DFB-Frauen berappeln sich

SID
Angerer wird sich sicherlich nicht mit einer Niederlage verabschieden wollen
© getty

Während sich in der Heimat die Kritiker formierten, tankten die deutschen Fußballerinnen in Kanadas Öl-Hauptstadt nach der bitteren Halbfinal-Enttäuschung neue Motivation für das kleine Finale gegen England am Samstag.

Anzeige
Cookie-Einstellungen

"Ab jetzt müssen wir wieder nach vorne blicken. Es geht noch um den dritten Platz und den wollen wir uns auf jeden Fall krallen", sagte Linksverteidigerin Tabea Kemme bei der Abreise von Montréal ins viereinhalb Flugstunden entfernte Edmonton: "Wir wollen diese Medaille haben."

Der Umzug per Chartermaschine und die neue Umgebung halfen dabei, das schmerzhafte 0:2 (0:0) gegen die USA zumindest schon einmal räumlich hinter sich zu lassen. Bundestrainerin Silvia Neid, die das zweite Halbfinale auf der Tribüne beobachtete, musste derweil Kritik von Berufsgenossen aus der Heimat verkraften.

"Sachlich betrachtet habe ich den Matchplan für den jeweiligen Gegner nicht gesehen", sagte Colin Bell, Trainer des Champions-League-Siegers 1. FFC Frankfurt, der Frankfurter Rundschau und anderen Medien.

Dabei habe er Neid auch im USA-Spiel nach dem Rückstand nach 69 Minuten zu passiv gesehen: "Wenn sich ein Spiel in diese negative Richtung verändert, dann muss man personelle oder taktische Veränderungen vornehmen. Das ist im Endeffekt nicht geschehen."

DFB-Team zu unflexibel?

Welttrainer des Jahres Ralf Kellermann vom VfL Wolfsburg sieht die DFB-Auswahl taktisch im Vergleich zu den Top-Teams Frankreich, Japan und USA zu eingerostet: "Sie finden fast immer spielerische Lösungen und agieren sehr viel variabler und flexibler. Das hat mir bei der deutschen Mannschaft das ganze Turnier über doch etwas gefehlt", sagte Kellermann der Braunschweiger Zeitung.

DFB-Spielführerin Nadine Angerer wies die Kritik vehement zurück. "Mich macht das richtig sauer. Es ist immer leicht, das von außen zu beurteilen. Aber wenn man keine Ahnung hat, muss man erst mal die Hintergründe kennen", sagte die Torhüterin auf der Pressekonferenz am Donnerstag in Edmonton:

"Wir haben fantastische Spiele abgeliefert und gegen eine starke US-Mannschaft verloren. Und wir wissen auch, dass der Großteil der Beobachter unsere Leistungen sehr objektiv sieht." In Richtung Bell fügte die 36-Jährige an: "Ich bin enttäuscht, dass man nach einer Niederlage am lautesten schreit und sehe das als Schwäche."

Nun wird mit Spannung erwartet, wie Neid die Kritik aus der Heimat beantwortet - und ob die 51-Jährige im Commonwealth-Stadion ihre erste Elf oder vorwiegend bislang selten zum Einsatz gekommene Spielerinnen aufs Feld schicken wird. In jedem Fall aber ist davon auszugehen, dass Angerer in ihrem 146. und letztem Auftritt die Nationalmannschaft wie gewohnt aufs Feld führen wird.

"Fußball kann so grausam sein"

Innenverteidigerin Annike Krahn, die an ihrem 30. Geburtstag standesgemäß mit einer Rede von Torwarttrainer Michael Fuchs, einem Ständchen sowie einem Schoko-Geburtstagkuchen gefeiert wurde, gab die erste Einschätzung zum Gegner ab.

"Die Engländerinnen haben im Turnierverlauf gezeigt, dass sie eine sehr gute Mannschaft sind. Sie haben gegen Japan unglücklich in der Nachspielzeit gegen den amtierenden Weltmeister verloren", sagte Krahn nach dem 1:2 (1:1) der Lionesses am Mittwochabend: "Trotz der Niederlage werden sie selbstbewusst gegen uns antreten."

Wie noch bei den Deutschen am Vorabend flossen auch bei den Halbfinal-Debütantinnen aus England bittere Tränen der Enttäuschung, nachdem Laura Bassett (90.+2) gegen Japan bei einem Klärungsversuch mit einem Eigentor für die Entscheidung sowie für die Neuauflage des WM-Finales von 2011 gesorgt hatte.

"Fußball kann so grausam sein. Aber wir müssen uns jetzt für das Spiel gegen Deutschland zusammenraufen", forderte Kapitänin Steph Houghton. Die Bilanz gegen Deutschland ist aber eindeutig: In bislang 20 Vergleichen gewann England noch nie (18 Niederlagen, zwei Remis).

Artikel und Videos zum Thema