Donis Avdijaj: Der Fußball-Vagabund startet in Schottland neu – mit Kosovos EM-Traum im Hinterkopf

Von Robin Haack
Donis Avdijaj spielt mittlerweile bei den Hearts of Midlothian in Schottland.
© imago images

Nach einem halben Jahr bei Trabzonspor will Donis Avdijaj die Hearts of Midlothian vor dem Abstieg aus der schottischen Premiership retten - und im Sommer mit dem Kosovo Geschichte schreiben.

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Komplett in kastanienbraune Vereinskleidung eingehüllt betrat Donis Avdijaj mit einem breiten Grinsen am vergangenen Dienstag erstmals den Trainingsplatz der Hearts of Midlothian. Begleitet von Journalisten des klubeigenen TV-Senders klatschte er seine neuen Mitspieler ab, bevor das Schottland-Abenteuer für den 23-Jährigen dann auch auf dem Platz losging.

Nach sechs Monaten beim türkischen Spitzenklub Trabzonspor unterschrieb der ehemalige Schalker Mitte Januar einen Vertrag über ein halbes Jahr beim Schlusslicht der schottischen Premiership. Auf den ersten Blick nicht die schillerndste Adresse des Weltfußballs, doch für Avdijaj die Chance, endlich wieder regelmäßig auf dem Feld zu stehen und das zu tun, was er liebt.

Als sich der gebürtige Osnabrücker einen Tag später den Medienvertretern stellte, wirkte er glücklich und gelöst, denn er hat das Gefühl, im Herzen Schottlands wieder gebraucht und respektiert zu werden. Anders als in Trabzon, wo Avdijaj zuletzt nicht mehr erste Wahl gewesen war, gilt er bei den Hearts als Hoffnungsträger - sowohl die Fans als auch die Medien sind positiv gestimmt.

Donis Avdijaj soll für die Hearts vor allem eines: Tore schießen

Denn während der Wechsel des einstigen Problemprofis in Deutschland nur eine Randnotiz gewesen ist, in dessen Zusammenhang immer wieder über frühere Eskapaden des Offensivspielers berichtet wurde, ist man in Schottland tatsächlich gespannt auf den Fußballer Avdijaj. "Shy off pitch, explosive on it", titelte beispielsweise die ansässige Edinburgh Evening News nach dem Transfer des ehemaligen Bundesligaprofis. Um teure Autos oder wirre Interviews, auf die er hierzulande immer wieder reduziert wird, geht es in Edinburgh nicht - vielmehr um die Stärken und Erfahrungen des 23-Jährigen.

Avdijaj selbst beschreibt sich als aggressiven, technisch starken, aber auch sehr emotionalen Spieler. "Es ist eine Mischung, die die Fans mögen werden", versprach er auf einer Pressekonferenz. "Ich mag es, die Zuschauer mitzureißen. Es entspricht meiner Mentalität, immer mit Emotionen und viel Herz zu spielen." Sätze wie diese hört man bei den Hearts besonders gern, denn Leidenschaft und Einsatzbereitschaft werden im Abstiegskampf großgeschrieben.

Was die Jam Tarts wohl am meisten vermissen, sind Tore. Zum Zeitpunkt des Avdijaj-Transfers hatte kein Verein weniger eigene Treffer auf dem Konto als der Klub aus Edinburgh. Magere 18-mal durften die eigenen Fans in 22 Saisonspielen jubeln. Ein Problem, welches der Außenstürmer künftig angehen will. "Ich habe viele Arten von Fußball kennengelernt und in jedem Land getroffen, in dem ich gespielt habe", sagte er. "Dieser Mix kann mir für die nächsten Wochen bei den Hearts helfen", war sich Avdijaj sicher.

Donis Avdijaj: Stationen seiner Karriere

DauerVerein
Juli 2014 - Januar 2015Schalke 04
Januar 2015 - Juni 2016 (Leihe)Sturm Graz
Juli 2016 - Januar 2018Schalke 04
Januar 2018 - Juni 2018 (Leihe)Roda Kerkrade
August 2018 - März 2019Willem II
März 2019 - Juli 2019vereinslos
Juli 2019 - Januar 2020Trabzonspor
Januar 2020 -Hearts of Midlothian

Donis Avdijaj trifft in Schottland auf den deutschen Trainer Daniel Stendel

Beim Europa-League-Teilnehmer Trabzonspor traf er in acht Ligaspielen zwar nur einmal, doch dass Avdijaj ein echter Torjäger sein kann, bewies er sowohl in seiner Jugendzeit auf Schalke als auch in den Niederlanden und in Österreich. Insgesamt 76 Tore erzielte das einstige Top-Talent in 77 Spielen für die U17 und U19 von Königsblau. Weitere 13 Treffer schoss er während seiner Leih-Station in Graz, zehn in Holland für Willem II und Roda Kerkrade.

"Viele Leute fragen nach meiner Vergangenheit. In den letzten drei Jahren habe ich bei sechs Teams gespielt", machte Avdijaj klar und betonte, dass sein Dasein als Fußball-Vagabund für ihn eine "verrückte Erfahrung" gewesen sei, bei der er unglaublich viel gelernt habe. "Bei den meisten Vereinen hatte ich eine gute Zeit. Ich habe nun in fünf Ländern gelebt, spreche fünf Sprachen und habe vieles gesehen. Für einen 23-Jährigen sind das keine schlechten Erlebnisse."

Auf eine für Avdijaj gute Zeit in Edinburgh hofft auch Daniel Stendel, der deutsche Trainer der Hearts, der einer der Hauptgründe für den Transfer des Offensivspielers war. Während seiner früheren Trainerstationen im Jugendbereich von Hannover 96 hat er die Karriere seines heutigen Schützlings genau verfolgt und nun zugeschlagen. "Donis kam dann auf uns zu und hatte Interesse bekundet, uns zu helfen. Ich bin froh, dass er bei uns ist. Am Ende ist es wichtig, dass wir einen Qualitätsspieler bekommen haben", erklärte er bei Sport1. Nun hofft er auf eine "Win-win-Situation".

Neben den Hearts, die jede Hilfe im Abstiegskampf gebrauchen können, würde auch Avdijaj davon profitieren, endlich wieder gebraucht zu werden. Mit dem Ziel, sich für eine Weiterbeschäftigung über das Saisonende hinaus zu empfehlen, hofft er nach turbulenten Jahren in einer Karriere-Achterbahn seine Freude am Fußball zurückzufinden. Ein wilder Ritt, der ihn im Sommer womöglich sogar zur Europameisterschaft führen könnte. Denn im März stehen für den Kosovo entscheidende Spiele an, die der Offensivmann nicht verpassen will.

Donis Avdijaj: Erst Klassenerhalt, dann EM 2020 mit dem Kosovo

In den Nations-League-Playoffs trifft das Team um Werder Bremens Milot Rashica zunächst auf Nordmazedonien, in einem möglichen Finale dann auf Georgien oder Weißrussland. Für den Balkanstaat, der erst seit 2016 als UEFA-Nation anerkannt ist, sind die kommenden Begegnungen das größte Event der Verbandsgeschichte. Setzt sich der Kosovo durch, nimmt man erstmals an der Europameisterschaft teil - auch für Avdijaj ein absoluter Traum.

Bevor es so weit ist, legt er allerdings seinen vollen Fokus auf das Erreichen des Klassenerhalts mit den Hearts. "Wir haben eine Mission", machte er der schottischen Presse klar und bekam im darauffolgenden Spiel gegen Ross County sofort die Chance, sich zu beweisen. Nach engagierter Leistung und einer vergebenen Großchance des Ex-Bundesligaprofis endete das Spiel 0:0. Ein Achtungserfolg gegen die Glasgow Rangers (2:1) lässt aber tatsächlich hoffen, dass der Klub auch in der kommenden Saison noch erstklassig spielt.

Erfüllt der Fußball-Vagabund seine Mission Klassenerhalt und schafft es auf diese Weise womöglich, sich für die Nationalmannschaft zu empfehlen, kann es gut sein, dass man sein breites Grinsen schon bald wieder häufiger in den deutschen Medien sieht, wenn es um sportliche Schlagzeilen geht - von allem Anderen hat Avdijaj inzwischen genug.

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