Als der Großteil der Chelsea-Fans längst verschwunden war, herrschte an der Stamford Bridge immer noch eine Gänsehaut-Atmosphäre. Fans, Spieler und Verantwortliche der Eintracht schwankten irgendwo zwischen Enttäuschung und Stolz.
Die 2.235 Anhänger, die sich aus Hessen auf den Weg nach London gemacht hatten und das Stadion bereits während der Partie im Griff hatten, nahmen ihre Europa-Helden teilweise sogar in die Arme und trösteten sie.
"Die Fans hätten das Finale verdient. Egal wo wir hingefahren sind, es hat sich immer wie ein Heimspiel angefühlt", sagte Torhüter Kevin Trapp.
Bobic: "Eine unglaubliche Willensleistung"
Derweil meinte Eintracht-Sportvorstand Fredi Bobic bei RTL:"Um das alles zu kapieren, was die Jungs abgerissen haben, braucht es eine Weile. Das war eine unglaubliche Willensleistung. Auch in der Verlängerung haben wir alles probiert. Wir können verdammt stolz sein, was die Truppe heute abgeliefert hat."
Im Finale am 29. Mai in Baku (ab 21 Uhr LIVE auf DAZN) treffen die Blues auf ihren Lokalrivalen FC Arsenal, der den FC Valencia nach einem 3:1-Sieg im Hinspiel mit 4:2 bezwungen hatten.
FC Chelsea - Eintracht Frankfurt: Die Stimmen zum Spiel
Adi Hütter (Trainer Eintracht Frankfurt): "Der Traum vom Finale in Baku ist leider geplatzt. Die Enttäuschung ist natürlich da. Wir haben es einfach nicht verdient, auszuscheiden. Trotz allem muss man stolz sein, wir können alle nur stolz sein. Man muss der Mannschaft ein Kompliment machen. Es macht Spaß, hier Trainer zu sein."
Maurizio Sarri (Teammanager FC Chelsea): "Es war ein schweres, offenes Spiel, in dem Frankfurt sehr gefährlich war. Wir haben es nicht geschafft, vor der Halbzeit das 2:0 zu machen. Ich wollte mein Team kompakter sehen. Frankfurt war besser in den letzten 20 Minuten der zweiten Hälfte. Es war ein wundervolles Spiel."
Fredi Bobic (Sportvorstand Eintracht Frankfurt) zum Hinteregger-Elfmeter: "Ein Torhüter bleibt eigentlich fast nie stehen. Da hat der Junge gut gezockt, ist stehen geblieben. So einer kann auch mal durchrutschen. Martin wollte es mit aller Gewalt durch die Mitte machen - das klappt normal in 90 Prozent der Fälle."
Eden Hazard (FC Chelsea): "Ein Halbfinale in der Europa League ist nie einfach. Wir haben eine starke erste Halbzeit gespielt, Frankfurt eine starke zweite Halbzeit. Wir haben am Ende Charakter gezeigt. Jetzt fehlt nur noch ein Schritt. Wir müssen uns in Baku von unserer besten Seite präsentieren. Ob es mein letztes Spiel für Chelsea hier war? Ich weiß es nicht. Ich denke jetzt nur daran, diesen Titel zu gewinnen."
FC Chelsea - Eintracht Frankfurt: Die Analyse
Chelsea-Coach Sarri veränderte sein Team im Vergleich zum Hinspiel auf zwei Positionen: Kovacic und Hazard ersetzten Kante (Oberschenkelverletzung) und Pedro (Bank). An der Grundformation der Blues, dem 4-2-3-1, änderte sich dadurch nichts.
Bei der Eintracht gab es im Vergleich zum Hinspiel nur einen Wechsel - und der sagte viel über den Plan von Trainer Hütter aus: Der im Hinspiel noch gesperrte Stürmer Rebic verdrängte mit Fernandes einen defensiven Mittelfeldspieler auf die Bank.
Mit deutlich mehr Offensivpower auf dem Rasen gingen die Gäste sehr aktiv ins Spiel und begannen bereits am Strafraum des englischen Tabellendritten zu verteidigen. Jovic per Kopf (4.) und da Costa per Volley (14.) setzten erste Duftmarken, die den unüberhörbaren Gäste-Fans aus Hessen Hoffnung auf das Wunder von London machten.
Nach spätestens 20 Minuten war es aber vorbei mit der Frankfurter Herrlichkeit in Durchgang eins. Die Blues wussten die Räume auszunutzen, die sich ihnen ob des hohen Pressings der SGE boten, und entfachten immer wieder über die linke Seite von Emerson und Hazard Druck. Eben jener Hazard leitete schließlich auch die fällige Führung durch den umtriebigen Loftus-Cheek ein (28.), nachdem kurz zuvor schon Hasebe infolge eines Standards auf der Torlinie geklärt hatte.
Der Treffer gab den Hausherren Selbstvertrauen. Sie kontrollierten die Partie und ließen die Eintracht hinterherlaufen - bis zur Pause. Danach kam eine völlig andere SGE zurück auf den Rasen. Eine angestachelte SGE, die durch Jovic, der eine schöne Kombination mit seinem Landsmann Gacinovic eiskalt vollendete, den schnellen Ausgleich herbeiführte und dem Spiel eine völlig neue Wendung gab (49.).
Plötzlich war es der Außenseiter, der Oberwasser hatte und nahezu jeden Zweikampf für sich entschied. Chelsea stellte das Fußballspielen über weite Strecken der zweiten Hälfte ein, schaffte es abgesehen vom Jovic-Treffer aber immerhin, das eigene Tor zu verteidigen. In der Schlussphase entwickelte sich ein leidenschaftlicher Kampf ohne zwingende Chancen auf beiden Seiten. Es ging in die Verlängerung.
Und was dann passierte, war pures Drama. Der für Rebic eingewechselte Haller vergab erst zu Beginn, dann zum Ende der ersten Halbzeit der Verlängerung einen Hochkaräter. Chelseas Torwart Kepa war nach den Abschlüssen des Franzosen (100., 105.+2) bereits geschlagen, Luiz und Zappacosta klärten aber jeweils auf der Linie. Die zweite Hälfte der Verlängerung gehörte Chelsea, das durch Emerson und Zappacosta zu guten Gelegenheiten kam. Trapp hielt das Remis jedoch fest. Im Elfmeterschießen behielten die Hausherren aber die Nerven.
FC Chelsea - Eintracht Frankfurt: Die Daten des Spiels
Tore: 1:0 Loftus-Cheek (28.), 1:1 Jovic (49.)
Elfmeterschießen:
0:1 Haller
1:1 Barkley
1:2 Jovic
Trapp hält gegen Azpilicueta
1:3 de Guzman
2:3 Jorginho
Kepa hält gegen Hinteregger
3:3 Luiz
Kepa hält gegen Paciencia
4:3 Hazard
Chelsea-Verteidiger Azpilicueta bestritt sein 55. (!) Pflichtspiel in dieser Saison - Höchstwert in Europa.
Die Eintracht kassierte auswärts in den letzten fünf Pflichtspielen stets mindestens ein Gegentor (insgesamt 13 in diesem Zeitraum).
- In den letzten fünf Europa-League-Spielen war Loftus-Cheek an vier Toren direkt beteiligt (ein Tor, drei Vorlagen).
Der Star des Spiels: Makoto Hasebe (Eintracht Frankfurt)
Im Hinspiel noch ein Unsicherheitsfaktor, glänzte der Japaner an der Stamford Bridge als Stabilisator. Hasebe gewann zwar weniger als die Hälfte seiner Zweikämpfe, eroberte dafür aber die meisten Bälle aller Eintracht-Spieler (elf). Klärte einmal sogar auf der Linie, nachdem Trapp geschlagen war. Ebenfalls stark: Hinteregger, der sich in jeden Zweikampf warf, und das serbische Trio Jovic-Kostic-Gacinovic. Die Besten bei Chelsea: Elfmeter-Killer Kepa und der umtriebige Hazard, der nicht nur den entscheidenden Elfmeter verwandelte, sondern auch das Tor von Loftus-Cheek vorbereitete.
Der Flop des Spiels: Olivier Giroud (FC Chelsea)
Wie schon im Hinspiel kein Faktor für die Blues. Hatte eine Gelegenheit in der Anfangsphase (23.), die Trapp aus spitzem Winkel vereitelte, ließ sich danach von Hinteregger, Falette und Co. abkochen. Produzierte 16 Ballverluste.
Der Schiedsrichter: Ovidiu Alin Hategan (Rumänien)
Traf viele korrekte Entscheidungen wie zum Beispiel in der 11. Minute, als er Chelsea nach einem Zweikampf zwischen da Costa und Loftus-Cheek einen Strafstoß verwehrte. Gab Azpilicueta nach dessen hartem Einsteigen gegen Gacinovic allerdings nur Gelb (82.).