Gaul gilt als großes Trainertalent und gehört zum Stall von Klopp-Berater Marc Kosicke. Im Interview mit SPOX und GOAL spricht Gaul über seinen Karriereweg.
Außerdem verrät Gaul, warum ein Abend mit NBA-Coaching-Legende Phil Jackson ein Traum wäre und wie er in Polen den Krieg in der Ukraine erlebt.
Herr Gaul, Sie sind in Bytow in Polen geboren, aber früh nach Deutschland gezogen. Wann ist der Fußball in Ihr Leben gekommen?
Bartosch Gaul: Das war schon ganz früh quasi unvermeidlich. Als ich 2 Jahre alt war, sind meine Eltern mit mir von Polen ins Ruhrgebiet gezogen, genauer gesagt nach Gladbeck. Die Verbindung nach Polen ist aber nie abgerissen. Die Familie meiner Mutter ist in Polen geblieben, sodass wir immer in den Sommerferien auf Besuch waren. Wenn du im Ruhrgebiet aufwächst, gibt es im Prinzip nur zwei Möglichkeiten. Entweder schwarz-gelb oder blau-weiß. Und bei mir ist es blau-weiß geworden. (lacht) Die Eurofighter mit Marc Wilmots und Co. waren die großen Idole und Helden der Jugend. Ich habe auch selbst leidenschaftlich Fußball gespielt, ich war aber nie der talentierteste. Gekoppelt mit einigen Verletzungen, gerade an der Leiste, führte das dazu, dass mir früh klar wurde, dass es mit der großen Karriere als Spieler leider nichts werden wird.
Dafür sind Sie sehr früh in die Trainerschiene gerutscht.
Gaul: Ich habe schon als Jugendlicher mit 14 oder 15 Jahren in meinem Heimatverein als eine Art Co-Trainer meine ersten Erfahrungen im Trainerbereich gemacht. Ich habe den Trainerberuf wirklich von der Pike auf erlernt. Ich habe sehr früh gemerkt, wie mich die Arbeit mit jungen Menschen fasziniert. Als ich 21 war, bin ich Co-Trainer in der U17 von Schalke geworden, einige Jahre später wurde ich Assistent von Norbert Elgert in der U19. Eine ganz prägende Zeit für mich.
So viele schwärmen von Elgert. Wie würden Sie versuchen, zu beschreiben, was diesen Mann so besonders macht?
Gaul: Wenn man über Norbert Elgert spricht, muss man abgesehen von seiner fachlichen Kompetenz immer zuerst über das Menschliche sprechen. Er hat zu mir gesagt: Wir betreuen hier keine Maschinen. Wir betreuen keine Fußballer. Wir betreuen junge Menschen und wollen ihnen in ihrer Entwicklung helfen. Die Art und Weise, wie er mit den Jungs umgegangen ist, war sehr faszinierend. Und die zweite Facette war, dass man ja meinen könnte, dass du irgendwann mal dazu neigst, dich vielleicht etwas zurückzulehnen, wenn du so viel Erfahrung hast wie er. Aber von wegen: Er hat immer betont, dass der Schlüssel zum Erfolg bei dir selbst liegt. Du musst als Trainer permanent an dir selbst arbeiten und dich selbst weiterentwickeln. Wenn ich vermitteln will, was ich fühle und denke, muss ich mich erstmal selbst in den entsprechenden Modus bringen. Er hat ein unglaubliches Paket aus absolutem Wissen, Erfahrung und der menschlichen Ebene. Was ich bei ihm gelernt habe, hätte ich in keinem Lehrbuch lernen können.
Wenn Sie davon sprechen, an sich selbst zu arbeiten als Coach, wie machen Sie das?
Gaul: Es ist schon mal ganz entscheidend, dass ich innerhalb meines Staffs eine Atmosphäre schaffe, dass Feedback und Kritik ausdrücklich erwünscht sind. Ich will als Trainer nicht spüren, dass mein Team denkt, der Chef will bloß nicht belehrt werden und weiß eh alles. Ich versuche, mir immer wieder Feedback und Meinungen einzuholen. Auch von den Führungsspielern zum Beispiel. Viele haben etwas Angst vor dieser Offenheit, aber für mich ist sie essentiell. Sie ist mehr Stärke als Schwäche. Ich reflektiere mich viel, ich mache mir viele Notizen, wenn mir Dinge auffallen. Dazu kommt, dass ich mich ab und zu auch extern coachen und sozusagen überprüfen lasse, um Input von Menschen zu bekommen, die nichts mit Fußball zu tun haben. Und als letzten Punkt versuche ich auch, mich um meine eigenen Ressourcen zu kümmern. Wir sind als Trainer zweifellos einem hohen Stresslevel ausgesetzt, umso wichtiger ist es, sich seine Oasen der geistigen Erholung zu schaffen. Oft heißt es dann, dass man dafür keine Zeit mehr hat, aber diese Zeit muss man sich nehmen. Ich stehe dafür dann auch mal früher auf, das muss es einem auch wert sein.
Bartosch Gaul: "Der Schlüssel ist das Thema Führung"
Wie ist Elgert konkret mit den Nachwuchsspielern umgegangen?
Gaul: Er hat es immer als "situativen Führungsstil" beschrieben. Jeder Spieler muss individuell betrachtet werden. Es gibt Jungs, die eine sehr klare Ansage brauchen. Für andere wiederum wäre das nicht der beste Ansatz. Es gibt sensible Typen, die du anders anpacken und mehr mitnehmen musst. Es geht darum, den Menschen mit all seinen Stärken zu sehen, sowohl im fußballerischen als auch im persönlichen Bereich. Dafür brauchst du aber ein hohes Maß an Empathie und Feinfühligkeit.
Sind Empathie und Feinfühligkeit heutzutage für Trainer wichtiger als fachliche Qualitäten?
Gaul: Ich glaube zumindest, dass diese Qualitäten ganz entscheidend sind. Die Trainerausbildung ist in Deutschland auf so einem hohen Niveau, dass es fachlich keine schlechten Trainer in dem Sinne gibt. Diese Kompetenz bringen alle mit. Der Schlüssel ist das Thema Führung, in all seinen Ausprägungen. Bin ich mit mir selbst im Reinen? Welche Führungsprinzipien habe ich? In einer U23-Mannschaft musst du "nur" die Mannschaft und ein Funktionsteam führen, als Cheftrainer im Profibereich geht es fast in eine Art CEO-Rolle, da kommt das ganze Umfeld des Vereins noch dazu, das du nicht ausblenden kannst. Da spielt der Umgang miteinander eine riesige Rolle. Und ehrlich gesagt ist genau das der Grund, warum ich diesen Job als Cheftrainer so gerne mache. Mich reizt es, mit Menschen zu arbeiten und gemeinsam etwas zu bewegen.
Was ist denn aus Ihrer Sicht der Schlüssel für eine gute Teamchemie? Jede Mannschaft der Welt beschwört den Teamgeist, trotzdem klappt es unterschiedlich gut.
Gaul: Es geht damit los, dass du schon in der Kaderzusammenstellung Fehler vermeiden solltest. Das funktioniert natürlich nicht immer. Aber in einem intakten Verein gibt es eine klare gemeinsame Vision, einen klaren gemeinsamen Weg. Vorstand, Sportdirektor, Trainer, Scoutingabteilung - hier darf nichts auseinander gehen. Nur so schaffst du es, bei einer klaren Linie dann einen Kader charakterlich gut zusammenzustellen. Die Summe von individuell sehr guten Fußballern ergibt noch lange keine gute Mannschaft, das gilt für untere Ligen genauso wie im absoluten Spitzenbereich. Für die Kultur einer Mannschaft ist es aber ganz entscheidend, dass du schon im Vorfeld darauf achtest, wie du einen Kader baust.
Was ist noch wichtig, um eine Kultur zu schaffen?
Gaul: Für mich sind zum Beispiel Rituale sehr wichtig. Ich versuche, vor jeder Saison eine Story zu kreieren, die uns alle als Mannschaft verbindet. Dafür muss ich ins Team hineinhören: Was ist euch wichtig? Wie können wir eine Identifikation schaffen? Ich lasse dann auch mal handschriftlich die Spieler etwas aufschreiben, aus dem sich in der Folge ein Slogan entwickelt, den wir ritualisiert durch die Saison ziehen. Der auch als Poster in der Kabine hängt und den wir jeden Tag sehen. Aktuell haben wir etwas gefunden, was nicht nur zu unserer Spielweise auf dem Feld passt, sondern was auch für die Werte, für die Lebensweise und für die DNA der Region, in der wir uns befinden, stehen soll. So entsteht ein Gemeinschaftsgefühl, das so stark ist, dass es dich im besten Falle durch die ganze Saison trägt.