Es mutet wundersam an, was Roy Hodgson in nur zweieinhalb Jahren als Trainer des FC Fulham bewegt hat. So wundersam, dass man ihm magische Fähigkeiten attestierte.
Als er im Dezember 2007 beim kleinen Westlondoner Klub anheuerte, schien dieser dem Abstieg aus der Premier League geweiht. Doch Hodgson gelang die Mission Klassenerhalt mit einem Sieg am letzten Spieltag.
Die Saison darauf wurde mit Platz sieben die erfolgreichste in der Geschichte des Klubs und zuletzt führte Hodgson Fulham sensationell bis ins Finale der Europa League.
Aus dem Nichts war Hodgson für viele gekommen, nachdem er von zwei kurzen Intermezzi abgesehen, über Jahrzehnte fern der englischen Heimat gearbeitet hatte.
Klub mit Schlagseite
Und jetzt mit 62 und im 35. Karrierejahr steht er vor der größten Herausforderung seiner Karriere. Als Nachfolger von Rafael Benitez soll Hodgson dem FC Liverpool nach der schlechtesten Saison seit 2003 wieder auf die Sprünge helfen.
Doch es ist kein Neuanfang, den Hodgson bewerkstelligen soll. Er kommt nicht in ein Klima, das von Aufbruchstimmung und freudiger Erwartung geprägt ist.Hodgson übernimmt einen Klub, der deutlich Schlagseite und 237 Millionen Pfund Schulden hat. Nicht genug damit, ist die Zukunft der Reds vollkommen ungewiss: Die beiden US-amerikanischen Besitzer Tom Hicks und George Gillett haben den Klub zum Verkauf angeboten.
Sparen heißt die Losung, sollte kein Käufer auf den Plan treten, der sich nicht von den aufgerufenen 800 Millionen Pfund abschrecken lässt, und für einen Finanz- und Politikumschwung sorgt.
Frostiger Empfang der Basis
Die Basis hat sich schon lange von den Klubbesitzern losgesagt, denen sie eine Politik der Lügen und der falschen Versprechungen vorwirft. Die Fangruppierungen organisieren lautstarken Protest und arbeiten an Modellen, um die Übernahme von Klubanteile zu bewerkstelligen.
In diesem rauen Klima schlägt dem neuen Trainer schon vor seinem offiziellen Amtsantritt ein eisiger Wind entgegen.
Hodgson sei zur falschen Zeit am falschen Ort, heißt es etwa auf dem Fanportal "anfieldroad.com" und seine Verpflichtung ein Zeichen dafür, dass man seitens der Klubführung auf Mittelmaß setze.
Andere Anhänger sehen in Hodgson durchaus einen fähigen Mann, lehnen aber jegliche Entscheidung unter den gegenwärtigen Strukturen aus Prinzip kategorisch ab.
Andere sagen, Hodgson habe nicht die entsprechenden Referenzen, um Trainer bei einem der ruhmreichsten Klubs der Welt zu sein.
Gut, er sei bei Inter Mailand gewesen und mit der Schweiz im WM-Achtelfinale 1994, doch die meiste Zeit habe er eben in Schweden und vor seinem Engagement in Fulham in den Vereinigten Arabischen Emiraten, bei Viking Stavanger und in Finnland verbracht.
Top 4 in weiter Ferne
Hodgons Auftrag besteht in erster Linie darin, aus einer Mannschaft, die vor 14 Monaten beinahe Meister geworden wäre und in der zurückliegenden nur durch Portsmouths Insolvenz in die Europa League gerutscht ist, eine zu machen, die wieder unter die ersten Vier kommt.
Ein Unterfangen, dass schwieriger denn je werden dürfte, da Chelsea und Manchester United den Reds um Lichtjahre voraus scheinen und auch Arsenal, Manchester City und Tottenham Hotspur nur schwer zu verdrängen sein werden.
Jagd auf Gerrard, Torres und Co.
Zudem muss sich Hodgson darauf gefasst machen, dass er sich gleich nach seinem Amtsantritt, spätestens aber nach dem Ende der WM, im Mittelpunkt einer gnadenlosen Treibjagd auf seine besten Spieler wiederfinden wird.
Im Kampf um die Granden Steven Gerrard, Fernando Torres und Javier Mascherano steht er zahlungskräftiger Konkurrenz aus Italien, Spanien und der eigenen Nachbarschaft mit wenig finanziellen Mitteln und ohne das Faustpfand Champions League gegenüber.
Ruhiger Mann in rauer See
Was nach einem Himmelfahrtskommando klingt, muss aber keines werden. Für den Schlamassel, in dem der FC Liverpool steckt, kann Hodgson nichts. Für finanzielle Engpässe und ein geringes Transferbudget auch nicht. Und um sich wegen des Gegenwinds von Seiten der Basis verrückt zu machen, ist er zu erfahren, zu gesetzt und zu intelligent.
Hodgson ist nicht der Startrainer, den sich die Fans der Reds vielleicht gewünscht haben, aber in einem chaotischen Umfeld mit seiner ruhigen Art womöglich genau der richtige Mann.
Enervierende Akribie
Er hat in Fulham bewiesen, dass er einer Mannschaft eine klare Handschrift geben kann. Tausendfaches Erproben jeder erdenklichen Spielsituation im Training, ist sein bevorzugtes Lehrmittel. Die perfekte Ordnung und Organisation sind das Ziel.
"Wir machen die gleichen Sachen in jeder Session und das wird schon mal langweilig, aber wir wissen, dass es funktioniert und deshalb tun wir es gern", erzählt Fulhams Zoltan Gera von der Zeit unter Hodgson. "Ich will's mal so sagen: Wenn ich mitten in der Nacht aufwache, dann weiß ich sofort, was ich auf dem Spielfeld zu tun habe. Ich weiß jede Kleinigkeit über unser Spiel."
Auch Simon Davies hatte mit Hodgons enervierender Akribie zu kämpfen: "Manchmal lachen wir darüber, aber als er kam, waren wir im Abstiegskampf und zuletzt spielten wir Europa League, also machst du es. Wenn du für ihn spielst, dann legst du den Schalter um, bringst Leistung und machst deinen Job im System."
Üben bis zum Erbrechen
Hodgson selbst gibt nicht viel auf den Hype, der um das Fulham-Märchen gemacht wurde. "Das macht den Leuten natürlich Spaß, zu glauben, dass manche Trainer mit magischen Kräften geboren werden und Böses in Gutes verwandeln können, aber ich glaube nicht daran."
Für ihn ist Erfolg das Ergebnis knochenharter Arbeit und jeder Menge Fleiß, die er selbst tagtäglich in Trainingsanzug und Fußballstiefeln an den Tag legt. Und üben. Immer wieder üben. Bis zum Erbrechen. Hodgson kann auch Lahme wieder gehen machen und fast ohne Geld eine tolle Mannschaft bauen. Aber mit Magie hat das alles überhaupt nichts zu tun.