Neulich gab es eine ziemlich unscheinbare Szene, die aber doch so viel erzählt über die Gemengelage bei Manchester United: Vor dem Auswärtsspiel bei Tottenham feuerten die Startspieler noch ein paar Bälle aufs Tor: Ronaldo, Cavani, Fernandes: Sie versenkten ihre Schüsse, Ersatzkeeper Dean Henderson hatte kaum eine Chance.
Donny van de Beek war auch in den Ablauf involviert, der Niederländer durfte seinen Teamkollegen die Zuspiele für den Torschuss in den Lauf legen. Eigentlich ist der Hilfsjob als Wandspieler kurz vor dem Anpfiff einer Partie den Co- oder Athletik-Trainern vorbehalten - ganz sicher aber nicht einer 40 Millionen Euro teuren Spezialwaffe. Die sollte eigentlich auf der anderen Seite stehen und die Bälle ins Tor schießen. Das wäre die normale Aufgabenverteilung. Aber was ist schon normal in der Beziehung zwischen Donny van de Beek und Manchester United?
Van de Beek in Manchester: Einsatzzeiten ohne Nutzen
Letzten Herbst kam der Niederländer mit großen Vorschusslorbeeren und noch größeren Erwartungen nach Manchester. Bis heute hat sich Sehnsucht nach dem großen Fußball für Van de Beek und jene von United nach einer prägenden Figur einer neuen Ära aber überhaupt nicht erfüllt. Van de Beek ist auf dem besten Weg, zum sündteuren Missverständnis zu werden, streng genommen ist er das sogar schon längst.
41 Pflichtspiele lesen sich auf den ersten Blick noch ganz ordentlich. Aber nur acht davon durfte Van de Beek auch über die vollen 90 Minuten absolvieren. Er hat in diesen Spielen ein einziges Tor erzielt und nur zwei vorbereitet. In dieser Saison durfte er ein Mal im Carabao Cup gegen West Ham und ein Mal in der Champions League in Bern von Beginn an ran - beide Spiele gingen verloren. Ansonsten bleiben relativ sinnfreie Einsatzminuten wie zuletzt gegen Newcastle oder ManCity: In Spielen, die in der "Garbage Time" austrudeln, weil sie längst entschieden sind.
Und selbst eine Einwechslung gegen Bergamo, nach der United einen Rückstand noch in ein Remis wandeln konnte, wirft mehr Fragen auf, als sie Antworten gibt: Wie groß kann die Wertschätzung eines Trainers sein, der zwei Minuten vor dem Ende nur noch so viel Offensivpotenzial wie möglich in die Schlacht werfen will - ohne große taktische Expertise dahinter oder sogar einem Plan?
Van de Beeks Hoffnungen erfüllen sich nicht
Das ist die Situation, mit der sich Donny van de Beek nun seit einigen Monaten zurechtfinden muss und sie scheint ausweglos. Dabei war der 24-Jährige nach den Rückschlägen in der letzten Saison und der verpassten EM-Teilnahme mit seinem Heimatland beim Start in die aktuelle Spielzeit noch so positiv gestimmt. Im Youtube-Channel von United-Legende Rio Ferdinand plauderte Van de Beek unter anderem über das Verhältnis zu Ole Gunnar Solskjaer und wie der Trainer von nun an auf ihn bauen könnte.
"Er hat sich sehr positiv über mich geäußert, und jetzt fühle ich mich gut. Ich bin in guter Form und hoffe, dass ich den Fans zeigen kann, dass ich mich sehr verbessert habe", erzählte van de Beek damals. Der Trainer sehe jetzt einen Unterschied in seinen Trainingsleistungen, außerdem sei das schwierige erste Jahr nun ja auch vorüber. Das alles mache ihn stärker als zuletzt. Die Wahrheit ist: Von dieser neuen Stärke ist rein gar nichts zu sehen.
Van de Beek bewegt sich bei seinen wenigen Einsätzen wie in einer ihm fremden Mannschaft. Aus Sicht des Spielers ist es der klassische Dreiklang aus sowohl fehlender Abstimmung, Spielpraxis und Selbstvertrauen. Der eigentliche Grund für diesen bedauerlichen Zustand eines erwiesenermaßen sehr guten Fußballspielers dürfte aber sein Trainer sein. Solskjaer irrlichtert nicht erst seit einigen Tagen durch taktische Prämissen, ein roter Faden ist da kaum noch zu erkennen.
Spätestens die Partie gegen Stadtrivale City sollte auch die letzten Linien derer aufgeweicht haben, die den Norweger bis jetzt verteidigt hatten. Solskjaers United wirkte gegen Guardiolas City wie eine Schülermannschaft ohne Plan und mit ein wenig Pech wäre nur 14 Tage nach dem verheerenden 0:5 gegen Liverpool die nächste heftige Abreibung perfekt gewesen. Da kann dann irgendwann auch kein spätes Tor von Cristiano Ronaldo mehr helfen, wenn eine teuer zusammengeschweißte Mannschaft ohne Identität vor sich hinspielt.
Ince über Solskjaer: "Er hat ihm alles genommen"
Die Lage in Manchester ist komplett verfahren, was es speziell für die Bankspieler noch eine Spur schwerer macht. Der ohnehin schon angeschlagene und ängstliche Trainer klammert sich an jedem Personal fest, das kurzfristig den größten Erfolg verspricht. Das nächste Spiel ist das wichtigste und für Solskjaer derzeit immer ein Endspiel. Entsprechend gibt es keinen Raum mehr für Experimente oder so etwas wie eine wenigstens mittelfristige Strategie.
"Er hat ihm alles genommen", hat Paul Ince neulich im Podcast United Stand erzählt. Im Englischen hörte sich die Formulierung noch eine ganze Ecke drastischer an, aber im Grunde weiß jeder, was der ehemalige Nationalspieler damit meint. Ince kritisiert Solskjaer in dem Gespräch scharf, wirft dem Trainer unter anderem fehlendes Fingerspitzengefühl im Umgang mit Van de Beek vor. Das deckt sich dann in etwa mit dem, was von der Van-de-Beek-Seite zuletzt zu vernehmen war.
"Solskjaer hatte angedeutet, dass er ein anderes System spielen würde, aber das ging in den ersten fünf Spielen komplett schief. Am Ende der Saison kommt man zu dem Schluss, dass es eine schmerzhafte Saison war", sagte Guido Albers bei Ziggo Sports. Van de Beeks Berater war offenbar bereits im Sommer in Gesprächen mit Klubs aus den europäischen Top-Ligen. "Es gab großes Interesse aus Italien, Deutschland, England. Das sah gut aus", sagte er schon damals. Van de Beek blieb dennoch in Manchester. Auch, weil er sich von Solskjaer eine Veränderung erwartet hatte.
Auch in der Elftal ist kein Platz mehr
Nun ist es aber so, dass Donny van de Beek im großen Weltfußball quasi von der Bildfläche verschwunden ist. Die Verbannung auf die Tribüne oder Ersatzbank in Manchester kostete ihn nun auch seinen Platz in der Elftal.
Wenn die Niederlande am Dienstagabend in ihrem Endspiel gegen Norwegen um das WM-Ticket kämpft, sitzt Van de Beek zu Hause vor dem Fernseher. Bondscoach Louis van Gaal findet derzeit keine Verwendung für einen Spieler, der nicht spielt. Und das ist aus Van Gaals Sicht ebenso nachvollziehbar wie es tragisch für Donny van de Beek ist.
Für den gibt es wohl nur zwei Möglichkeiten: Die Hoffnung auf einen schnellen Trainerwechsel in Manchester und damit eine neue Ausgangslage. Oder aber ein Wechsel in diesem Winter. An Interessenten dürfte es kaum mangeln. Ein "Weiter so" kann es aber weder für United als auch für Donny van de Beek nicht geben.