Nach dem enttäuschenden Aus in der Vorrunde sparte auch Staatspräsident Petro Poroschenko nicht mit Kritik an der ukrainischen Mannschaft. "Ich habe mir mehr erwartet", erklärte er nach dem 0:1 (0:0) gegen Polen im abschließenden EM-Gruppenspiel. "Die einzigen, die heute 100 Prozent gegeben haben", ergänzte Poroschenko, "waren die Fans."
Obwohl sie bereits ausgeschieden waren, konnte man den Ukrainern gegen Polen den Willen zum Sieg nicht absprechen. Doch insgesamt war die EM für die Gelb-Blauen zum Vergessen: null Punkte, null Tore - letzter Platz in der deutschen Gruppe C.
Das Ziel, dem eigenen Land in der aktuell so schwierigen politischen Situation zumindest ein bisschen Freude, Ablenkung und Hoffnung zu geben - es wurde nicht einmal ansatzweise erreicht. In der Heimat gab es dafür nicht nur vom Staatspräsidenten Kritik. Die Medien sprachen von teilweise desaströsem Auftreten.
Wohl keine EM-Teilnahme eines Landes war so politisch aufgeladen gewesen. Für das Team von Trainer Michail Fomenko ging es um viel mehr als "nur" Fußball. Seit 2014 herrscht im Osten der Ukraine Krieg zwischen prorussischen Separatisten und Truppen der Regierung in Kiew. Die Annektion der Krim durch Russland trägt zusätzlich zur Spannung bei.
Massenrangelei im Team
Die Mannschaft sollte ein Symbol für die Einheit des zerrissenen Landes abgeben. Die Last auf den Schultern der Spieler war zu groß, ebenso die Gräben auch innerhalb des Teams. "Fußball in der Ukraine steht nicht außerhalb des normalen Lebens. Wir haben eine schwierige Zeit in unserem Land. Und der Fußball wird davon auch beeinflusst", hatte Fomenko schon vor der Niederlage gegen Polen erklärt.
Die Auseinandersetzung im Vorfeld des Turniers zwischen Andrej Jarmolenko von Dynamo Kiew und Taras Stepanenko von Schachtjor Donezk tat ihr Übriges. Jarmolenko hatte seinen Mitspieler in der Nationalmannschaft bei einem Ligaspiel böse niedergestreckt, es folgten: Massenrangelei auf dem Feld, die Aufkündigung der Freundschaft durch Stepanenko und eine öffentliche Entschuldigung Jarmolenkos.
Viel Arbeit nötig
"Dieser Vorfall hat es nicht einfacher für das Team gemacht, zusammenzustehen. Wir haben alles versucht, aber wir sind dieses Problem nicht losgeworden", sagte Fomenko. Bei der EM enttäuschte Hoffnungsträger Jarmolenko genauso wie der Rest der Mannschaft.
Nun dürfte ein grundlegender Schnitt folgen. Fomenko, immerhin schon 67, dürfte dabei keine Rolle mehr spielen. Mal mehr, mal weniger offen zeigte er sich zum Rücktritt bereit. Offiziell soll erst eine Analyse der EM folgen, doch die dürfte nicht sehr positiv ausfallen. Schon jetzt wird über den Nachfolger spekuliert. Fußball-Idol Andrej Schwetschenko, bei der EM bereits als Co-Trainer dabei, gilt als einer der heißen Kandidaten.
Nur: Mit einem Trainerwechsel alleine sind die Probleme nicht gelöst. Nicht einmal ansatzweise. "Wir müssen den Leistungsabfall in der ukrainischen Liga stoppen", erklärte Fomenko: "Dafür ist aber eine ganze Menge Arbeit nötig." Und Einigkeit.
Ukraine - Polen: Die Statistik zum Spiel