Es bleibt nur Gomez

Von Andreas Inama
Mario Gomez könnte zum Held einer ganzen Region aufsteigen
© getty

Mario Gomez durchlief eine schwere Zeit beim AC Florenz. Medien, Fans und Trainer haben die Sicht auf den Mittelstürmer aber inzwischen verändert, was sich augenscheinlich auf seine Form ausgewirkt hat: Nach zahlreichen Verletzungen und einer schwachen Hinrunde findet Gomez langsam wieder in die Spur. Das muss er auch, denn ganz unverhofft ist er zum einzigen Hoffnungsträger der Fiorentina geworden. Das Halbfinale in der Europa League gegen Titelverteidiger Sevilla (21.05 Uhr im LIVE-TICKER) ist seine nächste Nagelprobe.

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Das 0:1 des AC Florenz gegen Hellas Verona Ende April kam durchaus überraschend, doch das wirklich Tragische an dieser Partie war nicht die Niederlage. Die konnte man gerade noch verkraften, blieb man dennoch auf einem Europa-League-Rang.

Das große Problem war die Verletzung von Khouma Babacar, mit sieben Toren bester Knipser in der Elf von Vincenzo Montella. Der Senegalese zog sich eine Außenbandverletzung im Knie zu - sechs Wochen Pause, Saison beendet. Der Fiorentina bleiben danach noch zwei gelernte Mittelstürmer: Mario Gomez und Alberto Gilardino. Zwei klassische Mittelstürmer, mit reichlich internationaler Erfahrung.

Sollte eigentlich reichen, zumal die Viola das Coppa-Finale nicht erreicht hat. Doch Gomez ist der einzige, der auch in der Europa League ran darf. Gilardino wurde nicht auf die Liste für die Europa League gesetzt, genauso wenig wie Alessandro Diamanti.

Deutsche unter Dauerbeobachtung

"Es bleibt nur noch Gomez", titelte die Gazzetta dello Sport vor dem Achtelfinal-Rückspiel gegen Dynamo Kiew. Wer die italienischen Medien kennt und den originalen Wortlaut des Blattes vor Augen hat, erkennt darin eine gewisse Wehmut. Raum für Interpretationen lässt das auch: Reicht ein Spieler wie Gomez, um die Fiorentina weiterzubringen? Wird sich Gomez auch wieder verletzen? Was die Gazzetta tatsächlich gemeint hat, sei dahingestellt. Vermutlich alles zusammen.

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Klar ist: Gomez' Verhältnis zu den Medien im Stiefelstaat ist an sich schon angespannt. Ähnlich wie seine deutschen Kollegen Miroslav Klose und Lukas Podolski steht er in einem besonderen Fokus. Es ist ein seltsames Phänomen, dass die italienischen Gazzetten und Fernsehsender mit Argusaugen auf das deutsche Trio blicken. Es wird jedes Spiel - zumindest von Fiorentina und Lazio - in Abhängigkeit der Leistung ihrer deutschen Stürmer behandelt.

Dabei wurden beide schon bis in den Himmel gelobt, nur um ihnen im nächsten Moment das Karriereende nahezulegen. Es ist eine ständige mediale Achterbahnfahrt, die der Ex-Münchener Gomez auf sich nehmen muss. Selbst Vincenzo Montella schien nicht immer von seinem Aushängeschild überzeugt zu sein: "Als ich gemerkt habe, dass ich nicht mehr auf dem Niveau spielen konnte, das meine Karriere gekennzeichnet hat, habe ich aufgegeben. Ich haben begriffen, dass mein Abenteuer Fußball zu Ende war."

Diese Aussage des Fiorentina-Trainers wurde kurz darauf revidiert, zumal Gomez zum damaligen Zeitpunkt erst wieder von einer abermaligen Verletzung zurückgekehrt war.

Auch die Fans verloren nach und nach die Geduld mit ihrem ursprünglichen Idol. Die Ankunft des deutschen Stars wurde gefeiert, man fühlte sich auf einem Level mit den anderen Großen der Liga. Die Ernüchterung war immens, nachdem Gomez von Verletzungen geplagt nicht das liefern konnte, was sie sich versprochen hatten.

Die Rehabilitation

Montella hat seine Aussagen klargestellt, dass der Bezug zu Gomez nicht Kern der Aussage war. Darüber hinaus liegt der Fall nun dreieinhalb Monate zurück.

Der Stürmer hat sich von seinen Wehwehchen erholt und zeigt, wenn auch unregelmäßig, die Fähigkeiten, die ihn berühmt gemacht haben. Vom Karriereende wird schon lange nicht mehr gesprochen, stattdessen hat ihn Podolski als Zielscheibe der Kritik endgültig abgelöst. Die Fans haben ihren Frieden geschlossen. Gomez kann befreiter aufspielen und bedankt sich mit wichtigen Toren wie in den Europa-League-Rückspielen gegen Tottenham (2:0) und Dynamo Kiew (2:0).

Nur in der Liga will es nicht so klappen: Trotz sechs Einsätzen in den letzten acht Spielen liegt sein letztes Tor schon geraume Zeit zurück. Gomez verbuchte am 22. März gegen Udine einen Doppelpack. Obwohl der antiquierte Taktik-Fußball der Serie A einem Stürmer seines Profils liegen müsste, kann sich Gomez von seiner Ladehemmung, die in seit seiner Ankunft in Italien begleitet, nur auf europäischer Bühne loslösen.

Dennoch hat sich die Sichtweise auf den 29-Jährigen gewandelt. Er ist zwar immer noch das Gesicht der Viola und der Spieler mit der größten Strahlkraft, aber der Vize-Kapitän scheint einen Prozess medialer Rehabilitation zu durchlaufen.

Er beweist Schritt für Schritt, dass er die Mannschaft auf seinen Schultern noch zu einem erfolgreichen Saisonende tragen kann. Man merkt, dass er von Spiel zu Spiel wichtiger wird, er wird nicht mehr nur auf das Toreschießen reduziert. Gomez gerät immer mehr als wichtige moralische Stütze in der Kabine und auf dem Platz in den Fokus: "Montella braucht Gomez, er braucht einen, der auf dem Feld brüllt", hieß es unlängst in der Gazzetta.

"Ich will Florenz im Freudentaumel sehen"

Die wachsende Akzeptanz ist auch eine Folge davon, dass sich Gomez mittlerweile zu 100 Prozent mit dem Klub und, in Italien eine als logisch angesehene Konsequenz, der Stadt selbst identifiziert. "Die Fans von Fiorentina lieben diesen Verein und daher mag ich auch die Stadt so. Die ganze Liebe, die sie dem Verein entgegenbringen, hilft uns sehr. Es war unglaublich, wie wir nach dem Sieg gegen Rom gefeiert wurden. Ich kann mir gar nicht vorstellen, was passiert, wenn wir was Großes gewinnen. Ich will Florenz im Freudentaumel sehen und das persönlich mitfühlen können", sagte Gomez.

Außerdem traut er sich mittlerweile auch, die Medien zurechtzuweisen. Als Gerüchte um ein Interesse des FC Barcelona aufkamen, verbannte Gomez beim öffentlich-rechtlichen Sender Rai die Diskussionen ins Reich der Fabeln und kritisierte diplomatisch, aber direkt, die Arbeit der italienischen Journalistenzunft: "Ich weiß, was wahr ist und was falsch. Was die Zeitungen hier schreiben, interessiert mich nicht. Ich habe nicht vor wegzugehen."

Auch Montellas Schweigegelübde hat seinen Anteil: "Wir machen das jetzt so: Da wir Mario ab jetzt bis zum Ende der Saison wirklich brauchen, beantworte ich einfach keine der Fragen mehr, die zu ihm gestellt werden. Schauen wir, wie meine neue Kommunkationsstrategie funktioniert, vielleicht hilft es ihm ja."

Wenn er Gomez schon nicht vor Verletzungen bewahren kann, dann vielleicht vor der Hysterie der italienischen Medien.

Das Jahr hat für alle Florentiner eine besondere Bedeutung. Das erste Mal seit dem Gewinn des Europapokals der Pokalsieger 1961 könnte ein großer internationaler Titel in der Wiege der italienischen Sprache gefeiert werden.

Der nächste Schritt ist das Halbfinale gegen den auf dem Papier favorisierten FC Sevillasein. Für Mario Gomez wird das die nächste Bewährungsprobe im Dress der Viola sein. Aber man kann sich sicher sein, dass in diesem Fall alle hinter ihm stehen und ihn unterstützen. Zum Sündenbock vor einer endgültigen Niederlage wird ihn keiner machen. Denn es bleibt nur noch Gomez.

Mario Gomez im Steckbrief

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