Kevin De Bruyne und Co. freuten sich nach Dänemarks höchst emotionalem Spiel eins nach dem Drama um Christian Eriksen nur still über Belgiens vorzeitigen Einzug ins EM-Achtelfinale. Vielmehr huldigten die Roten Teufel nach ihrem 2:1 (0:1)-Erfolg in Kopenhagen mit Respekt und Anerkennung der imponierenden Haltung der "Wikinger" bei der schwierigen, aber letztlich erfolglosen Bewältigung ihres Traumas beim EM-Auftakt.
Torjäger Romelu Lukaku, Eriksens Klubkollege bei Inter Mailand, tröstete einen Dänen nach dem anderen und klopfte Trainer Kasper Hjulmand kameradschaftlich auf die Schulter. Auch Siegtorschütze De Bruyne suchte das Gespräch mit den Gastgebern, die von ihren Fans nach einem furiosen und beherzten Auftritt mit Standing Ovations gefeiert wurden.
Der Leipziger Yussuf Poulsen, der schon nach zwei Minuten für Dänemarks Führung gesorgt hatte, rückte nach der zweiten Vorrundenniederlage die Relationen zurecht: "Es war sehr emotional. Die Stimmung war brutal. Natürlich haben wir Christian im Kopf. Wir sind einfach froh, dass es ihm gut geht. Das ist das A und O", sagte der Bundesliga-Star im ZDF.
Doch ein wenig trauerte auch Poulsen nach der symbolbeladenen Begegnung dem durchaus möglichen Erfolg gegen den WM-Dritten nach: "Wir haben eine super Leistung abgeliefert. Es ist schade, dass wir nichts mitnehmen." Der Dortmunder Thorgan Hazard (55.) und De Bruyne (70.) hatten nach der Pause das Spiel gedreht. "Wir waren geschockt, haben aber Charakter gezeigt", stellte Belgiens Trainer Roberto Martinez fest.
Belgien: Joker De Bruyne sorgt für die Wende
Fünf Tage nach Eriksens Zusammenbruch stand das Spiel unter den Augen von Dänemarks Kronprinz Fredrik und seiner Gattin Mary ganz im Zeichen des Rückhalts für Eriksen: Als Hjulmands Mannschaft zum Aufwärmprogramm ins Parken-Stadion zurückkehrte, erhoben sich alle 25.000 Zuschauer einschließlich der belgischen Anhänger. Bei der Eröffnungszeremonie vor den mit Aufmunterungsbannern für den Star von Inter Mailand behangenen Rängen war Dänemarks ansonsten neutrales Trikot auf dem Rasen mit Eriksens Rückennummer "10" gestaltet, und das belgische Team überreichte den Gastgebern nach dem Einlauf zu "You'll never walk alone" ein von allen Spielern signiertes Trikot mit dem Schriftzug "Gute Besserung".
Direkt nach dem Anpfiff aber schienen die Dänen die Erinnerungen an Eriksens Kollaps buchstäblich wegwirbeln zu wollen, Belgien wirkte völlig überrumpelt. Ehe sich die Roten Teufel auch nur annähernd auf die Offensivpower des Ex-Europameisters einstellen konnten, traf Poulsen. Ihre Führung feierten die "Wikinger" fast genau an der Stelle von Eriksens Zusammenbruch.
Erneut symbolträchtig in der zehnten Minute unterbrachen beide Mannschaften das Spiel und hielten inne: Spieler, Betreuer und alle Zuschauer applaudierten - für Eriksen. "Ich respektiere sie als Männer. Sie haben meinem Freund das Leben gerettet, das weiß ich zu schätzen", sagte Lukaku nach der Partie. "Sie haben heute unglaublichen Charakter gezeigt. Dänemark muss weiter an sich glauben und den Job gegen Russland beenden."
Angetrieben von den frenetischen Fans kaufte Dänemark den favorisierten Belgiern auch danach zunächst weiter den Schneid ab. Selbst Lukaku bekam gegen die dänische Abwehr keinen Stich, stand aber auch zumeist alleine auf weiter Flur.
Das "goldene Händchen" von Martinez drehte die Partie zugunsten des EM-Zweiten von 1980. Vor allem durch De Bruynes Einwechslung nach seinem Augenhöhlen- und Nasenbeinbruch im Champions-League-Finale fanden die Belgier zu gewohnter Stärke zurück. Der Ex-Wolfsburger war bei seinem Turnierdebüt auch prompt Wegbereiter von Hazards Ausgleichstor.
Kurz danach hatten auch die Belgier ihren ganz eigenen emotionalen Moment: Hazards Klubkollege Axel Witsel feierte durch seine Einwechslung nur etwas mehr als fünf Monate nach einem Achillessehnenriss sein Comeback.
Zunehmend gewann Belgiens Starensemble die Kontrolle über das Spiel. Die Dänen hielten zwar weiter tapfer dagegen, konnten aber nicht mehr eine solche Wucht wie in der Anfangsphase der Begegnung entfalten. Auch nach De Bruynes Tor kämpften die Hausherren bis zum Abpfiff um ihren ersten Punkt.
Dänemark - Belgien: Die Aufstellungen
Dänemark: Schmeichel/Leicester City (34/67) - Christensen/FC Chelsea (25/43), Kjaer/AC Mailand (32/109), Vestergaard/FC Southampton (28/24) ab 84. Skov Olsen/FC Bologna (21/8) - Wass/FC Valencia (32/32) ab 61. Stryger/Udinese Calcio (30/38), Höjbjerg/Tottenham Hotspur (25/43), Delaney/Borussia Dortmund (29/56) ab 72. Jensen/FC Brentford (25/8), Maehle/Atalanta Bergamo (24/12) - Braithwaite/FC Barcelona (30/52), Poulsen/RB Leipzig (27/56) ab 61. Norgaard/FC Brentford (27/5), Damsgaard/Sampdoria Genua (20/4) ab 72. Cornelius/Parma Calcio (28/32). - Trainer: Hjulmand
Belgien: Courtois/Real Madrid (29/86) - Alderweireld/Tottenham Hotspur (32/110), Denayer/Olympique Lyon (25/26), Vertonghen/Benfica Lissabon (23/128) - Meunier/Borussia Dortmund (29/49), Dendoncker/Wolverhampton Wanderers (26/19) ab 59. Witsel/Borussia Dortmund (32/110), Tielemans/Leicester City (24/41), Thorgan Hazard/Borussia Dortmund (28/37) ab 90.+4 Vermaelen/Vissel Kobe (35/81) - Mertens/SSC Neapel (32/100) ab 46. De Bruyne/Manchester City (29(81), Carrasco/Atletico Madrid (27/48) ab 59. Eden Hazard/Real Madrid (30/108) - Lukaku/Inter Mailand (28/94). - Trainer: Martinez