Tausende Fans stürmten auf den Rasen, sie trampelten Werbebanden nieder, griffen sich die Eckfahnen, umarmten Spieler und Trainer und einige von ihnen zogen schon an den Tornetzen. Sie wollten ein Erinnerungsstück an die erste Meisterschaft von Trabzonspor seit 38 Jahren. Blöd nur: Das Spiel gegen Antalyaspor war noch gar nicht vorbei.
In der Annahme, dass die Süper-Lig-Partie beim Stand von 2:2 abgepfiffen wurde, pilgerten Anhänger des Gastgebers drei Minuten vor Ende der angezeigten Nachspielzeit auf den Platz. Der Stadionsprecher versuchte erst gar nicht diplomatisch darauf hinzuweisen, dass das Spiel noch läuft, sondern brüllte die stürmenden Trabzon-Fans regelrecht an, dass sie gefälligst zurück auf ihre Plätze sollen.
Minutenlang schien die Lage völlig außer Kontrolle, bis es den Sicherheitskräften tatsächlich gelang, den Platz wieder freizubekommen. Man sah, wie vereinzelte Fans die Eckfahnen, die sie vorher ergriffen hatten, wieder zurückbringen.
Antalyaspor-Präsident: "Unsere Spieler wurden geschlagen"
Dass aber unter diesen Umständen weitergespielt werden sollte, konnten die Gäste aus Antalya aber nicht verstehen. Trainer Nuri Sahin sprach wutentbrannt auf den Schiedsrichter Atilla Karaoglan ein und konnte kaum beruhigt werden. Seine Mannschaft war am Drücker, den Siegtreffer zu erzielen. Der Offensivdrang war durch den Platzsturm unterbrochen. Ein Sieg Antalyas hätte dafür gesorgt, dass Trabzon die Meisterschaft vertagen müsste.
"Einige der stürmenden Fans haben unsere Spieler Floranus und Boffin geschlagen. Wir haben die Mannschaft nicht vom Platz genommen, weil wir im türkischen Fußball kein Chaos anstiften wollten. Wir werden aber gespannt warten, wie die Strafe aussehen wird", schimpfte Antalyaspor-Präsident Aziz Cetin.
Mit dem tatsächlichen Schlusspfiff ein paar Minuten später stürmte dann fast das ganze Stadion aufs Feld. Spieler und Trainer waren schon nach Sekunden nicht mehr zu sehen. Während sich die meisten Profis in die Katakomben retten konnten, blieb Trabzonspor-Mittelfeldspieler und Fan-Liebling Marek Hamsik auf dem Platz.
Trabzonspor: Marek Hamsik feiert mit den Fans
Er feierte mit den Fans den Titel, bis auch er dann Minuten später den Weg in die Kabine fand. Fast zwei Stunden nach Abpfiff war die Lage einigermaßen unter Kontrolle, damit die Spieler zurück auf den Platz kehren konnten, um die Meisterschaft zu feiern.
Tausende Fans pilgerten schon die Tage zuvor in die Stadt am Schwarzen Meer. Aus Istanbul und Ankara waren am Freitag und Samstag sämtliche Flüge ausgebucht. Auch aus Europa kamen unzählige Anhänger, um Teil der bevorstehenden Meisterschaft zu werden. Mehrere Zehntausende versammelten sich im Stadtzentrum sowie im alten Avni-Aker-Stadion, um das Spiel zu verfolgen.
Nachdem der Titel perfekt gemacht wurde, meldeten türkischen Medien Feierlichkeiten im ganzen Land. Auch im Ausland kam es zu größeren spontanen Feiern. In der österreichischen Hauptstadt Wien okkupierten Trabzon-Fans den Stephansplatz, auch aus Berlin und anderen europäischen Großstädten gab es ähnliche Bilder.
Die Menschen aus der Schwarzmeer-Region um Trabzon sind in Europa weit verbreitet. Im Ausland und im Rest der Türkei leben mehr Trabzoner als in der Stadt mit rund 900.000 Einwohnern und im Umland selbst.
Trabzonspor, das erst 1967 gegründet wurde, ist für viele Türken ein bedeutender Verein, jedoch nicht nur für die aus der Schwarzmeer-Region. Viele Fußballfans sehen den Klub als Auflehnung gegen die Istanbuler Topvereine und daher vereint der Klub auch viele Anhänger aus dem gesamten Land. Für sie herrscht nun der absolute Ausnahmezustand.