Mechaniker mit zweitem Standbein

Christian Günter erzielte im November 2014 gegen Schalke sein erstes Bundesligator
© getty

Christian Günter ist einer der Dauerbrenner der Liga und gilt als Perspektiv-Spieler von Joachim Löw. Mit der Vertragsverlängerung vor dem Pokalspiel gegen Wolfsburg (ab 19.00 Uhr im LIVE-TICKER) erklimmt der Linksverteidiger die nächste Stufe der Karriereleiter. Der Weg dorthin war steinig. In der Jugend saß er stundenlang im Auto und pendelte zum Training, da er unbedingt seine Berufsausbildung abschließend wollte. Ein Fakt, der ihm heutzutage hilft.

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Selbst Christian Streich hatte Probleme, seinen Schützling zu beschreiben. "Sehen Sie, das ist doch schön, wenn ein Bub...", begann der SC-Coach seinen Satz und unterbrach dann abrupt. Irgendetwas schien ihn an seinem eben Gesprochenen zu stören. "Wobei, Entschuldigung, Bub ist falsch. Er ist ja ein junger Mann", korrigierte Streich und verhedderte sich weiter. Das, was er eigentlich sagen wollte, rutschte in den Hintergrund.

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Also startete Streich einen neuen Anlauf. Das Schöne sei ja, dass "der junge Mann" direkt aus der Fußballschule zu den Profis gewechselte ist und nicht den Umweg über die Amateure genommen hat. Es sei eine bewusste Entscheidung gewesen, Christian Günter direkt ins Profiteam zu nehmen. Schließlich kennt der SC-Coach den heute 22-Jährigen gut, trainierte ihn bereits in der Jugend.

Er wirkt wie ein strenger Vater, wenn er über Günter redet. Mahnend hebt er den Zeigefinger: "Dass das aber klar ist: Christian Günter ist trotz seines Einsatzes noch kein Bundesligaspieler." Er habe alle Voraussetzungen dafür, aber man wisse nicht, wo sein Weg hingehe. Diese Aussagen sind nun gut zwei Jahre her.

Paradebeispiel für Freiburg

Inzwischen ist Günter aus dem System von Streich nicht mehr wegzudenken. In der aktuellen Saison bestritt Günter als einer von nur zehn Feldspielern in der Bundesliga alle Ligaspiele.

Und das, obwohl ihm viele ob der großen Konkurrenz beim SC Freiburg mit Riether, Sorg und Mujdza auf den Außenpositionen in der Viererkette eine schwere Saison vorausgesagt hatten. Auch in der U21-Nationalmannschaft hat Günter sich längst einen Stammplatz erkämpft und im Frühling 2014 beim Länderspiel gegen Polen sogar im Kader von Löw sein Debüt gegeben.

Von der Einstellung her ist Günter ein Spieler nach dem Geschmack von Streich: Ein emsiger Kicker aus der eigenen Jugend, auf dem Boden geblieben und tief in der Heimat verwurzelt. Ein Paradebeispiel für die Freiburger Nachwuchsschule und die kaum vorhandenen Barrieren zwischen der Jugend und dem Profikader.

Ausbildung zum Industriemechaniker

Bereits 2006 kam der damals 14-Jährige zum SC und durchlief seitdem sämtliche Jugenden. Dennoch blieb Günter bei seinen Eltern im heimischen Tennenbronn wohnen und pendelte täglich 70 Kilometer zum SC-Trainingsgelände. Vor allem, weil er bei seiner Familie bleiben und seine Ausbildung zum Industriemechaniker unbedingt zu Ende machen wollte.

"Es ist immer wichtig zu wissen, dass man ein Stück weit abgesichert ist. Es ist gut, ein zweites Standbein zu haben. Man weiß im Fußball schließlich nie, was irgendwann mal passiert. Vielleicht kommen beispielsweise schwere Verletzung dazwischen", so Günter gegenüber SPOX.

Ehrlich gibt er zu, dass er sich zwischenzeitlich schon seine Gedanken gemacht hat, ob sich der ganze Aufwand lohne. Vor allem in Zeiten, in denen er fast gar nicht zum Einsatz kam. Gerne hätte er mehr Zeit mit Freunden verbracht, meint er. Doch an den trainingsfreien Tagen ist er schließlich mit seinem Dad auf den Fußballplatz gegangen, um Flanken und Freistöße zu üben.

Streichs Lieblingsschüler

"Es war so, dass ich in der Realschule war bzw. später sieben Stunden gearbeitet habe und fünf Mal wöchentlich eine Stunde ins Training gefahren bin. Ich bin morgens um sechs Uhr aufgestanden und hab bis vier Uhr gearbeitet. Danach ging's ins Training. Um 22 Uhr war ich wieder zu Hause. Eigentlich war ich also den ganzen Tag unterwegs", erzählt der 22-Jährige. Eine Zeit, die ihn bis heute prägt. "Natürlich hilft einem das jetzt weiter. Man ist stressresistenter und kann das Leben als Fußballer noch mehr genießen", so der staksig wirkende Linksverteidiger weiter.

Zudem könne er jetzt ein wenig länger schlafen, erklärt er augenzwinkernd. Auch Arbeiter Streich schätzt diese Qualitäten Günters. Immer wieder lobt der Freiburger Trainer die grundsätzliche Einstellung Günters und "seine Art und Weise, Professionalität zu leben".

"Wenn man beim SC in der Jugend spielt und nebenher eine Berufsausbildung macht, dann sagt das viel über den Charakter. Da gibt's nur noch essen und schlafen. Das hat er drei Jahre gemacht. Der ist nicht so schnell gestresst von dem Leben, das er jetzt gerade hat", erklärt Streich.

Erneuter Einzug ins Pokal-Halbfinale?

Anders als noch in den Jahren der Ausbildung hat Günter aktuell Planungssicherheit. Vor dem Bundesligaspiel gegen Köln gab der SC Freiburg die Vertragsverlängerung mit dem Linksverteidiger bekannt. Wenige Spieltage vor Schluss und mitten im Abstiegskampf ein Zeichen der Treue.

"Ich war schon früher SC-Fan und lebe hier meinen Traum. Es passt einfach alles und ich sehe hier die beste Perspektive, mich noch weiter zu entwickeln. Ich habe gemeinsam mit dem Verein noch viel vor", erklärt der 22-Jährige. In naher Zukunft bedeutet das übersetzt zunächst den Klassenerhalt zu sichern sowie mit einem Sieg gegen Wolfsburg (ab 19.00 Uhr im LIVE-TICKER) nach 2013 erneut ins DFB-Pokalhalbfinale einzuziehen.

Mit der Verlängerung des Vertrages erklimmt Günter die nächste kleine Sprosse auf der Karriereleiter. Trotz der Verbundenheit zum Klub und zur Region, betont auch der Linksverteidiger immer wieder, dass der SC letztlich "ein Ausbildungsverein" sei. Matthias Ginter habe als jüngstes Beispiel gezeigt, wo die Reise von Freiburg aus hingehen kann.

Bundesligaspieler ist Günter inzwischen. Spätestens mit einem Wechsel zu einem Topklub wird er dann auch nicht mehr der Bub aus Tennenbronn sein.

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