Gianluigi Buffon (34, Juventus Turin)
Neben De Rossi und Pirlo letzter Verbliebener der Weltmeisterelf von 2006. Genialer Torhüter und angeblich leidenschaftlicher Zocker. Wurde mit dem jüngsten Wettskandal im italienischen Profi-Fußball in Verbindung gebracht. Buffon trägt sein Herz auf der Zunge und hält gerne philosophisch anmutende Reden. Manchmal schießt er übers Ziel hinaus, wie vor ein paar Wochen, als er die Ermittlungen im Wettskandal mit einer pikanten Bemerkung versah, gegen Saisonende seien Absprachen zwischen Vereinen über ein Unentschieden normal: "Lieber zwei Verletzte als ein Toter."
Giorgio Chiellini (27, Juventus Turin)
Der Juve-Spieler wird aller Voraussicht nach wieder hinten links verteidigen - ein kleines Wunder nach seiner im dritten Vorrundenspiel gegen Irland erlittenen Oberschenkelverletzung. Chiellini gehört mit Buffon und De Rossi zur Gruppe der emotional leader. "Er hat ein absolutes Kämpferherz und zerreißt sich für die Mannschaft. Zweikämpfe gegen ihn sind nicht gerade ein Vergnügen", sagt Alex Merkel. Trotzdem gibt es in Chiellinis Leben nicht nur Fußball. Im letzten Jahr schloss er ein Wirtschaftsstudium erfolgreich ab.
Leonardo Bonucci (25, Juventus Turin)
Wurde vor Turnierbeginn mit dem Wettskandal in Verbindung gebracht, von Trainer Cesare Prandelli aber in Schutz genommen: "Es gibt überhaupt keine Beweise gegen Leonardo. Ich zähle voll auf ihn. Er hat einen sehr starken Charakter und wird sich davon nicht beeindrucken lassen." Bonucci ist der Mann in der Viererkette mit der besten Spieleröffnung. Wenn Andrea Pirlo manngedeckt wird, ist er es, der die Bälle - nicht selten ohne Risiko - von hinten raus verteilt. Ein Typ wie Mats Hummels. Alex Merkel: "Bonucci hat große Teamplayer-Qualitäten. Er hat Balotelli vor einer Dummheit bewahrt, als er ihm nach dessen Tor gegen Irland den Mund zugehalten hat."
Andrea Barzagli (31, Juventus Turin)
Italiens wichtigster Spieler der Viererkette. Spielte eine sehr starke Saison für Juve und ist unverzichtbar für Prandelli. Obwohl klar war, dass er wegen einer Wadenverletzung für mindestens die ersten beiden EM-Spiele ausfallen würde, stand seine Kadernominierung für Prandelli außer Frage. "Ein zuverlässiger und kompromissloser Innenverteidiger", so Alex Merkel.
Ignazio Abate (25, AC Milan)
Mr. Unknown in der Startelf der Squadra Azzurra. Ein Milan-Eigengewächs, das ursprünglich offensiver Außenspieler war. Als Prandelli von Dreier- auf Viererkette umstellte, war Abate sein Mann, da Christian Maggio im Verein bei Napoli nur Dreierkette gewöhnt ist. Alex Merkel: "Ein Kollege aus Milan-Zeiten. Schneller Rechtsverteidiger, der gute Flanken schlägt." Gegen England drückte er Ashley Cole mit vielen Flankenläufen in die Defensive.
Daniele De Rossi (28, AS Rom)
Römer, Gladiator, Führungsspieler. Immer wieder wurde De Rossi in den letzten Jahren von europäischen Topklubs geködert, lehnte aber stets ab. Er ist der capitan futuro bei der Roma, der legitime Nachfolger von Heiligtum Francesco Totti. Widmete früher seine Tore seinem Schwiegervater, einem Bankräuber, der 2008 von der Mafia erschossen wurde. Spielt mit einem kurzen und langen Ärmel. Nicht, wie fälschlicherweise behauptet wird, weil er ein Tattoo verstecken will, sondern aus Aberglaube. De Rossi musste nach einer Armverletzung eine Schiene tragen und bekam das Trikot nicht drüber. Er gewann das Spiel und seitdem trägt er halb kurz, halb lang.
Andrea Pirlo (33, Juventus Turin)
"Um ihn zu beschreiben, braucht man nicht viele Worte: Pirlo IST Fußball. Er ist ein großartiger Techniker, der immer schon weiß, was er machen will, bevor der Ball überhaupt bei ihm ist", sagt Merkel. Pirlo lenkt das Spiel der Azzurri mit unnachahmlicher Lässigkeit und schlichter Eleganz, sieht dabei aber immer aus, als würde er gleich einschlafen. Einen Skandal um Pirlo können auch die fiesesten Boulevard-Blätter Italiens nicht berichten. Ex-Milan-Kollege Gennaro Gattuso titulierte Pirlo aber mal als "Kabinenscherzkeks".
Claudio Marchisio (26, Juventus Turin)
Juve-Urgestein und wie De Rossi in Rom capitan futuro bei der Alten Dame. Der gebürtige Turiner ist der laufstärkste Spieler der Squadra und wird in der Heimat gerne mit 82er-Weltmeister Marco Tardelli verglichen. Prandelli schätzt an Marchisio dessen "Piedi buoni", die guten Füße. Der Trainer fordert von seinen Mittelfeldspielern, dass sie sich nicht nur die Lunge aus dem Leib rennen, sondern auch alle vernünftig mit dem Ball umgehen können. Vorteil Marchisio - er kann beides. "Er steht nicht im Mittelpunkt, weil er nicht so auffällig spielt. Aber er ist umso wichtiger, weil er sehr viel Laufarbeit für Pirlo mitmacht", sagte Merkel.
Riccardo Montolivo (27, AC Florenz, wechselt zu Milan)
Der Deutsch-Italiener hat eine schwierige Saison hinter sich. Lehnte früh eine Vertragsverlängerung ab und brachte damit die Fiorentina-Fans gegen sich auf. Spaltet generell die Tifosi. Wird wegen seiner hin und wieder zur Schau gestellten Behäbigkeit nicht überall geliebt; an schlechten Tagen ist Montolivo nicht zu gebrauchen. An guten Tagen kann er aber ähnlich genial kicken wie Pirlo. Alex Merkel sagt: "Ein technisch versierter Spieler mit einem guten Auge. Hat gegen England mit guten Pässen für Belebung gesorgt und Pirlo im Spielaufbau entlastet."
Antonio Cassano (29, AC Milan)
Enfant terrible I und selbsternannter Sex-Protz ("Ich hatte 700 Frauen"). Hält sich nicht gerne an Regeln; kam früher regelmäßig zu spät oder gar nicht zum Training. Fiel zu EM-Beginn mit seiner Aussage ("Ich hoffe, keine Schwuchtel in meiner Mannschaft zu haben") auf und durch. Legendär ist sein Satz anlässlich der Veröffentlichung seiner Biographie: "Ich bin der erste Mensch, der mehr Bücher geschrieben als gelesen hat." Sportlich hat er geniale Qualitäten: trickreich, schnell, torgefährlich. Wie Barzagli absolut unverzichtbar für Prandelli. Musste im November 2011 am Herzen operiert werden. Prandelli ließ für ihn bis zuletzt einen Platz im EM-Kader frei.
Mario Balotelli (21, Manchester City)
Enfant terrible II. Warf Dartpfeile auf Nachwuchsspieler und fackelte mit einem Feuerzeug ein halbes Haus ab. Kassierte in der letzten Saison vier Rote Karten bei ManCity. Wie Cassano aber auch ein richtig guter Stürmer. Beschäftigte gegen England Terry und Co. 120 Minuten lang, vergab aber auch viele Chancen. "Mario ist ein Wahnsinnstyp! Verrückt, aber ein großartiger Kerl", sagt Merkel. In Manchester verschenkt Balotelli Geld an Odachlose oder lädt spontan mal sämtliche Gäste in einem Cafe ein.
Federico Balzaretti (30, US Palermo)
Alternative für Linksverteidiger Chiellini, sollte der doch nicht von Beginn an spielen können. Zeigte in der Vorrunde gute Leistungen. Offensiv orientierter Verteidiger, der mit Technik und Geschwindigkeit überzeugt. Spielt noch bei Palermo, wird aber von mehreren Serie-A-Klubs, darunter Milan und Napoli, umworben. Ist mit einer Ballerina der Pariser Oper verheiratet.
Antonio Di Natale (34, Udinese Calcio)
29, 28, 23 - Di Natales Ligatorekonten der letzten drei Jahre. Gegenentwurf zu Balotelli und Cassano. Liebt das ruhige Leben im Friaul, wo er eine Eisdiele besitzt. Erzeilte gegen Spanien das erste Turniertor der Italiener. Exzellenter Konterstürmer, mit seinen 34 noch ziemlich schnell. "Ein Phänomen. Ein absoluter Tor-Garant, weil er vor dem Tor eiskalt ist", sagt Merkel.
Alessandro Diamanti (29, FC Bologna)
Spielte vor wenigen Jahren noch vierte Liga. War schon über seine Kader-Nominierung hellauf begeistert und durfte im Viertelfinale die Franzosen mit seinem Elfmeter aus dem Turnier kicken.
Antonio Nocerino (27, AC Milan)
Alternative für Montolivo im Mittelfeld. Letzte Saison einer der torgefährlichsten Mittelfeldspieler der Serie A (10 Treffer). Versteht sich bei Milan blind mit Zlatan Ibrahimovic. Geht gerne in die Tiefe.
Italiens kompletter EM-Kader im Überblick