Der heutige Trainer von Manchester United, Erik ten Hag, hat einen großen Anteil daran. Er war damals Trainer der zweiten Mannschaft der Bayern.
Görtler: Er hat mich angerufen und zum Probetraining eingeladen, ich habe aber abgelehnt.
Warum das denn bitte?
Görtler: Mein Bruder hatte Jahre zuvor mal ein Probetraining bei den Bayern gehabt, da sah es die ganze Zeit so aus, als ob sie ihn nehmen würden. Aber dann bekam er doch eine Absage. Das war in meinem Kopf. Und außerdem habe ich den Sinn ehrlicherweise nicht gesehen, nochmal ein Probetraining zu machen. Ich hatte in den vergangenen zwei Jahren ja viermal gegen Bayern gespielt, viermal gegen Erik ten Hag. Das letzte Spiel in München, bei dem ich ein Tor und ein Assist gemacht hatte, war nur wenige Wochen her. Was soll ich da jetzt in einem Probetraining noch besser machen? Entweder will er mich oder er will mich nicht.
Das hätte sich aber nicht jeder getraut.
Görtler: Das war sicher mutig von mir. Ich hatte auch ein bisschen Angst dabei, etwas zu verlieren, aber im Nachhinein hat es ihm gefallen, dass ich so selbstbewusst aufgetreten bin. Er bat mich, trotzdem nach München zu kommen. Nicht zum Probetraining, aber um mich als Mensch besser kennenlernen zu können. Das habe ich gemacht und nach einem sehr guten Gespräch hat er sofort gesagt, dass er mich unbedingt haben will.
Erik ten Hag holte Sie später auch von Kaiserslautern nach Utrecht, zog aber sehr schnell zu Ajax weiter. Dennoch kennen Sie ihn sehr gut. Was macht ihn aus?
Görtler: Erik ten Hag ist für mich einer der besten Trainer der Welt, definitiv der Beste, den ich je erlebt habe. Er hat einen Plan, einen sehr konkreten Plan, den er seiner Mannschaft perfekt vermittelt. Er ist sehr akribisch und perfektionistisch, da ähnelt er auch Pep Guardiola, und taktisch einfach für mich unerreicht. Er kann dir zu jeder Zeit genau erklären, wie du dich in welchen Situationen verhalten musst, wo du hin laufen musst, welchen Raum du besetzen musst. Seine Analysen sind bestechend gut. Und er bringt dir ein unglaubliches Maß an Vertrauen und Wertschätzung gegenüber. Es war schade, dass ich ihn in Utrecht nicht so lange als Coach hatte, ich hätte liebend gerne mal länger unter ihm gespielt.
Dann müssen Sie eben zu United wechseln.
Görtler: (lacht) Kein Scherz, ich habe ihm erst vor Kurzem geschrieben, als das Transferfenster noch offen war. Nach dem Motto: "Ich habe gehört, Pogba geht vielleicht weg, melde dich, wenn du einen Achter brauchst, ich stehe parat." Er hat scherzhaft geantwortet, dass er ein paar Scouts schickt. Als er United-Trainer wurde, habe ich ihm gratuliert und geschrieben, dass ich stolz bin, zweimal unter ihm trainiert zu haben. Ich habe meiner Frau noch gesagt, dass ich gespannt bin, ob er sich meldet, er hat so viel Stress bei United und so wichtig bin ich ja nun wirklich nicht. Aber es dauerte nur 20 Minuten, da hatte ich eine lange Nachricht auf dem Handy, in der er mich gefragt hat, wie meine Hochzeit war und dass er hofft, weiterhin in Kontakt zu bleiben, weil ich für ihn ein besonderer Mensch bin. Die Geschichte sagt viel über ihn aus. Er ist ein außergewöhnlicher Mensch für mich.
Sie haben aber auch in St. Gallen einen herausragenden Coach in Peter Zeidler. Wie würden Sie ihn beschreiben?
Görtler: Er ist weniger der Typ ten Hag, der alle Einzelszenen im Spiel seziert und alles auseinander nimmt. Für ihn geht es mehr um die grundlegende Einsatzbereitschaft, um das ganz hohe Gegenpressing - ich habe nie unter Jürgen Klopp gespielt, aber es geht mehr in diese Richtung Fußball. Wir stehen immer hoch, wir geben immer Gas, wir greifen immer an. Wenn man sehen will, was Peter Zeidler für eine herausragende Qualität hat, muss man sich nur unsere Spiele anschauen. Seit er in St. Gallen ist, spielen wir jedes Jahr den attraktivsten und coolsten Fußball. Und das mit einer Mannschaft, die vom Budget eher weiter unten angesiedelt ist.
Görtler: Guardiola? "Wäre am liebsten im Boden versunken"
Spiele vom FC St. Gallen sind tatsächlich immer Entertainment pur.
Görtler: Er ist ein Trainer, der mit seiner Idee vom Fußball die Fans begeistert und die Stadien füllt. Das macht er perfekt. Man sieht es auch wieder in dieser Saison, wir haben zehn Spiele gemacht, ohne einziges Unentschieden. Entweder dominieren und gewinnen wir, oder es geht mal schief, aber es ist auf jeden Fall ein Spektakel. Er hat seinen Plan, seinen Stil, davon rückt er auch nicht ab, wenn wir mal ein paar Spiele verlieren. Wir haben Plan A und Plan A. Er besitzt die totale Überzeugung, das ist eine große Stärke.
Wir müssen auch über Ihre Erfahrungen mit Pep Guardiola als junger Spieler sprechen. 2015 machten Sie unter ihm gegen Leverkusen Ihr bislang einziges Bundesligaspiel. Was ist Ihre Lieblingsstory mit Pep?
Görtler: Da habe ich zwei. Generell war es so, dass ich eigentlich gar nicht der erste Kandidat war aus der zweiten Mannschaft, der bei den Profis mittrainieren sollte. Da waren andere vor mir. Aber als einer verletzt ausfiel oder ein anderer meinte, das wäre ihm zu viel Stress und Druck, bei den Profis mitzutrainieren, kam meine Chance. Hermann Gerland mochte mich, weil ich zwar nicht der talentierteste war, aber immer richtig Gas gegeben habe. So durfte ich dann hoch. Anfangs durfte ich einmal in der Woche bei den Profis dabei sein. Irgendwann habe ich angefangen, nach jedem Training zu Pep zu gehen und zu sagen: "Pep, darf ich morgen wiederkommen?" (lacht) Ich habe ihn nach jedem einzelnen Training genervt. Das hat ihm offenbar gut gefallen. Manchmal meinte er, dass er noch gar nicht weiß, was sie morgen machen würden, aber ich dürfe gerne kommen. Am Ende war ich drei, vier Monate lang jeden Tag beim Training dabei.
Und die zweite Geschichte?
Görtler: Die war schlimm. Es war relativ am Anfang meiner Zeit bei den Profis. Ganz am Ende der Einheit gab es eine simple Abschlussübung. Wir sollten vom Mittelkreis Diagonalbälle auf die rechte Seite nach außen schlagen, so wie du es in deinem Leben schon tausend Mal gemacht hast. Eigentlich echt keine große Sache, Flanke, Abschluss im Sechzehner, fertig. Oh Gott, ich weiß es noch genau. Es waren Ferien und deshalb auch viele Fans beim Training. 3000? 5000? Auf jeden Fall eine Menge. Ich spiele also den ersten Ball ... er kommt nicht an. Normalerweise kommt dann einfach der Nächste an die Reihe, aber Pep wollte, dass ich es nochmal probieren sollte. Ich war unfassbar nervös. Und auch der zweite Ball landete irgendwo, aber nicht da, wo er hin sollte. Pep hat aber nicht locker gelassen und mich das immer weitermachen lassen, ein drittes, viertes, fünftes, sechstes Mal. Es war furchtbar. Ich wäre am liebsten im Boden versunken. Ich habe keinen Fuß mehr vor den anderen gesetzt bekommen.
Das war ja auch alles neu für Sie.
Görtler: Ich war kurz davor noch in Bamberg und jetzt stand ich da mit den Weltstars und dem Welttrainer auf dem Rasen. Nach dem Training hat mich Pep zur Seite genommen und erklärt, dass er mich nicht bloßstellen wollte. Er wollte mich auf die Drucksituation vorbereiten, die ich auch im Spiel bewältigen muss. Er wollte, dass ich lerne, in solchen Momenten ruhig zu bleiben. Er hat gesehen, wie nahe es mir ging und sich extrem um mich gekümmert, im Nachhinein war das toll.