat besser. Es war unglaublich, was er mit dem Ball anstellen konnte. Er hatte die schnellsten Füße im Kader." Das ging sogar soweit, dass Gerrard irgendwann keine Lust mehr hatte, im Fünf gegen Fünf gegen Coutinho zu spielen. "Ich habe es gehasst, gegen ihn zu spielen. Er konnte dich blamieren. Manchmal musste ich ihm sagen: 'Halt dich fern von mir!'"
Der absolute Augenöffner, wie Gerrard später erzählte, war aber dann Luis Suarez. Als dieser Liverpool 2014 Richtung Barcelona verließ, suchte er noch das Gespräch mit dem Kapitän: "Er sagte mir: 'Bitte pass auf ihn auf. Er ist ein guter Junge.' Das hatte schon etwas zu sagen, dass Luis so viel von Coutinho hielt. Ich hatte schon immer ein Auge auf ihn gerichtet, aber nach dem Gespräch mit Luis wurde es noch mehr." Selbst als Gerrard schon nicht mehr spielte, schrieb er Coutinho regelmäßig SMS - vor und nach den Spielen.
Coutinho: Beim FC Bayern nie ein Teil von Mia
Genau an diese Verbundenheit, an dieses Vertrauensverhältnis wird Coutinho gedacht haben, als ihm diverse Angebote vorlagen. Trotz aller Probleme, die der Brasilianer in Barcelona hatte, ist er immer noch so hoch veranlagt, dass er eine Etage höher mit einem Vertrag ausgestattet werden kann. Aber ein Wechsel in unbekanntes Terrain wäre wieder ein Abenteuer gewesen. Wie damals beim FC Bayern, als er 2019/20 hier und da sein Können aufblitzen ließ, aber niemals ein Teil von Mia wurde. Genauso wenig wie bei seiner Rückkehr nach Barcelona. Hier und da tolle Spiele, aber dann auch wieder Leerlauf, weil auch das Vertrauen der Trainer fehlte, dass dieser Coutinho helfen kann.
Vertrauen, das Villa-Trainer Gerrard zu Genüge hat. Coutinho war schon als Kollege Ziehsohn, als Trainer kann Gerrard die Vaterrolle noch besser ausfüllen. "Du bekommst den Spitznamen Der Magier nicht, wenn du kein besonderer Fußballer bist", sagte Gerrard als Willkommensgruß. Genau solch einen Magier kann der junge Coach auch gebrauchen.
Der Mann von der Blakesfield Drive, Jack Grealish, konnte nie richtig ersetzt werden. Die 100 Millionen Euro, die Manchester City im Sommer überwies, legte man fast komplett in Emiliano Buendia (Norwich City), Leon Bailey (Bayer Leverkusen) und Stürmer Danny Ings (Southampton) an. Überzeugend ist bisher keiner. Besonders Argentinier Buendia sollte die Grealish-Rolle einnehmen, ist aber mit einem Tor und drei Assists in 17 Spielen weit unter den Erwartungen geblieben. Es fällt ihm trotz großer Klasse schwer, das Spiel an sich zu reißen.
Coutinho kann das gut. Selbst in Barcelona oder in München gab es Spiele, in denen er allen die Show stahl. Warum sollte das also nicht dauerhaft unter Gerrard funktionieren? Zumindest lässt Coutinho erkennen, dass er bereit ist, einen Schritt zurück zu machen, um vielleicht dann wieder ein paar Schritte nach vorne zu gehen. Lässt er sein Können aufblitzen, wird Aston Villa im Sommer die Kaufoption von knapp 40 Millionen Euro ziehen. Coutinho würde zwar nicht mehr so ein üppiges Gehalt wie in Barcelona haben, aber für eine Villa in irgendeiner Road wird es schon noch reichen.