Die Chaos-Tage im spanischen Fußball gehen nach dem Kuss-Skandal um Verbandsboss Luis Rubiales weiter und haben eine veritable Führungskrise ausgelöst. Der 46 Jahre alte RFEF-Präsident wurde am Samstag vom Weltverband FIFA ab sofort für 90 Tage vorläufig gesperrt.
Ihm wurde zudem ein Kontaktverbot zur Weltmeisterin Jennifer Hermoso, die er bei der Siegerehrung nach dem WM-Triumph von Furia Roja übergriffig auf den Mund geküsst und damit einen weltweiten Sturm der Entrüstung ausgelöst hatte, auferlegt. Laut spanischen Medienberichten vom Sonntag tritt am Montag das Sportverwaltungsgericht TAD in Spanien zusammen und könnte sogar eine längere Sperre für Rubiales beschließen.
Die spanischen Weltmeisterinnen sind aus Protest gegen den Verbandschef, der seinen Rücktritt bislang verweigert, in den Streik getreten. Die deutschen Fußballerinnen unterstützen ihre spanischen Profikolleginnen. "Team Deutschland ist bei Euch", wurde als Botschaft über den offiziellen Instagram-Kanal der DFB-Frauen geteilt: "@jennihermoso & Team, Ihr habt unseren vollen Support!"
Spanien, Rubiales: Wichtige Zeichen aus der Bundesliga
Und selbst in den Bundesliga-Stadien war der spanische Eklat ein Thema. So waren in Freiburg Transparente mit deutlicher Botschaft an Rubiales und den langjährigen Bayern-München-Boss Karl-Heinz Rummenigge ("Faust statt Kuss für Rubiales und Rummenigge - Sorry, mit Verlaub - Absolut okay") zu sehen. Rummenigge hatte die Aktion von Rubiales in einem Statement Anfang der Woche verharmlost.
Für Ex-Nationalspieler und Sky-Experte Dietmar Hamann ("Rubiales hat im Fußball nichts zu suchen") ein "No-Go": "Wenn ich diese Statements höre, kann ich nur mit dem Kopf schütteln." Selbst die Unterstützerfront im spanischen Fußball bröckelt immer weiter.
Selbst die spanischen Nationaltrainer Luis de la Fuente (Männer) und der ebenfalls umstrittene Frauen-Weltmeister-Coach Jorge Vilda sind auf Distanz zu Rubiales gegangen. "Ich bedauere zutiefst, dass der Erfolg des spanischen Frauenfußballs durch das unangemessene Verhalten unseres Präsidenten Luis Rubiales, das er selbst zugegeben hat, beeinträchtigt wurde", hieß es in Vildas Mitteilung. Zuvor hatte der Großteil von Vildas Trainerstab seinen Rücktritt eingereicht.
"Ich verurteilte das falsche und unangemessene Verhalten des Präsidenten des Verbandes", betonte de la Fuente. Beide Trainer hatten bei der außerordentlichen Generalversammlung des Verbandes am Freitag allerdings noch während Rubiales' Wutrede applaudiert.
Rubiales hatte bei dem Meeting jegliche Schuld von sich gewiesen. Er sprach von einem "einvernehmlichen Kuss" und nannte die Aufregung "idiotisch".
Spanien, Rubiales: Jennifer Hermoso als "Opfer eines Übergriffs"
Hermoso hatte in einer ausführlichen Erklärung eindringlich geschildert, dass sie sich beim Kuss des Verbandspräsidenten auf ihren Mund "verletzlich und als Opfer eines Übergriffs gefühlt" habe, "eines impulsiven, machohaften Aktes, der unangebracht war und dem ich nicht zugestimmt habe", schrieb Hermoso bei Instagram: "Ich wurde einfach nicht respektiert."
Hermoso bezichtigte auch Rubiales, die Unwahrheit erzählt zu haben. "Die Worte von Luis Rubiales, mit denen er den unglücklichen Vorfall erklärt, sind kategorisch falsch und Teil der manipulativen Kultur, die er selbst geschaffen hat", betonte Hermoso.
Empörung brachte die deutsche Vize-Kapitänin Svenja Huth aufgrund von verharmlosenden Aussagen von Fußball-Größen zum Ausdruck: "Solch ein Verhalten ist nicht akzeptabel, und noch weit untragbarer ist, es auch noch herunterzuspielen und die Spielerin unter Druck zu setzen. Niemand, absolut niemand sollte dies als Kleinigkeit abtun." Den Namen Rummenigge nannte sie allerdings nicht...
Rubiales' Pattex-Haltung hatte einen Streik der spanischen Weltmeisterinnen zur Folge. "Nach allem, was bei der Medaillenvergabe der Frauen-WM passiert ist, werden alle Spielerinnen, die diesen Text unterzeichnet haben, eine nächste Einberufung nicht ehren, wenn die derzeitige Führung beibehalten wird", schrieben die Weltmeisterinnen in einer Erklärung, die von der Gewerkschaft Futpro verbreitet wurde. Insgesamt unterzeichneten 81 aktuelle und ehemalige spanische Spielerinnen das Schreiben.