Hinkel: "Ich bin mittendrin, aber nicht dabei"

Von Interview: Florian Regelmann
Andreas Hinkel spielt seit 2008 für Celtic Glasgow
© Imago
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SPOX: Was verbaute Wochenenden angeht, geht es anderen ja genauso. Was sind denn sonst die Nachteile eines Fußballerlebens?

Hinkel: Ich bin wirklich der Letzte, der als herumheulender Fußballer dastehen will. Aber ich finde schon, dass in der Öffentlichkeit manchmal ein falsches Bild entsteht. Viele sehen nur, dass ein Fußballer viel Geld verdient, sich tolle Autos leisten kann und von Frauen angehimmelt wird. Wie gesagt, ich will nicht wie ein armer Fußballer klingen, aber es ist kein Hobby, dem wir da nachgehen. Es ist ein knallharter Beruf. So hart, wie es in anderen Branchen zugeht, geht es auch im Fußball zu.

SPOX: Was meinen Sie damit konkret?

Hinkel: Ich denke, wir sind uns schnell einig, dass der Fußballmarkt Europa ist. Hier sind die Top-Ligen und wird das meiste Geld verdient. Das heißt, dass jeder nach Europa drängt. Asiaten, Afrikaner, Südamerikaner, alle. Die Konkurrenz ist brutal. Du musst Leistung bringen. Wenn du sie nämlich nicht bringst, bist du sofort weg. Du musst nicht glauben, dass es da irgendeine Form von Menschlichkeit gibt. Dann rollen Köpfe. Wie gesagt, das ist in anderen Berufen auch so, aber der Fußball ist da keine Ausnahme. Außerdem haben die Leute oft nur die Ronaldos und Messis und deren Gehalt im Kopf.

SPOX: Deren Gehälter sind aber auch astronomisch hoch, oder nicht?

Hinkel: Das stimmt. Natürlich sind einige Gehälter überdimensional hoch. Wenn diese dann im einen oder anderen Fall auch noch von verschuldeten Vereinen bezahlt werden, kann das niemand gutheißen. Aber es gibt auch Vereine, in denen blitzsauber gewirtschaftet wird, der Erfolg da ist - und die Spieler partizipieren. Das ist dann in Ordnung. Dazu kommt, dass Messi und Co. Ausnahmeerscheinungen sind.

SPOX: Auch der Durchschnittsprofi muss aber nicht am Hungertuch nagen.

Hinkel: Richtig, ich will wie gesagt auf keinen Fall jammern. Fußballer verdienen ab einem gewissen Niveau alle gutes Geld. Aber der Job ist nicht immer märchenhaft schön, das ist auch Knochenarbeit, jeden Tag kann es zu Ende sein. Dieser Begriff von Fußballern als modernen Gladiatoren passt schon ziemlich gut. Du musst immer stark sein. Deinen Platz verteidigen, weil hinter dir schon der nächste steht. Wenn du angeschlagen bist, darfst du deinem Gegenspieler trotzdem keine Schwäche zeigen. Schwäche zeigen gilt heute oft als Zeichen von Stärke. Im Fußball ist das aber nicht so.

SPOX: Gerade als junger Spieler muss man damit wohl umgehen lernen. Als Sie beim VfB Ihr Debüt feierten, war die Situation ja auch alles andere als einfach. Welche Erinnerungen haben Sie an die Zeit?

Hinkel: Es war eine brutale Situation. In meinem ersten Jahr hat der VfB gegen den Abstieg gespielt. Ich bin von jetzt auf gleich von meiner Fan-Rolle in die Rolle als Spieler geschlüpft. Damals ging es um die Existenz des Vereins und das Verhältnis zu den Fans war auch sehr angespannt. Wenn du von den Rängen "Scheiß Millionäre"-Sprechchöre hörst, ist das schwierig. Vor allem fühlte ich mich ja gar nicht angesprochen. Ich war ein junger Spieler und habe kaum was verdient. Ich war sicher kein "scheiß Millionär". (lacht)

SPOX: Neben den Fans kommt auch Druck von den Medien. Welche Rolle spielen Noten im Leben eines Fußballers?

Hinkel: Ganz ehrlich: Am Anfang habe ich sie mir schon angeschaut, aber das habe ich relativ schnell aufgehört. Weil ich einen gesunden Menschenverstand habe und selbst weiß, was ich geleistet habe oder nicht.

SPOX: Gestandene Profis interessiert das doch alles nicht mehr. Richtig?

Hinkel: Ja, es ist in dem Zusammenhang interessant, wie viel Erfahrung im Fußball ausmacht. Man muss einfach nur mal beobachten, wie unterschiedlich ein junger und ein erfahrener Spieler reagieren, wenn sie einen Fehlpass spielen oder eine Flanke hinters Tor schlagen und die Pfiffe kommen. Der junge Spieler lässt sich von der misslungenen Aktion frustrieren, bleibt vielleicht stehen und hadert mit sich. Der erfahrene Spieler schaltet im Gegensatz dazu sofort wieder um, hakt die Sache ab und rennt nach hinten. Miro Klose ist ein super Beispiel dafür, der macht immer sein Ding, egal was passiert. Man wird so ein bisschen zu einer Maschine. Eine Maschine, die funktioniert. Funktionieren muss.

SPOX: Das klingt alles sehr distanziert.

Hinkel: Es ist komisch, aber manchmal habe ich das Gefühl, dass ich mittendrin bin, aber nicht dabei. (lacht) Ich fühle mich nicht als Star. Ich bin regional bekannt, in Stuttgart, Sevilla und Glasgow - ab und zu erkennt mich auch mal jemand in München, aber ich bin froh, dass ich so ein normales Leben führen kann. Ich schaue immer auch ein wenig von außen auf das Fußball-Geschäft. Wir könnten uns jetzt auch über ganz andere Dinge unterhalten. Über das Rentensystem, über Geldkreisläufe, oder über die Frage, warum in Afrika eine Zahl auf dem Papier nicht das gleiche wert ist wie in Amerika.

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SPOX: Das verschieben wir dann aufs nächste Mal. Zum Abschluss lieber noch eine andere Frage: Wie sieht's in Sachen Nationalmannschaft aus? Abgehakt?

Hinkel: Mein Leitspruch heißt: Wer aufgibt, gewinnt nie. Wer nie aufgibt, gewinnt. Abhaken sollte man etwas nie. Klar ist es momentan weit weg, aber wer weiß. Ich habe ein gutes Gefühl, dass ich nach meiner Rückkehr wieder gut in Form kommen werde. Mein Vertrag bei Celtic läuft zudem im Sommer aus, vielleicht werde ich in die Bundesliga zurückgehen und dann wieder mehr im Fokus stehen. Wenn ich dann meine Leistung bringe, hoffe ich, dass noch einige Länderspiele dazukommen. Wobei wir auch wissen, dass nicht immer nur die reine Leistung entscheidend ist bei der Zusammenstellung einer Mannschaft. Das sagt sogar Joachim Löw selbst. Alles muss passen. Vielleicht passt es bei mir und der DFB-Elf auch mal wieder.

Andreas Hinkel im Steckbrief

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