"Ich bin überzeugt, dass wir eine Mannschaft haben, die in anderthalb Jahren um den Titel mitspielen kann", sagte der 62-Jährige: "Wir dürfen uns nicht kleiner machen als wir sind. Wenn ich diesen Kader sehe, werden wir eine gute EM spielen. Da bin ich mir sicher. Aber das kommt natürlich nicht von alleine."
Von der reinen Qualität brauche sich Deutschland nicht vor Weltmeister Argentinien oder dem WM-Dritten Kroatien verstecken. Und doch müsse sich die Mannschaft an diesen Nationen ein Beispiel nehmen, wie diese die Fans hinter sich vereint haben. "Wir haben richtig dolle Spieler. Beim Teamspirit, da haben sicher ein paar Prozent gefehlt. Der letzte Funke, der dann auch nicht zu den Zuschauern rüberschwappt" so Völler: "Deshalb hatten wir es auch nicht verdient."
Es gelte über "gute Leistungen, die Zuschauer zurückzugewinnen", so der Weltmeister von 1990 weiter: "Man muss merken, dass jeder sich von der ersten bis zur letzten Minute auspowert. Eine gewisse Leidenschaft, den Willen, jeden Ball zu verteidigen." Auch wenn die DFB-Elf angesichts einiger Mängel in der Ausbildung der vergangenen Jahr "auf einigen Positionen nicht mehr so gut besetzt" sei, habe Deutschland immer noch eine "sehr gute Mannschaft".
Rudi Völler sorgt sich um Zukunft des deutschen Fußballs
Völler sorgt sich zudem um die langfristige Zukunft des deutschen Fußballs - und nimmt auch die Vereine in die Pflicht. "Ich bin total optimistisch, dass wir mit diesen Spielern erfolgreich sein können. Was problematisch sein wird, ist, wie es in sechs, acht oder zehn Jahre sein wird", sagte er: "Die nächsten Jahre werden wir noch eine wunderbare Mannschaft haben, aber dann mache ich mir Sorgen."
Die alleinige Verantwortung für zukünftige Erfolge liege aber nicht allein beim DFB sondern auch bei den Vereinen. "Es ist nicht immer nur der DFB Schuld. Es sind auch die Vereine in der Verantwortung", erklärte Völler.
Diesen "Schulterschluss" könne es aber nur geben, "wenn all zusammenarbeiten". Deshalb zähle es für Völler auch zu den Hauptaufgaben, "mich mit den Bundesligaklubs" abzustimmen. Gerade in den vergangenen Jahren sei "nicht so ausgebildet" worden, dass "richtig gute Spieler entwickelt worden sind", sagte der Weltmeister von 1990.
Rudi Völler: "Ich war erstmal nicht so richtig überzeugt"
Rudi Völler gestand außerdem, dass er auf das Engagement als Sportchef beim DFB anfangs keine große Lust hatte. "Ich wollte es zu Beginn nicht unbedingt machen. Auf einmal haben mich alle angeguckt, ob ich es machen könnte. Ich war erstmal nicht so richtig überzeugt. Aber ich habe mich überzeugen lassen, dass es für diese Zeit eine gute Lösung ist."
Der Hauptgrund sei für ihn das Heimturnier 2024. "Ich will für diese 18 Monate mit meiner Erfahrung Input geben und helfen, eine erfolgreiche EM zu spielen", führte Völler aus: "Ich gehe mit sehr viel Elan und Freude an die Aufgabe." Diese sei allerdings zeitlich klar auf das Ende der EM begrenzt. "Es ist mein Plan, dass ich es nicht länger mache", stellte der Weltmeister von 1990 klar.
Er wolle dafür sorgen, dass sich die Nationalmannschaft wieder "volksnäher" präsentiere. "Wie das aussieht, wird man sehen. Man kann das Rad nicht zurückdrehen auf vor 30, 40 Jahren. Aber man kann schon einige Sachen anpassen", betonte Völler. Er bilde sich nicht ein, "die ganzen Strukturen beim DFB ändern zu können. Da sind sicher Jüngere berufen. Aber ich kann meine Meinung dazu sagen", so der langjährige Funktionär von Bayer Leverkusen.
Auch DFB-Präsident Bernd Neuendorf betonte bei der Berufung von Völler die "absolute Fokussierung auf die Euro. Das war eine wichtige Weichenstellung. Denn er verfügt nicht nur über Sachverstand, sondern mit ihm ist eine gute Vertrauensbasis möglich." Er persönlich unterscheide "nicht in jung und alt, es gibt nur gut und schlecht", so DFB-Vize Hans-Joachim Watzke, "und Rudi ist sehr gut."