Revolution im Luxussektor

Von Stefan Rommel
Jose Mourinho steht in seinem zweiten Jahr beim FC Chelsea unter Druck
© getty

Die einstigen Power-Shopper vom FC Chelsea sind geradezu genügsam geworden. Nach Jahren des Prassens in der Ära Abramowitsch schlagen die Blues in dieser Transferperiode wieder deutlich gemäßigtere Töne an. Jose Mourinho hat die Schwachstellen der Mannschaft erkannt und auf dem Transfermarkt gezielt eingekauft. Cesc Fabregas und Diego Costa, sowie die beiden Rückkehrer Thibaut Courtois und Didier Drogba lassen die Fans träumen. Es gibt aber auch Bedenken - Mourinho selbst steht ebenfalls unter Druck.

Cookie-Einstellungen

Der FC Chelsea hat etwas vollkommen Verrücktes gemacht: Momentan steht bei den Blues ein Transferplus von drei Millionen Euro. Keine monströse Zahl und für nahezu jeden handelsüblichen Klub auch nicht weiter bemerkenswert. Für Chelsea kommt das aber einer kleinen Revolution gleich.

Der Klub hat alleine in den letzten fünf Jahren für 490 Millionen Euro eingekauft, seit der Übernahme durch Roman Abramowitsch haben die West-Londoner unglaubliche 1,1 Milliarden Euro in neue Spieler investiert. Das Transfersaldo belief sich dabei auf ein Minus von rund 770 Millionen Euro. In den letzten fünf Jahren waren es 340 Millionen Minus.

Nur ein einziges Mal, in der Saison 2008/09, erzielte Chelsea einen Überschuss von 14 Millionen Euro. Wohl eher ein Ausrutscher in der Spielzeit nach dem bitteren Erlebnis von Moskau, als John Terrys Fehlschuss den Blues die Champions League kostete.

Ausnahme unter den Big Five

Jetzt soll vernünftiges Wirtschaften keine Ausnahme mehr bleiben, sondern ein Kernpunkt der Strategie sein. Nicht nur wegen des Financial Fairplay der UEFA. Jose Mourinho war in seiner ersten Amtszeit an der Bridge wie seine Kollegen ein Verschwender, der auf der Jagd nach der Krone Europas kaum Rücksicht auf finanzielle Belange nehmen musste.

Mourinho wurden mehrere Dutzend Wunschspieler geliefert, im Gegenzug durfte er nach Belieben aussortieren. Transfererlöse spielten eine untergeordnete Rolle, in erster Linie mussten Kaderqualität und -struktur stimmen. Der FC Chelsea unterwirft sich nun den natürlichen wirtschaftlichen Gesetzen der Branche.

Der Rest der Big Five in England bleibt seiner Linie im Gegensatz dazu vorerst treu. Manchester Citys Minus von lediglich 13 Millionen Euro in diesem Sommer ist für City-Verhältnisse kaum erwähnenswert. Aber Liverpool: 31 Millionen Euro Minus. United: 64 Millionen Euro Minus. Arsenal: 73 Millionen Euro Minus. Gerade die Gunners, gerne auch von den eigenen Fans als Ausbildungsverein getadelt, langten bisher kräftig zu.

Von der Gehaltsliste wurden neben den einträglichen Verkäufen auch drei Spitzenverdiener gestrichen, die ablösefrei gehen durften. Samuel Eto'o, Ashley Cole und Blues-Legende Frank Lampard erleichtern die Ausgabenseite um mehr als 20 Millionen Euro.

Lukakus Verkauf nachvollziehbar

Selbstverständlich ist Chelsea nicht von einem Tag auf den anderen enthaltsam geworden. Diego Costa, Cesc Fabregas und Filipe sind hochkarätige Zugänge, die die Reihe anderer Zukäufe der letzten Dekade nur logisch fortführen. Die 50 Millionen Euro Ablöse für David Luiz sind aber Vereinsrekord und für einen Spieler wie Romelo Lukaku fast 37 Millionen Euro vom FC Everton überwiesen zu bekommen, ist aus Chelsea-Sicht fast schon sensationell. Aber auch notwendig.

Lukakus Verkauf schlug hohe Wellen. So ziemlich jeder Experte sieht im Belgier einen kommenden Star, mit Entwicklungspotenzial in sportlicher und finanzieller Hinsicht. Für den FC Chelsea war Lukaku aber auch: Ein Talent ohne Nutzen für die Mannschaft. In zehn Ligaspielen stand der 21-Jährige für die Blues auf dem Platz, kein einziges davon über die kompletten 90 Minuten. Ein Tor hat er dabei nicht erzielt.

112 Spielminuten sind ein kümmerliches Häuflein Einsatzzeit. Einen Spieler mit diesen Leistungsdaten, der in den Planungen keine Rolle spielt, der nicht mit dem Trainer und der Trainer nicht mit ihm klarkommt und auf einen Wechsel drängt, dann für 37 Millionen Euro zu transferieren, nennt man wohl einen Big Deal.

Zumal die Blues nicht über eine so zahlreiche Anhängerschaft wie United, Arsenal oder Liverpool verfügen und die Erlöse aus dem Ticketing wegen der vergleichsweise kleinen Stamford Bridge auch nicht vergleichbar sind mit denen der Konkurrenz.

Vieles hängt an Costa

"Er ist ein junger Kerl, der gerne spricht. Nur wenn es um seine Leihe zum FC Everton ging, sagte er kein Wort", blaffte Mourinho bereits im Winter. Dass Lukaku bei seinen Leih-Stationen in WestBrom (17 Tore) und Everton (15) erfolgreicher war als der jeweils beste Chelsea-Torjäger, konnte Mourinho nicht umstimmen.

Ebenso wenig die Gewissheit, in Fernando Torres weiterhin eins der größten Missverständnisse der Klubgeschichte an Bord zu haben. Nur jede siebte Chance hat der Spanier in den letzten beiden Spielzeiten in einen Treffer umgemünzt, auch deshalb kommt mit Costa ein kühler Vollstrecker. So ist jedenfalls der Plan.

71 Tore hat Chelsea in der abgelaufenen Saison erzielt und damit 31 weniger als Meister ManCity. In jedem fünften Spiel erzielten die Blues kein eigenes Tor. Gegen tief stehende Gegner war es teilweise erschreckend, wie hilflos die Blues agierten. Dagegen hatte Chelsea gegen die Top-Klubs die besten Statistiken überhaupt.

Diego Costa hat für Atletico Madrid zuletzt 27 Treffer erzielt. Die Milchmädchenrechnung würde damit fast aufgehen. Aber: Der spanische Nationalspieler muss sofort und ohne größere Störungen funktionieren. Es soll Beobachter geben, die daran ihre Zweifel hegen. Und er sollte sich tunlichst nicht verletzen.

Matic, Cesc, Oscar bilden das Herzstück

Die Rückholaktion von Didier Drogba soll der Mannschaft sowohl sportlich, besonders aber emotional weiterhelfen. Der Transfer des Ivorers ist ein Stückchen Herzschmerz für die Fans. Das Herzstück der Mannschaft bildet ab sofort ein Trio, das zwar erst noch zusammenfinden muss - in optimaler Komposition aber unheimlich dominant sein kann.

Nemanja Matic, Fabregas und der Brasilianer Oscar werden als die entscheidenden Protagonisten in einem möglichen 4-3-3 gehandelt. Dazu steht mit Marco van Ginkel gewissermaßen noch ein Zugang bereit. Der Niederländer verletzte sich vor knapp einem Jahr nach einem verheißungsvollen Start schwer am Knie und ist nun wieder fit.

Der Einbruch in den letzten Spielen der abgelaufenen Saison, als die Blues als Spitzenreiter die durchaus mögliche Meisterschaft leichtfertig verspielten, gab Mourinho zu denken. In der entscheidenden Phase fehlten die Typen, die in der Offensive den Unterschied machen. Lampard war zu alt und alleine damit überfordert. Eden Hazard zu wankelmütig, Andre Schürrle, Willian oder Ramires nicht konstant in ihren Leistungen.

Chelseas Statistiken der Saison 2013/14 im Vergleich mit Meister Manchester City

Courtois oder Cech?

Wie immer scharte Mourinho zum Trainingsauftakt seinen kompletten Kader um sich, die Aussortierten, die Ausgeliehenen, die Nachwuchshoffnungen. Nach und nach schickt der Portugiese jetzt einen nach dem anderen weg. Vier davon in die Bundesliga. Thorgan Hazard (nach Mönchengladbach), Lucas Piazon (nach Frankfurt), Tomas Kalas (nach Köln) und zuletzt Oriol Romeu (nach Stuttgart) wurden verliehen.

Zurückgekommen ist unter anderem Thibaut Courtois, für die meisten Experten der zweitbeste Torhüter der Welt. Die ohnehin schon beste Defensive der Liga erfährt durch den Belgier nochmal einen Qualitätssprung - sofern er sich gegen Petr Cech durchsetzen kann.

Einige sehen darin ein gewisses Konfliktpotenzial, das entfernt an Mourinhos Zeit bei Real Madrid erinnert. Cech ist eine Ikone an der Bridge. Vielleicht nicht ganz so populär wie Iker Casillas bei den Königlichen, aber im Ansehen der Mitspieler und Fans ähnlich hoch eingestuft. Der Umgang mit Casillas hängt Mourinho heute noch nach. Ebenso die Tatsache, dass der Portugiese nun schon zwei Spielzeiten ohne Titelgewinn ist.

Auch Druck auf Mourinho

Allerdings war das zweite Jahr bei Inter Mailand und Real Madrid unter Mourinho immer das beste. "Jose knows best", sagen die Fans. Jose hat die Schwachstellen in seinem Team erkannt und hat in der Sommerpause entsprechend darauf reagiert. Aber er steht selbst auch unter einem enormen Druck.

"In England ist es anders als in der Bundesliga, wo man vor der Saison bereits weiß, wer Erster und Zweiter wird. In der Premier League kannst du Erster oder Sechster werden. Alles ist möglich", hat er am Sonntag gesagt.

Das Titelrennen in England verspricht in der Tat wieder deutlich spannender zu werden als in der Bundesliga. Prognosen sind wie immer schwierig. Aber eines scheint klar: Der FC Chelsea ist stärker als in der vergangenen Saison.

Das ist der FC Chelsea

Artikel und Videos zum Thema