Das Fahren im Linksverkehr hat ihm Per Mertesacker beigebracht, das Einstands-Singen auf Türkisch war trotz schiefer Tonlage "eine super Erfahrung", und in die Stadt London hat er sich "mittlerweile verliebt": Mesut Özil fühlt sich pudelwohl beim FC Arsenal. Denn nicht nur privat, sondern auch fußballerisch hat der 24-Jährige in England sofort Fuß gefasst. Und bei Real Madrid müssen sie sich schon nach wenigen Wochen den "dümmsten Verkauf des Sommers" ("Telegraph") vorwerfen lassen.
Warum die Königlichen den Deutschen vom Hof gejagt haben, hat in und abseits Madrids nicht jeder verstanden. Nun, nach den ersten Spielen Özils für Arsenal, versteht es endgültig niemand mehr.
Sami Khedira, bis Sommer drei Jahre Özils Mitspieler bei Real, muss sich regelrecht auf die Zunge beißen, wenn er den Wechsel bewerten soll. "Wenn man die Qualität eines Mesut Özil abgibt, schadet das jeder Mannschaft", sagt er dennoch recht eindeutig. Und fügt schnell an: "Ich bin aber auch nur Angestellter des Vereins. Es ist so passiert, Mesut scheint glücklich zu sein, das ist das Wichtigste."
Özil fühlt sich beim DFB wohl
Sichtlich wohl fühlt sich der Spielmacher auch im Kreise der Nationalmannschaft. Absagen wegen kleiner Zipperlein gab es von ihm auch bei den scheinbar undankbarsten Freundschaftsspielen nicht. Mesut Özil kommt immer gerne. Und er ist als einer von wenigen Spielern ohne Wenn und Aber gesetzt bei Bundestrainer Joachim Löw.
Daran könnte selbst ein fitter Mario Götze nichts ändern. Und so absolviert der gebürtige Gelsenkirchener Özil am Freitag gegen Irland mit nur 24 Jahren sein 50. Länderspiel. Özil dankt dafür artig dem Bundestrainer, der "mir immer das Vertrauen schenkt".
Dass dies nicht selbstverständlich ist, weiß der frühere Schalker und Bremer seit Sommer. Reals neuer Trainer Carlo Ancelotti beteuerte zu Saisonbeginn ebenfalls, ihm das Vertrauen zu schenken - nur, um es ihm kurz darauf wieder zu entziehen. Deshalb betont Özil, dass Arsene Wenger auch deshalb "so ein super Trainer" sei, "weil er genau weiß, was er will".
Dreh- und Angelpunkt bei den Gunners
Der Elsässer dürfte sich ins Fäustchen gelacht haben, als ihm die Madrilenen kurz vor Ende der Transferfrist Özil auf dem Silbertablett serviert haben. Auch wenn die Londoner 50 Millionen Euro berappen mussten, hat sich der Kauf gelohnt. Denn der Deutsche war auch in den Augen Löws "genau der Spieler, den Arsenal noch gebraucht hat".
Nach einem ersten Besuch auf der Insel berichtete Löw beeindruckt vom Hype um einen seiner Lieblings-Schüler. "Man spürt, dass die Zuschauer ihn sofort unheimlich angenommen haben. Und im Spiel Arsenals ist er der Dreh- und Angelpunkt", sagte der Bundestrainer, der den Wechsel als für die Nationalmannschaft positiv betrachtet: "Ich habe von Anfang an gesagt, dass die Art und Weise, wie Arsenal spielt, Mesut entgegenkommt. Er ist dort noch mehr drin im Spiel und mehr am Ball als in Madrid."
Die Fans und die Medien überschlagen sich derweil fast mit Lobeshymnen. Für die "Sun" ist er "der Zauberer von Özil", für den "Guardian" "der perfekte Kauf", für den "Daily Express" "einfach wunderbar" und "der König der Vorlagen".
Der "Independent" ist sich nach fünf Wochen sogar schon sicher: "Özil hat auf Arsenal einen Einfluss wie Eric Cantona vor 21 Jahren auf Manchester United. Wenn Özil Arsenal irgendwann verlassen haben wird, wird er sicher denselben Status haben wie die besten Ausländer der Klubgeschichte, wie Thierry Henry, Patrick Vieira und Dennis Bergkamp."
Ob Özil diesen Status auch in Madrid hat, wird man erst im Rückblick in einigen Jahren wissen. Klar ist: Schon heute trauern ihm bei Real viele nach.
Mesut Özil im Steckbrief