Niko Thoms steht auf seinem Balkon, richtet kurz die Kamera ein, und dann geht's los. "Pyrotechnik ist doch kein Verbrechen", skandiert der Altenpfleger aus dem sächsischen Delitzsch, der sich in den Sozialen Medien nur "Balkonultra" nennt. Das Video geht viral, schnell etabliert sich das aus den deutschen Fußballstadien bekannte Lied am Ballermann auf Mallorca - und pünktlich zur EM auch bei den Länderspielen.
Ob beim Test der deutschen Mannschaft in Nürnberg gegen die Ukraine (0:0) oder am Freitag bei der Generalprobe gegen Griechenland (2:1) in Mönchengladbach: Mehrfach hallte der Song durch die Stadien, immer mehr Zuschauer sangen mit. Pyrotechnik ist und bleibt allerdings in den Fanblöcken verboten.
Doch hier liegt die Krux, plant die UEFA doch vor dem Eröffnungsspiel am Freitag zwischen Deutschland und Schottland (21.00 Uhr/ZDF und MagentaSport) eine riesige Pyro-Show. 60 Feuerwerkskörper, 10 Rauchtöpfe und 60 weitere pyrotechnische Gegenstände, die übrigens in den Händen von Protagonisten gezündet werden, sollen zum Einsatz kommen.
Ausgerechnet die UEFA, die Vereine wegen des Abbrennens von Pyrotechnik schon zu Zuschauer-Ausschlüssen und Blocksperren verurteilte? Es soll der "Höhepunkt der Zeremonie" werden, teilte der Verband mit: "Der Einzug der Flaggen der teilnehmenden Nationen, kombiniert mit einer spektakulären Vorführung von Pyrotechnik, wird in einem majestätischen Bild der Einheit und Vorfreude gipfeln."
Doch wie passt der Einsatz von Pyrotechnik zur Haltung, etwaiges Abbrennen zu sanktionieren und dabei auch auf gesundheitliche Gefahren durch mögliche Verbrennungen oder die Rauchentwicklung hinzuweisen? Die Planung und Organisation der Eröffnungsfeier erfolge "unter Einbindung etablierter Hersteller und professioneller Unternehmen gemäß Gesundheits- und Sicherheitsvorschriften des Gastgeberlandes", teilte die UEFA auf Anfrage der Sportschau mit.
Die Münchner Behörden versuchten vergeblich, den Pyro-Einsatz zu verhindern. Die Branddirektion im Kreisverwaltungsreferat der Landeshauptstadt München, die für die Genehmigung eines solchen Pyro-Einsatzes zuständig ist, sagte dem SID, sie habe "nach Bekanntwerden der Planungen im Januar 2024 an den Veranstalter (...) appelliert, keine Pyrotechnik zur Eröffnungsfeier einzusetzen".
Dabei wurde "insbesondere auf die fragwürdige Signalwirkung Richtung Fans verwiesen, deren nicht genehmigter Pyro-Einsatz regelmäßig zu konkreten Gefährdungen und Verletzungen führt". Untersagen kann die Münchner Branddirektion das allein begründet mit der Signalwirkung allerdings nicht, solange "die Produkte zertifiziert sind, durch zertifiziertes Personal eingesetzt werden und hiervon keine Gefährdungen ausgehen".
Noch steht eine endgültige Zustimmung aus. Diese könne man erst geben, so die Branddirektion, sobald die Erprobung stattgefunden hat. Dies sei aber noch nicht der Fall gewesen.