Nur sehr wenige Manager bewiesen auf dem internationalen Transfermarkt in den vergangenen Jahren ein so ausgeprägtes Gespür für junge Talente wie Max Eberl. Immer wieder erspähte der Sportdirektor von Borussia Mönchengladbach in den unterschiedlichsten Ligen vielversprechende Nachwuchshoffnungen.
Manche profilierten sich am Niederrhein, sind aber längst wieder weiter gezogen, um sich auf noch größerer Bühne zu präsentieren - Marco Reus etwa nach Dortmund. Manche, wie Granit Xhaka, glänzen derzeit bei der Borussia und gelten als heiß umworben. Und wieder andere stehen noch nicht einmal in Mönchengladbach unter Vertrag.
Florian Kainz ist ein Beispiel für die letzte Kategorie. Der junge Österreicher spielt derzeit für Rapid Wien - vermutlich aber nicht mehr allzu lange. Eberl will den 23-Jährigen an den Niederrhein locken. Am liebsten hätte die Borussia Kainz schon im Winter geholt; einen vorzeitigem Wechsel verweigert Rapid aber. Deshalb wird der Transfer wohl im Sommer fixiert. Dass Eberl Interesse zeigt, kann Kainz als Bestätigung für seine Leistungen in dieser Saison ansehen. Ein gefühlter TÜV-Stempel vom Talent-Experten: bereit für Größeres!
"Schnell, stark am Ball und torgefährlich"
In der Hinrunde der laufenden Saison schwang sich Kainz zu einem der Senkrechtstarter der österreichischen Bundesliga auf. In seinem zweiten Jahr bei Rapid gelang ihm der absolute Durchbruch. Wettbewerbsübergreifend verzeichnete der Linksaußen in 31 Spielen neun Treffer und 13 Assists. Das blieb auch Nationaltrainer Marcel Koller nicht verborgen, der Kainz im November zu seinem Nationalmannschaftsdebüt verhalf: Bei der 1:2-Niederlage gegen die Schweiz wurde er spät im Spiel eingewechselt.
Viel Zeit, seine zahlreichen Stärken auszuspielen, blieb dann nicht mehr. "Kainz ist sehr agil, schnell, stark am Ball und torgefährlich", lobt Jakob Rosenberg, Rapid-Experte vom österreichischen Fußballmagazin ballesterer gegenüber SPOX und fügt an: "Wenn es Probleme mit der Kreativität im Spielaufbau gibt, dann zieht er die Bälle an. Er ist überall am Spielfeld zu finden."
Früher oder später wird Kainz wohl auch auf den Spielfeldern der deutschen Bundesligastadien zu finden sein. "Es ist schön zu sehen, wenn so ein Angebot kommt", sagte Kainz unlängst und bezog sich damit auf das Gladbacher Interesse. Ob er denn überhaupt wechseln wolle? Das sei Sache von Rapid!
Schon einmal, als er noch jünger und unerfahrener war und in der ersten Mannschaft seines Jugendvereins Sturm Graz gerade erst Fuß gefasst hatte, machte Kainz den Fehler, sich etwas zu ambitioniert zu äußern. "Ich will einmal ins Ausland", sagte er damals, mit weißblonden Haaren und nach kürzester Anstrengung geröteten Backen. Nach einigen schwächeren Partien war ihm die Häme der Öffentlichkeit ob der überbordenden Erwartungshaltung gewiss.
Grazer Hoffnungsträger
Angefangen hat Kainz' fußballerische Vita im Alter von sieben Jahren in der Nachwuchsabteilung von Sturm Graz, wo er schnell auf sich aufmerksam machte. Als er den Sprung in die erste Mannschaft schaffte, galt Kainz als der Hoffnungsträger schlechthin. Am Ende seiner ersten Saison als Profi feierte der Linksaußen 2011 einen unerwarteten Meistertitel mit Sturm. All das war womöglich zu viel für den damals 18-Jährigen. "In Graz gab es trotz des jungen Alters zu hohe Erwartungen an Kainz. Für seine sportliche Entwicklung war es gut, dass er von Sturm weggegangen ist", sagt Rosenberg.
Im Sommer 2014 kam Kainz nach Wien, zum Rekordmeister Rapid. Und dort war der Druck letztlich paradoxerweise geringer als bei Sturm. "Bei Rapid gibt es viele Spielertypen mit einem ähnlichen Niveau", sagt Rosenberg, "da ist er nicht das Jahrhunderttalent aus der eigenen Nachwuchsschmiede, sondern einer von vielen." Befreit von der Bürde des Hoffnungsträgers blühte Kainz auf.
Nach einem soliden Premierenjahr wurde Kainz in dieser Saison zum effektivsten Rapidler. Mit dem Ball am Fuß stürmt Kainz von links Richtung Strafraum. Mit erhobenem Haupt spielt er Schnittstellenpässe. Technisch anspruchsvoll kombiniert er mit den Kollegen Steffen Hofmann, Louis Schaub und Philipp Schobesberger. All das sind Bilder, die symbolisch für die abgelaufene Hinrunde stehen. Eine Hinrunde, in der Rapid nach dem Weiterkommen gegen Ajax Amsterdam in der Champions-League-Qualifikation nur hauchdünn an Schachtar Donezk scheiterte, um dann als Gruppensieger in die K.o.-Runde der Europa League einzuziehen.
Europäische Highlights und Meisterambitionen
Im Europa-League-Sechzehntelfinale wartet der FC Valencia. Bleibt Rapid allen weiteren vorzeitigen Gladbacher Abwerbungsversuchen zum Trotz konsequent, wird auch Kainz an einer möglichen neuerlichen Sensation mitarbeiten. Vielleicht feiert er im Mai auch seine zweite österreichische Meisterschaft, der Rückstand von Rapid auf Tabellenführer Red Bull Salzburg beträgt nur drei Punkte.
Spätestens ab nächsten Sommer wird der Linksaußen aber wohl nicht mehr mit Hofmann, Schaub und Schobesberger kombinieren, sondern eher mit Lars Stindl, Raffael, Ibrahima Traore und Thorgan Hazard. Technisch begabte Nebenleute sind für Kainz wichtig, damit er sein gewohntes Spiel aufziehen kann. In Gladbach wird er aber auch mit Problemstellungen und Herausforderungen konfrontiert sein. Und diese heißen ebenfalls Stindl, Raffael, Traore und Hazard oder auch Fabian Johnson, Patrick Herrmann und Jonas Hofmann. Oder kurz: Konkurrenzkampf.
Beim Ringen um Spielanteile wird Kainz Nehmerqualitäten zeigen müssen. "Von der Qualität her würde er das hinbekommen", sagt Rosenberg, "wenn man ihn langsam einbaut, kann er innerhalb von einem halben Jahr eine Verstärkung werden." Anpassungsfähigkeit bewies Kainz auch schon nach seinem Wechsel von Sturm zu Rapid. Innerhalb kürzester Zeit etablierte er sich in Wien als Stammspieler. Im Sommer 2016 erklimmt Kainz wohl die nächste Sprosse auf der Karriereleiter.
Florian Kainz im Steckbrief