"Kein Duo, um das uns die ganze Welt beneidet"

SID
Karlheinz Förster bestritt 81 Länderspiele für die deutsche Nationalmannschaft

Europameister 1980, Vize-Weltmeister 1982 und 1986, einmal deutscher Meister und 81 Länderspiele: Karlheinz Förster hat in seinem Fußballer-Leben große Erfolge gefeiert - er galt sogar als einer der besten Vorstopper der Welt. Sein Spitzname: Der Treter mit dem Engelsgesicht. Bei der WM in Südafrika ist der 51-Jährige der SPOX-WM-Experte. In seiner zweiten Kolumne geht es um Försters Spezialgebiet: die Innenverteidigung.

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Hallo Fußball-Fans,

so langsam kann man hier in Deutschland wieder eine richtige Fußball-Euphorie spüren, das WM-Fieber steigt fast stündlich. Egal, wo ich auch hinkomme - überall wird über die Nationalmannschaft diskutiert. Joachim Löw hat sich ja auch schon auf eine Startformation festgelegt, zumindest in der Innenverteidigung. Dort werden Per Mertesacker und Arne Friedrich auflaufen.

Das ist für mich als ehemaligen Abwehrspieler naturgemäß der Mannschaftsteil, den ich am intensivsten verfolge. Auch wenn sich das Anforderungsprofil für diese Position in den vergangenen 20 Jahren verändert hat. Ich hatte damals noch einen direkten Gegenspieler, viel mehr Eins-gegen-eins-Situationen und vor allem eine Maßgabe: die gegnerischen Stürmer sollten kein Tor machen. Für den Rest waren eher die Mitspieler verantwortlich.

Heutzutage müssen die Innenverteidiger verschieben, eine Partie noch besser als früher lesen können und sich aktiv am Spielaufbau beteiligen. Das beste Beispiel ist Per Mertesacker. Er wäre zu meiner Zeit sicher nicht als Vorstopper, sondern als Libero aufgelaufen. Als einer, der technisch beschlagen, aber doch robust genug für den letzten Zweikampf ist.

Mertesacker wird nie hektisch

Mertesacker ist übrigens auch der einzige deutsche Innenverteidiger, der seine internationale Klasse auf dieser Position schon hinreichend nachgewiesen hat. Er weiß, worauf es in den entscheidenden Momenten ankommt - und er bleibt cool dabei. Ich habe es jedenfalls so gut wie noch nie erlebt, dass er hektisch geworden wäre. Das ist ein ganz wichtiges Signal an die Mitspieler.

Sie müssen das Gefühl haben, dass da hinten einer steht, der das Kind schon schaukeln wird. Das gibt der ganzen Mannschaft Sicherheit. Mit seiner Größe ist Mertesacker vor allem im Kopfball eine echte Waffe. Die Lufthoheit hat allerdings auch einen biologisch begründeten Preis: Wenn es Mertesacker mit kleinen, wendigen Stürmern zu tun bekommt, hat er immer wieder Probleme.

Da sehe ich bei Arne Friedrich leichte Vorteile. Er ist schnell und zweikampfstark. Ich habe in meiner ersten Kolumne ja geschrieben, dass ich Serdar Tasci als Partner von Mertesacker bevorzugen würde. Aber ich gebe zu, dass das auch mit alter schwäbischer Verbundenheit zu tun hat.

Solide, deutsche Wertarbeit

Rein leistungsmäßig kann man genauso gut Friedrich aufstellen. Er hat seine Qualitäten, bei Hertha trotz des Abstiegs in der Innenverteidigung eine gute Rückrunde gespielt und schon WM-Erfahrung, wenn auch auf der rechten Abwehrseite.

Aber wenn Sie mich jetzt fragen: Hält eine Innenverteidigung Per Mertesacker/Arne Friedrich jedem Ansturm stand? Können die zwei auch Weltklassestürmer stoppen? Dann muss ich antworten: Vielleicht - vielleicht aber auch nicht. Ein Abwehrduo, um das uns die ganze Welt beneidet, sind die zwei jedenfalls nicht. Eher solide, deutsche Wertarbeit. Was das wert ist, wird sich wohl auch noch nicht gegen Australien zeigen, sondern gegen Gegner, die andere Ansprüche haben.

Ganz entscheidend wird sein, wie stark die Unterstützung aus dem Mittelfeld ist. Dort spielen zentral Sami Khedira und Bastian Schweinsteiger. Beide schätze ich sehr, das sind feine Fußballer. Aber ich persönlich hätte dort trotzdem gerne einen Spieler gesehen, der kompromisslos dazwischenfegt. Einer, der dem Gegner weh tut, vor dem sie vielleicht auch ein bisschen Angst haben.

Und da gelange ich zwangsläufig wieder zu einem Namen, der in den vergangenen Wochen schon rauf- und runterdiskutiert worden ist: Torsten Frings. Er hätte der Mannschaft im Allgemeinen und der Innenverteidigung im Besonderen gut getan. Aber Joachim Löw hat sich für die spielerisch elegantere Lösung entschieden.

Warum nicht Boateng?

Auch weil er diese Art von Fußball bevorzugt, hatte ich mit der Aufstellung von Tasci neben Mertesacker gerechnet. Serdar verfügt über ein ausgezeichnetes Stellungsspiel, über ein großes taktisches Verständnis - und über eine Technik, bei der man nicht Angst haben muss, dass der Ball gleich kaputtgeht. Doch jetzt folgt das "Aber": Aber er hat noch Schwächen im Zweikampf und immer wieder Unkonzentriertheiten in seinem Spiel.

Über wen auf dieser Position fast gar nicht diskutiert wird, ist Jerome Boateng. Das finde ich alleine deshalb etwas verwunderlich, weil er beim EM-Gewinn der U 21 ein überragendes Turnier gespielt hat - als Innenverteidiger. Er bringt alles mit, was es für eine große Karriere auf dieser Position braucht: Er ist schnell, zweikampf- und kopfballstark, taktisch gut ausgebildet und technisch versiert. Was ihm fehlt, ist Konstanz und Erfahrung auf höchstem Niveau. Aber ihm gehört die Zukunft.

Das gilt auch für Benedikt Höwedes, den ich schon jetzt sehr gerne im Kader gesehen hätte. Er ist ein Spielertyp, wie ihn Löw sonst nicht in der Mannschaft hat. Denn der Schalker ist vor allem eines: absolut kompromisslos im Duell Mann gegen Mann. Kurzum: Mit jungen Spielern wie Tasci, Boateng, Höwedes oder auch dem Dortmunder Mats Hummels müssen wir uns um die Zukunft keine Sorgen machen.

Puyol gegen den Flutlichtmasten

Doch Weltklasse ist noch keiner von ihnen. Dort setzen andere die Maßstäbe, das werden die deutschen Stürmer wahrscheinlich schon im zweiten Gruppenspiel hautnah zu spüren bekommen. Dann treffen sie auf Serbiens Nemanja Vidic, einen überragenden Innenverteidiger. Auch Brasiliens Lucio, Argentiniens Walter Samuel und Spaniens Carles Puyol gefallen mir sehr gut.

Vor allem bei Puyol ist das auf den ersten Blick  alles andere als selbstverständlich. Er ist weder groß, noch sonderlich robust. Man könnte meinen, der Kerl könne kein Wässerchen trüben. Aber wehe, er steckt in einem Trikot. Dann geht es rund. Puyol ist einer jener Spieler, die auch den Flutlichtmasten umgrätschen, wenn Not am Mann ist.

Und vielleicht ist das ein wenig das Fazit zum Thema idealer Innenverteidiger: Natürlich ist es heutzutage wichtig, technische Qualitäten für die Spieleröffnung zu besitzen. Aber am Ende des Tages zählt vor allem eines: dass kein Gegentor kassiert wird. Und dafür ist eine ausgeprägte Zweikampfstärke das A und O.

Bis zum nächsten Mal.

Euer Karlheinz Förster

 

 

 

 

 

Karlheinz Förster, geboren am 25. Juli 1958 in Mosbach, gilt als einer der besten deutschen Abwehrspieler aller Zeiten. Der heute 51-Jährige startete seine Profi-Karriere 1977 beim VfB Stuttgart, mit dem er 1984 deutscher Meister wurde. 1986 führte ihn sein Weg nach Frankreich zu Olympique Marseille. Nach seiner aktiven Laufbahn war er u.a. für den VfB Stuttgart als Manager tätig, aktuell arbeitet er als Spielerberater.

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