SPOX: Herr Wörle, sie mussten ihre Spielerkarriere mit 28 Jahren beenden und stiegen 2009 ohne Umwege direkt als Frauentrainer beim FC Bayern München ein. Hatten sie in Ihrer Anfangszeit nicht mit Akzeptanzproblemen oder kritischen Blicken zu kämpfen?
Thomas Wörle: Die Blicke gab es wahrscheinlich schon. Es war meine erste Trainerstation, nachdem ich selbst nicht mehr kicken konnte, unsere Managerin Karin Danner hat mir die Chance gegeben.
SPOX: Sie starteten also ohne jede noch so kleine Vorerfahrung?
Wörle: Eine kleine gab es doch. Mein Vater (Günter Wörle, Vorgänger als Frauentrainer Anm. d. Red.) fehlte krank bei der Champions League Qualifikation 2009 in Litauen, weshalb ich das Qualifikationsturnier mit der Mannschaft bestritt. Das war die erste Chance, sich gegenseitig zu beschnuppern und im Anschluss habe ich dann einen Vertrag erhalten.
SPOX: Wie gestalteten sich die ersten Wochen als Trainer? Mussten Sie viel wieder verwerfen, was Sie geplant hatten?
Wörle: Klar hat mal etwas nicht zu 100 Prozent funktioniert, ich bin inzwischen sicher ein besserer Trainer, als noch am Anfang. Ich habe Erfahrung gesammelt, sowohl im positiven, als auch im negativen Sinne. Das Feedback, egal ob verbal oder nonverbal, zeichnet einem den Weg vor. Es ist ein Lernprozess, wie es ihn in jedem anderen Beruf auch gibt.
SPOX: Wie wohl fühlen Sie sich denn im Frauenbereich? Sie geben offen zu, irgendwann zu den Herren zu wollen.
Wörle: Ich fühle mich sehr wohl. Die deutschlandweite Entwicklung ist toll. Ich bin seit fünf Jahren hier und es hat sich viel geändert. Das Spiel ist dynamischer geworden, taktischer und auch die Technik hat sich nochmal verbessert. Das merkt man besonders an den 17- oder 18-Jährigen, die aus der Jugend nachkommen. Dazu steigt die Aufmerksamkeit, die Medienarbeit intensiviert sich und die Mitgliederzahlen steigen. Es gibt sogar erstmals Live-Spiele der Bundesliga im Fernsehen. Aktuell kann ich mir gut vorstellen, hier noch einige Zeit zu verbringen.
SPOX: Gibt es kein konkretes Ziel oder vielleicht einen Wunschtraum?
Wörle: Nein, eigentlich nicht. Von klein auf wollte ich zwar immer eine Männermannschaft trainieren, aber meine Arbeit hier bei Bayern ist noch nicht zu Ende. Wir haben uns große Ziele gesetzt, die wir in den kommenden Jahren gemeinsam erreichen wollen. Ich fühle mich beim FC Bayern München Frauenfußball sehr wohl. Ob Basketball, Männer- oder Frauenfußball, der FC Bayern München ist eine große Familie. Wir alle sind stolz darauf ein Teil dieser Familie zu sein.
SPOX: Sie sprechen die große Entwicklung im Frauenfußball an, betonen aber selbst immer, dass die Fortschritte im Moment vor Ergebnissen gehen. Wird sich das mit mehr Aufmerksamkeit ändern müssen?
Wörle: Über eine Ergebnisorientierung brauchen wir nicht diskutieren, die gibt es natürlich schon. Aber grundsätzlich bin ich davon überzeugt, dass man auf Dauer nur dann erfolgreich sein kann, wenn man inhaltlich stark arbeitet und ein Spiel auch selbst aktiv gestalten will.
SPOX: Der Frauen-Fußball entwickelt sich immer weiter - wie wollen Sie denn ihre Mannschaft weiterentwickeln? Gibt es da einen klaren, langfristigen Plan?
Wörle: Wir stehen bei Bayern schon für eine Art von Fußball, aber grundsätzlich ist man sicher vom Spielermaterial abhängig. Das Mia-San-Mia-Gefühl, das den FC Bayern München Männerfußball auszeichnet, müssen wir uns in der Frauenabteilung erst noch erarbeiten. Im Herrenbereich ist diese Mentalität über viele, viele Jahrzehnte und große Erfolge entstanden. Diese Erfolge können wir aktuell, bis auf den Pokalsieg 2012, noch nicht vorweisen.
SPOX: Wie viel trägt im Offensivbereich Matthias Nowak bei? Er arbeitet mit den Spielerinnen viel im technischen Bereich und versucht, kreativ und frei denken zu lassen und Automatismen aufzubrechen.
Wörle: Er ist ein spezieller Faktor. Ich bin von seiner Arbeit überzeugt. Ich bin froh, ihn im Team zu haben. Der Frauenfußball wird immer enger,kompakter und taktisch geprägter. Matthias setzt auf eine Art Anti-Stresstraining, damit die Spielerinnen in engen Räumen das Rundherum wahrnehmen können und die Lücken finden. Das ist viel Gehirntraining, er arbeitet auch mit der Gehirnforschung zusammen.
SPOX: Ist das mehr Detailarbeit oder erkennt man wirklich deutliche Unterschiede, wenn neue Spielerinnen dazustoßen?
Wörle: Wir sehen eine stetige Entwicklung, bei Neuen erkennt man natürlich Unterschiede. Es geht darum, das Gehirn zu vernetzen, dabei entwickelt sich aber jeder in seinem eigenen Tempo. Letztlich versuchen wir da ständig neue Reize zu setzen, damit das Gehirn richtig am Arbeiten ist.
Seite 1: Wörle über erste Trainer-Schritte, Anti-Stresstraining und das Mia San Mia
Seite 2: Wörle über Entwicklung im Frauenfußball, Mittel zur Motivation und Guardiola