Everton-Neuzugang Cenk Tosun im Porträt: Ein Hesse wird Lukaku-Erbe

Von Nicolai Lehnort
Cenk Tosun stürmte in der HInrunde noch für Besiktas Istanbul
© getty

Cenk Tosun wurde mit seinem 22-Millionen-Transfer von Besiktas zum FC Everton zum teuersten Spieler der Süper-Lig-Geschichte. Der 26-jährige Stürmer begann seine Karriere einst in Deutschland, bei Eintracht Frankfurt.

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Es war der 9. Mai 2010 im Stadion an der Grünwalder Straße in München. Eintracht Frankfurts U19 gastierte in der A-Junioren-Bundesliga beim Nachwuchs des FC Bayern. Der damals 18-jährige Cenk Tosun brachte Frankfurt in Führung, das Spiel endete 2:2.

Acht Jahre später hätte Cenk Tosun - mittlerweile 26 Jahre alt - die Möglichkeit gehabt, die Geschichte zu wiederholen. Diesmal nicht an der Grünwalder Straße, sondern in der Allianz Arena. Diesmal nicht vor 250, sondern vor 70.000 Zuschauern. Diesmal gegen die Profis der Bayern. Mit seinem Ex-Klub Besiktas. Im Achtelfinale der Champions League.

Doch der Deutsch-Türke entschied sich gegen die größte Bühne des europäischen Fußballs und für die Premier League - er unterschrieb einen langfristigen Vertrag beim FC Everton. Die Toffees zahlten 22 Millionen Euro und machten Tosun damit zum teuersten Abgang der Süper-Lig-Geschichte.

Geboren in Wetzlar, ausgebildet in Frankfurt

Die Geschichte von Tosun beginnt im hessischen Wetzlar, wo er als Sohn türkischer Auswanderer geboren wurde. Bereits mit sechs Jahren wechselte er vom ortsansässigen SV Raunheim in die Jugendabteilung von Eintracht Frankfurt. Dort überzeugte er später in der A-Jugend (40 Spiele, 20 Tore) sowie in der zweiten Mannschaft (17 Spiele, zwölf Tore). Auch für diverse deutsche Juniorennationalteams lief Tosun auf - und traf. Für die Frankfurter Profi-Mannschaft reichte es jedoch nur zu einem Einsatz.

"Ich habe nie eine Chance bekommen", beklagte der Stürmer damals in der Frankfurter Rundschau: "So wie ich trainiert habe, hätte ich eine Chance verdient gehabt." Tosun verließ Frankfurt in Richtung Türkei.

Über das Sprungbrett Gaziantepspor zu Besiktas

In der Heimat seiner Eltern stürmte Tosun fortan für Gaziantepspor. Einen Verein, der vielen türkischen Spielern als Sprungbrett dient. Gleich bei seinem ersten Spiel, im Pokal gegen Rekordmeister Galatasaray, erzielte Tosun beim 3:2-Sieg einen Doppelpack. In den ersten 14 Pflichtspielen netzte er zwölf Mal. "Das war der Wahnsinn. Die ganze Türkei kannte mich plötzlich", schwärmte der damals 19-Jährige.

Nachdem seine Leistungen in der zweiten Saison mit Gaziantepspor abflachten, steigerte sich Tosun in den beiden darauffolgenden Spielzeiten wieder und traf je zweistellig. Das weckte Begehrlichkeiten. Der Mittelstürmer verlängerte seinen Vertrag nicht und mit Besiktas schlug einer der drei großen Hauptstadtklubs ablösefrei zu. In Istanbul war Tosun aber lange nur Stürmer Nummer zwei. Erst stand Demba Ba vor ihm, anschließend Mario Gomez. Doch diese Zeit prägte ihn.

"Ich lernte eine Menge von Demba Ba und Mario Gomez", schwärmte der Nationalspieler in einem Interview mit der Website der UEFA: "Ich entwickelte mich und sammelte viel Erfahrung." Bei seinem ersten Meistertitel mit Besiktas kam Tosun noch meist als Joker. An der erfolgreichen Titelverteidigung war er mit 20 Mal Treffern jedoch maßgeblich beteiligt.

Gleichzeitig startete Tosun in der türkischen Nationalmannschaft durch, die sich trotz der Einsätze für deutsche Juniorennationalteams um ihn bemühte. Mit fünf Treffern in neun Spielen war er der beste Torschütze der Türken in der WM-Qualifikation. Auch in der laufenden Champions-League-Saison traf Tosun fleißig, viermal. Bei Besiktas avancierte er zum Publikumsliebling, blieb aber auch bei seinem Ex-Klub beliebt. Vor dem Konkurs half er Gaziantepspor finanziell.

Lukaku-Nachfolger bei Everton

Auch den folgenden Abschied von Besiktas nahm ihm keiner übel, Tosun erreichten Glückwünsche von allen Seiten: Vereine, Mitspieler, der türkische NBA-Spieler Cedi Osman und sogar der Vizepremierminister Mehmet Simsek gehörten zu den Gratulanten.

Bei Everton, dessen Spiele Tosun "schon von der Türkei aus verfolgte", gilt er als der verspätete Nachfolger des im Sommer abgewanderten Romelu Lukaku. Der Transfer erscheint für alle Seiten sinnvoll. Für den Spieler, der der Süper Lig entwachsen ist. Für Besiktas, das mit der eingenommenen Transfersumme finanzielle Altlasten ausgleichen kann. Und für Everton, das sein Stürmer-Vakuum mit dem "für den Preis besten Spieler Europas" füllte, wie Trainer Sam Allardyce sagte.

Für Tosun bedeutet der Wechsel auch eine deutliche Gehaltserhöhung. Medienberichten zufolge verdiente er in der Türkei 1,6 Millionen Euro jährlich, auf der Insel soll sein Jahressalär bei 7,5 Millionen liegen. Womöglich ist Everton für ihn aber auch nur das nächste Gaziantep: Das Sprungbrett auf dem Weg zu einem der größten Klubs Europas.

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