Der Visit-Qatar-Einspieler flimmert vor etlichen Partien über die TV-Bildschirme, die Werbung umstrittener chinesischer Top-Sponsoren prangt dazu an unzähligen Stellen in den EM-Arenen. Was bei deutschen Fans teils "Fassungslosigkeit" auslöst, ist für die Europäische Fußball-Union (UEFA) ein lukratives Geschäft. Eines, das Beobachtern zufolge jedoch Fragen zur Glaubwürdigkeit und den Zielen dieser EM aufwirft.
Autokratische Regime sind jedenfalls allgegenwärtig beim deutschen "Sommermärchen 2.0". Fünf von 13 weltweiten Sponsoren kommen aus China, dazu einer aus Katar, dem viel kritisierten Gastgeber der vergangenen WM. Es sind auch Unternehmen, die sich seit Jahren aufgrund von möglichen Verbindungen zu Zwangsarbeit, der Unterdrückung chinesischer Uiguren oder für den fehlenden Schutz Minderjähriger rechtfertigen müssen. Ein Problem?
Erst 2022 schloss die UEFA mit der EU-Kommission eine Vereinbarung, "um den europäischen Fußball als Kraft für positive Veränderungen zu nutzen", wie es hieß. Das Interesse, "möglichst wirtschaftlich profitabel" aus der EM herauszugehen, sei für die aber UEFA "wichtiger als dargestellte politische oder soziale Zielsetzungen", sagt Ökonom Christoph Breuer von der Deutschen Sporthochschule in Köln.
Da wären etwa das Bezahlsystem Alipay und die Online-Plattform AliExpress. Beide gehören zu Alibaba, einem chinesischen Multimilliarden-Konzern, der einem Bericht der US-Forschungsgruppe IPVM aus dem Jahr 2020 zufolge eine Software zur Gesichtserkennung entwickelt hat. Im Fokus: Die Minderheit der Uiguren, die laut Menschenrechtlern zu Hunderttausenden in Arbeitslagern interniert sein sollen. Alibaba wies die Vorwürfe zurück.
Katar aus dem Weltsport kaum mehr wegzudenken
Auch der chinesische EM-Partner AliExpress steht etwa aufgrund des angeblichen Verkaufs gefälschter Medikamente und Lebensmittel in der Kritik, dazu sollen Minderjährige über die Plattform Zugang zu pornografischem Material erhalten. Und: Das Australian Strategic Policy Institute berichtete 2020, dass der Autohersteller BYD und der Techkonzern Vivo zu einer Reihe von Unternehmen gehörten, die direkt oder indirekt von uigurischer Zwangsarbeit profitiert haben sollen.
Die chinesischen Partner betrieben durch ihr Sponsoring "eine Art Westwashing der Marke", analysiert Breuer. Trotz aller Kontroversen erhofften sich chinesische Partner, durch die EM "als Marke noch stärker auch mit westlichen und europäischen Werten assoziiert zu werden". Die Ziele Katars seien "im Prinzip ähnlich".
Das schwerreiche Emirat, das aufgrund von Menschenrechtsverletzungen rund um die WM 2022 im Fokus der Öffentlichkeit gestanden hatte, ist aus dem Weltsport kaum mehr wegzudenken. Allen voran der Katarer Nasser Al-Khelaifi, Boss von Paris St. Germain und Funktionär mit zahlreichen Ämtern, besitzt im europäischen Fußball großen Einfluss. Am Tag des Eröffnungsspiels präsentierte die UEFA die staatliche Fluglinie Qatar Airways als Sponsor.
"Bei uns lösen einige der UEFA-Partner Fassungslosigkeit aus"
Die UEFA teilte auf SID-Anfrage mit, sie nehme ihre gesellschaftliche Verantwortung "voll wahr", allerdings sei sie "eine Konföderation von Fußballverbänden und kein politischer Akteur". Wie bereits in einer gemeinsamen Ankündigung mit dem Deutschen Fußball-Bund (DFB) hervorgehoben worden sei, nehme die UEFA auch "das Thema Menschenrechte sehr ernst", hieß es.
Die Wahl der Sponsoren bleibt dennoch umstritten. Die Verhandlungsposition der UEFA sei "so stark, dass man als lokaler Ausrichter keinen Einfluss darauf hat", sagt Breuer. In diesem Fall die Organisatoren um Turnierchef Philipp Lahm, die sich hohe Nachhaltigkeitsziele gesetzt haben.
Geld regiere aber die Welt, teilte die Fan-Organisation Unsere Kurve mit - und ergänzte kritisch: "Bei uns jedenfalls lösen einige der UEFA-Partner Fassungslosigkeit aus."