Das Estadio Municipal 22 de Junho bietet nur etwa 5.000 Menschen Platz. Es hat zwei Tribünen, überdacht ist lediglich eine, die andere besteht aus Betonstufen. Und hinter den beiden Toren, da ist nichts. Das Estadio Municipal 22 de Junho ist 67 Jahre alt und die Heimat des portugiesischen Aufsteigers und Sensations-Tabellenführers FC Famalicao sowie des modernen Fußballs.
Und das kam so: Im Jahr 2018 übernahm Idan Ofer mit seiner Quantum Pacific Group 51 Prozent des damaligen Zweitligisten. Anfang September dieses Jahres erhöhte er auf 85 Prozent, mittlerweile ist der Klub Tabellenführer der ersten Liga. Ofer ist eine der reichsten Personen Israels, sein Vermögen wird auf etwa fünf Milliarden Euro geschätzt. Ein bisschen was davon landet auch bei Atletico Madrid, wo Ofer 32 Prozent hält. Deren Präsident Miguel Angel Gil Marin ist ein guter Freund von ihm - genau wie Jorge Mendes.
Das Netzwerk von Ronaldo-Berater Jorge Mendes
Der 53-jährige Portugiese ist Gründer und Besitzer der Berateragentur GestiFute. Sie vertritt unter anderem Cristiano Ronaldo, James Rodriguez und Jose Mourinho und ist eine der einflussreichsten der Welt. Zuletzt galt Mendes' Fokus aber nicht mehr nur Spielern und Trainern, sondern auch ganzen Vereinen.
Über das chinesische Konglomerat Fosun International Limited, das laut dem englischen Independent über eine Tochtergesellschaft 20 Prozent der Anteile an GestiFute hält, kontrolliert Mendes seit 2016 den Premier-League-Klub Wolverhampton Wanderers. Seitdem bringt er dort einen GestiFute-Spieler nach dem anderen unter, der aktuelle Wolverhampton-Trainer Nuno Espirito Santo ist gar Mendes' allererster Klient. Beste Beziehungen unterhält Mendes auch zum FC Valencia, mit dessen Besitzer Peter Lim er gut befreundet ist.
Wolverhampton, Valencia und Atletico. Was Mendes in seinem Kontroll-Portfolio noch fehlte, war ein Klub, der seinen Talente und denen der befreundeten Klubs eine Plattform für Spielpraxis bietet. Einen Klub mit etwas geringerer Leistungsstärke. Einen Klub wie den FC Famalicao.
FC Famalicao: Ofer-Einstieg, Aufstieg, Komplett-Umbruch
1931 gegründet, spielte der Verein aus der gleichnamigen 130.000-Einwohner-Stadt nördlich von Porto bisher insgesamt sechs Jahre in der ersten Liga - letztmals vor 25 Jahren. Ansonsten trieb sich Famalicao hauptsächlich im Amateurfußball herum, vor zehn Jahren gar in der fünften Liga.
2018 zeigte dann auf einmal Mendes Interesse: Zunächst gab es Spekulationen über einen direkten Einstieg von GestiFute, letztlich überzeugte er seinen Freund Ofer von einem Kauf. Die neuen Eigentümer wurden laut des neuen Geschäftsführers Amit Singh "in der Stadt willkommen geheißen". Gleich in der ersten Saison gelang der Aufstieg in die erste Liga.
Was folgte, war ein gigantischer Umbruch. Ein Umbruch nach dem Geschmack von Mendes: Trainer Carlos Pinto und Toptorjäger Fabricio Simoes mussten gehen, genau wie fast alle anderen auch. Vom Aufstiegskader sind nur mehr vier Spieler übrig. 18 neue Spieler holte Famalicao im Sommer. Ablösesumme wurde für keinen gezahlt, sie alle kamen entweder ablösefrei oder per Leihe.
Drei der neuen Spieler sind GestiFute-Klienten, zwei kamen von Wolverhampton, zwei von Valencia und drei von Atletico. Bis auf ganz wenige Ausnahmen handelt es sich bei allen um junge Talente. Das Durchschnittsalter der Mannschaft beträgt 23,4 Jahre und ist das niedrigste aller Vereine. Die Talente sollen Spielpraxis sammeln - und dann gestärkt zu den befreundeten Vereinen zurückkehren. Geholfen ist damit allen Beteiligten.
Durchbricht Famalicao als Dritter die Top-Drei-Phalanx?
Die beiden 19-jährigen Atletico-Neuzugänge Gustavo Assuncao (Mittelfeld) und Nehuen Perez (Verteidigung) erarbeiten sich direkt einen Stammplatz, genau wie der 21-jährige Pedro Goncalves (Mittelfeld) von Wolverhampton. Auch der 21-jährige Uros Racic (Mittelfeld) und der 20-jährige Alex Centelles (Verteidigung) von Valencia kommen regelmäßig zum Einsatz.
Neuer Trainer ist Joao Pedro Sousa, bis zuletzt Marco Silvas Co-Trainer beim FC Everton. Er steht für begeisternden Offensivfußball, ligaweit überbietet kein Verein Famalicaos bisherige 16 Treffer. Zuletzt gelang ein 2:1-Sieg gegen Sporting, als nächstes ist Tabellenführer Famalicao beim ersten Verfolger FC Porto zu Gast.
Seit Einführung einer landesweiten portugiesischen Liga holte nur zweimal keiner der drei großen Vereine Porto, Benfica und Sporting den Titel: Belenenses aus Lissabon (1946) und Boavista aus Porto (2001). Sollte es nun Famalicao schaffen, würden sie sich natürlich schon auch freuen in diesem alten Stadion, das 2021 einer neuen Arena weichen soll. Aber das wichtigste Ziel dieses Klubs ist ein möglicher Meistertitel sicherlich nicht.