SPOX: Herr Baumann, der SC Freiburg spielt nach einer intensiven Saison nächstes Jahr international. Haben Sie schon Zeit gefunden, diese herausragende Spielzeit Revue passieren zu lassen?
Oliver Baumann: Noch nicht wirklich. Aber es wird im neuen Jahr richtig interessant werden. Für Freiburg ist diese Entwicklung sensationell. Wer hätte vor der Saison gedacht, dass wir Fünfter werden und uns sogar noch ärgern, nicht Vierter geworden zu sein? Es war immer mein Ziel, international zu spielen. Ich habe total Bock auf die Europa League.
SPOX: Es wird nun die Doppelbelastung auf den Verein zukommen. Da dürfte es schwierig werden, den Eindruck aus dieser Saison zu bestätigen.
Baumann: Platz fünf müssen wir nicht bestätigen. Wir sollten zusehen, dass wir mit den neuen Begebenheiten ordentlich umgehen. Der Verein wird alles dafür tun, dass die Qualität der Spieler, die uns verlassen, wieder hereingeholt wird. Ich freue mich auf diese neue Erfahrung. Mein Ziel ist, die Gruppenphase der Europa League zu überstehen.
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SPOX: Hätte es sogar mit der CL-Quali geklappt, wäre es mit etwas Glück möglich gewesen, dass ein Verein wie Manchester United im Mage Solar Stadion aufschlägt. Der Europacup wird die Diskussion um ein neues Stadion weiter befeuern. Wie stehen Sie zu diesem Thema?
Baumann: Das aktuelle Stadion hat natürlich viel Charme und Tradition. Trotzdem habe ich auch Lust auf ein neues. Dieses Thema muss irgendwann einmal angegangen werden, allein auch, um konkurrenzfähig zu bleiben. Es geht dabei ja auch um den finanziellen Aspekt. Durch Logen oder weitere Sponsorenpartner bekäme der Verein einfach mehr Geld, was sicherlich hilfreich wäre. Ich fände es allerdings wichtig, wenn man in einem neuen Stadion noch sehen oder fühlen würde, was das alte ausgemacht hat.
SPOX: Durch die Abgänge einiger Stammspieler wird dem Klub prophezeit, dass die Mannschaft auseinanderfallen wird.
Baumann: Es wird darauf ankommen, wie schnell die neuen Spieler unsere Herangehensweise verinnerlichen. Bei Max Kruse hat das sensationell schnell geklappt, Papiss Demba Cisse hat aber beispielsweise ein halbes Jahr gebraucht, bis er das Spielsystem hundertprozentig verstanden hat. Es müssen nun also Spieler gefunden werden, die das so zügig wie Max aufnehmen können. Das kann aber natürlich niemand garantieren. Daher könnte es schon schwierig werden, wenn alle Neuzugänge sechs Monate brauchen sollten.
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SPOX: Zumal auch man von hochgezogenen Spieler aus der Amateur- oder Jugendabteilung nicht verlangen kann, sofort einzuschlagen.
Baumann: Ein jeder braucht seine Zeit. Wir werden diese Jungs aufbauen, aber man kann sie natürlich nicht sofort reinschmeißen und davon ausgehen, dass es gleich perfekt funktioniert. Es wird Negativerlebnisse geben, weil die Situation einfach für alle Beteiligten im Verein neu ist und wir jetzt noch den Wochenend-Rhythmus gewohnt sind. Wir werden offen genug damit umgehen und eben zweimal in der Woche an die Grenzen gehen müssen.
SPOX: Liegt diese Eingewöhnungsproblematik am besonders raffiniertem Spielsystem des SC oder ist sie einfach eine normale Begleiterscheinung, die Neuzugänge generell betrifft?
Baumann: Beides. Wir haben aber schon einen sehr hohen Anspruch, was die Taktik und die Art und Weise, wie wir unser Spiel aufzubauen gedenken, angeht. Da haben die Jugendspieler wiederum einen gewissen Vorteil, weil sie bereits mit der grundsätzlichen Ausrichtung vertraut sind. Für Neuzugänge sehe ich da anfangs schon eine Schwierigkeit. Man muss eben offen für Neues sein. Vegar Hedenstad hat sich beispielsweise sofort hingesetzt und innerhalb von ein paar Wochen Deutsch gelernt. Das hat ihm enorm geholfen, die Abläufe schneller zu verinnerlichen.
SPOX: Sie kennen Christian Streich seit der A-Jugend, nun ist er Ihr Chefcoach. Inwiefern hat er sich unter dem Einfluss des Geschäfts in der Bundesliga verändert?
Baumann: Als Typ kein Stück. Es besteht natürlich ein Unterschied darin, dass er früher Jugendspieler und nun Profis trainiert. Er hat die Trainingseinheiten der höheren Qualität der Spieler angepasst, es sind aber auch viele Elemente dabei, die ich noch das der A-Jugend kenne.
SPOX: Welchen Stellenwert nimmt bei Streich der Mensch im Vergleich zum Fußballer ein?
Baumann: Einen sehr großen. Sobald man nicht mehr zusammen auf dem Trainingsplatz steht, kann man sich mit ihm über viele tolle Themen unterhalten, die sich nicht nur um Fußball drehen. Man kann mit jedem Problem oder Anliegen zu ihm kommen, er ist ein guter Zuhörer.
SPOX: Als Trainer muss man allerdings auch unpopuläre Maßnahmen treffen. Wie hart kann Streich sein?
Baumann: Er ist vor allem sehr ehrlich. Er kann schon Druck an die Spieler abgeben und ist knallhart dahinter, um einen Spieler anzutreiben und besser zu machen. Das kann schon hart rüberkommen, aber es ist wie gesagt ehrlich. Er redet dann nicht um den heißen Brei herum, sondern äußert seine Sicht der Dinge ungeschönt, um den Einzelnen weiter zu bringen. Ich komme mit dieser Art sehr gut klar.
SPOX: Freiburg hat als Bundesligastandort seit jeher das Image, besonders beschaulich daher zu kommen. Wie viel Wahrheit steckt eigentlich darin?
Baumann: Wir haben sicherlich nicht diesen Medienrummel, den man von anderen Vereinen kennt. Es gibt hier eben im Grunde nur eine lokale Tageszeitung. Deshalb entsteht dieser Eindruck, dass wir es hier ruhiger haben. Auf dem Platz sieht das aber natürlich anders aus, ich glaube wir trainieren mehr als andere (lacht). In Freiburg ist es als Profi jedenfalls nicht relaxed oder so etwas.
SPOX: Denken Sie, Sie würden als Spieler anders funktionieren, wenn der Druck der Medien in Freiburg größer wäre?
Baumann: Ich hoffe nicht. Ich kenne es ja nicht anders, aber das wird wohl eine Gewöhnungssache ein. Ich selbst lese sowieso nicht nach, was über mich geschrieben wird oder welche Noten ich für meine Leistungen bekomme. Das interessiert mich nicht. Die Medienvertreter können zwar schon richtig Ahnung haben, besitzen allerdings keine Trainerausbildung. Für einen Spieler ist es daher sinnvoll, sich nur daran zu halten, was die Trainer zu einem sagen und sich nicht mit dem zu beschäftigen, was über einen geschrieben wird.
SPOX: Sie haben einmal gesagt, Sie möchten mit Ihrem Torwartspiel in die Richtung von Rene Adler und Jens Lehmann gehen. An welchem Punkt befinden Sie sich gerade?
Baumann: Ich denke, dass ich durch die Verbesserung meiner Technik und meines offensiven Spielstils Schritte in ihre Richtung gemacht habe. Die Ruhe, die beide ausstrahlen, wird meiner Ansicht nach mit der Zeit kommen. Es ist als Torhüter grundsätzlich sehr schwierig, Perfektion zu erlangen. Es kommen immer wieder neue und unvorhergesehene Situationen auf einen zu, auf die man dann reagieren muss.
SPOX: Sie werden nun die nächsten Wochen bei der U 21 mit einer Mannschaft zusammen sein, die sich nur alle paar Woche trifft. Wie "anders" fühlt sich denn ein solches Zusammentreffen im Vergleich zur Vereinsmannschaft an?
Baumann: Obwohl man die Jungs ja schon lange genug kennt, ist es schon etwas komisch, da ja jeder vom Heimatverein eine andere Taktik gewohnt ist. Die steckt in den Köpfen und wird von jedem Einzelnen auch mit zur U 21 gebracht. Man muss schnell umschalten können, um sich die Herangehensweise, die hier favorisiert wird, einzuverleiben und zu automatisieren. Es dauert meistens ein paar Tage, das im Kopf Abgespeicherte wieder hervor zu kramen. Dank der Ansprachen des Trainers und der Videositzungen wird das einem aber auch vereinfacht.
SPOX: Sie streiten sich mit Leverkusens Bernd Leno, der in den vergangenen Partien die Nase ein wenig vorne hatte, um den Platz zwischen den Pfosten. Wie bewerten Sie diesen Zweikampf?
Baumann: Letztlich bestehen zwischen uns nur geringe Unterschiede. Manche davon werden für den Trainer am Ende den Ausschlag geben. Mir bleibt nichts anderes übrig, als im Training Vollgas zu geben und zu hoffen, dass ich der Glückliche sein und zwischen den Pfosten stehen werde.
SPOX: Holland, Spanien und Russland sind nicht nur auf dem Papier harte Gruppengegner. Hatten Sie schon Gelegenheit, sich über diese Gegner zu informieren oder reicht das quasi kurz vor Schluss?
Baumann: Man kann sich im Internet schon vorab mal informieren, welche Spieler im jeweiligen Kader auftauchen könnten. Es bleibt aber nicht die Zeit, sich Spiele dieser Teams über 90 Minuten anzuschauen. Die Detailarbeit folgt in der Vorbereitung. Wir haben hier Mitarbeiter, die sich die Gegner auf Video angesehen haben und uns die wichtigsten Informationen zusammenschneiden. Ich bin zuversichtlich, dass wir die Spiele mit diesem Wissen erfolgreich bestreiten werden.
Oliver Baumann im Steckbrief