Märchen beginnen meist mit "Es war einmal ...". Auch die Geschichte vom Aufstieg des AFC Wimbledon könnte so beginnen, doch es wäre etwas voreilig, sie schon zu erzählen, denn das Märchen wird immer noch geschrieben.
Es ist ein Verein, der voller Wunder steckt. Ein Klub in der Hand der Fans, inmitten des englischen Profifußballs, wo Investoren aus aller Welt die Zügel in der Hand halten. Ein Klub, der seit 2002 sechs Mal aufgestiegen ist. Doch allzu lange darf in London nicht geträumt werden, immerhin steht eine Saison in der League One, Englands dritter Liga, bevor. Und dort weht schon ein rauher Wind.
Auch dieser Aufstieg gehört zum Märchen vom AFC Wimbledon. Ein Baustein zum Aufstieg war die starke Rückrunde, die der Klub spielte. Die Hinrunde wurde auf Platz 15 im grauen Niemandsland abgeschlossen. Doch 13 Siege in 23 Rückrundenspielen sicherten dem AFC Platz sieben - und der berechtigt gerade noch zur Teilnahme an den Playoffs.
Aufstiegsheld Akinfenwa muss gehen
Wie so oft war der AFC der Underdog, aber das stört den Klub nicht: Gegen Plymouth wurde mit einem 2:0 der Aufstieg perfekt gemacht. Einer der Aufstiegshelden wird nun in der League One fehlen: Adebayo Akinfenwa, auch "Beast Mode" genannt, kein Wunder bei 108 Kilo auf 1,80 Meter. Akinfewa wurde oft von gegnerischen Fans mit dem Gesang "Who ate all the pies?" (Wer hat den ganzen Kuchen aufgegessen?) verspottet, er wurde in Italien rassistisch beleidigt und hat sich dennoch durchgesetzt und spielt Profifußball. Sein Vertrag bei den Dons wird nicht verlängert, er rief bei Aufstiegsfeierlichkeiten potentielle neue Coaches auf, sich bei ihm per WhatsApp zu melden.
In 41 Spielen kam er in der zurückliegenden Saison auf acht Tore, er ist eher einer, der Fußball arbeitet als ein Abschlussspieler. Mit ihm verliert der AFC Wimbledon eine "Feel-Good-Story", sein sportlicher Wert in der League One wäre eher fraglich. Andere Personalien stehen dort im Vordergrund.
Auch Stürmer Rhys Murphy geht, er konnte sich nicht etablieren, schoss gerade mal ein Tor. Viel mehr schmerzt der Abgang von Keeper Kelle Roos. Er kam per Vier-Monats-Leihe nach London, machte 20 Spiele, acht davon zu Null. Coach Neal Ardley bezeichnete ihn als einen der Gründe, wieso Wimbledon in der zweiten Saisonhälfte 45 Punkte holte. Seine Leihe läuft aus, er kehrt zurück zu Derby County in die Championship, noch eine Etage höher.
Neal Ardley ist der "perfekte" Trainer
Unbedingt halten muss Wimbledon auch Lyle Taylor. Er spielt in Ardleys 4-4-2 fast immer von Beginn an, mit seinen 22 Toren in 45 Spielen war er einer der Garanten für den Aufstieg. Taylor war es auch, der den Sieg gegen Plymouth einleitete. Bei anderen Personalien durften die Fans bereits aufatmen: Die Dauerbrenner George Francomb und Dannie Bulman verlängerten ihre Verträge ebenso wie Kapitän Barry Fuller. Rechtsverteidiger Fuller verpasste nur ein einziges Spiel, und Francomb lieferte in der Saison elf Assists - Höchstwert im Team.
Ein Pfund für den Klub ist der Trainer. Der britische Journalist Sid Lowe bezeichnete Coach Neal Ardley im Podcast des Guardian als "sehr talentierten jungen Manager, der auch taktisch sehr gut ist". Zudem spielte Ardley selbst lange für den ursprünglichen FC Wimbledon und ist eine Identifikationsfigur. Für Lowe passt Ardley "perfekt" zum Verein.
Ein Gerüst für die League One ist vorhanden, ob die Qualität reicht, muss man abwarten. Um diese noch zu erhöhen, ist Geld nötig. Hinter Liga-Konkurrent Sheffield United steckt beispielsweise ein Investor aus Saudi-Arabien. Investoren, die sich einkaufen? Gibt es nicht beim AFC Wimbledon. Der Klub gehört der demokratischen Non-Profit-Organisation "The Dons Trust", der jeder Fan für 50 Pence in der Woche beitreten kann und dafür auch noch ein Stimmrecht erhält.
Emotionale Rückkehr nach Merton
Der Verein ist auf Spenden angewiesen. Wer die Website des Vereins besucht, muss erst einmal den Spendenaufruf wegklicken. Auch wenn die Fans bereits viel geleistet haben, Geld ist beim AFC Wimbledon ein knappes Gut und weitere Spenden sind immer willkommen. Aber neue Gelder zu generieren, ist für die Dons schwer. Die Einnahmen steigern soll ein neues Stadion, dessen Bau momentan angestrebt wird. Dafür wird das Kingsmeadow Stadium an den FC Chelsea verkauft, das dieser wohl für sein Frauen-Team nutzen wird.
Geplant ist ein Stadion mit 11.000 Plätzen, das noch auf 20.000 Plätze erweitert werden könnte. Das neue Stadion ist aber nicht nur eine räumliche und emotionale Rückkehr zur ursprünglichen Heimat Plough Lane, es werden auch neue Jobs geschaffen, soziale Projekte sollen angestoßen und der Stadtteil Merton gestärkt werden.
Ein weiterer kreativer Weg, den der AFC Wimbledon eingeschlagen hat, um wenigstens ein paar weitere Pfund einzunehmen, ist ein ebay-Account. Fans sind aufgerufen, Sachen zu spenden, die darüber verkauft werden können - frei nach dem Motto "Kleinvieh macht auch Mist". Viel eingestellt wurde in das Auktionshaus zwar nicht, aber immerhin ein signiertes Poster für 63 Pfund verkauft. Und nach den Playoffs gab es ein T-Shirt zu ersteigern, signiert von der kompletten Mannschaft. Es ging für 2000 Pfund weg.
"Glück ist das Ergebnis harter Arbeit"
Was Wimbledon ausmacht, ist die Geschlossenheit, die Stimmung ist äußerst positiv. Bei seiner Vertragsverlängerung sagte Kapitän Fuller: "Als ich bei diesem Klub unterschrieben habe, wusste ich zwar ein paar Dinge über den Verein, aber seit ich hier bin, hat die Geschichte des Vereins meine Familie und mich gepackt. Ich glaube, die gesamte Geschichte hier begeistert die Leute, jeder hat eine Schwäche für diesen Klub."
Ein klares Bekenntnis in einem ansonsten hektischen und von Kurzlebigkeit geprägten Geschäft.
Auch der Fonds des AFC hat eine Botschaft an die Fans gerichtet: "Einige Leute sagen, dass wir Glück hatten. Wenn das Sprichwort 'Glück ist das Ergebnis harter Arbeit und Planung' zutrifft, dann ja, dann hatten wir Glück."
Aus dieser Botschaft ist Trotz herauszuhören; Trotz gegen den Neid derer, die nicht so viel aus ihren besseren Möglichkeiten machen. Das wird den Zusammenhalt des Vereins nur noch stärken.
Hinter Wimbledon steht eine starke Gemeinschaft, die es geschafft hat, ein Märchen zu schreiben. Ein Märchen, das im Hier und Jetzt stattfindet. To be continued...
AFC Wimbledon im Steckbrief