WM 1982 in Spanien. Deutschland trifft im dritten Spiel der Vorrunde auf Österreich. Nach dem Horst Hrubesch die Elf des damaligen Bundestrainers Jupp Derwall in Führung bringt, ziehen sich beide Mannschaften zurück. Sowohl der DFB-Elf, als auch den Österreichern reicht dieses Ergebnis zum Einzug in die Zwischenrunde. Die leidtragenden sind die Algerier, die nach Hause fahren müssen.
Die Fans sind empört, die Medien - ob deutsch oder international - prügeln auf das DFB-Team ein. Man wittert Betrug. Deutschland holt sich im Verlaufe des Turniers viele Sympathien zurück. Vor allem durch die irre Aufholjagd im Halbfinale gegen Frankreich, das als eines der dramatischsten Spiele überhaupt in die WM-Geschichte einging.
Im Interview schilderte das Kopfballungeheuer Hrubesch bereits vor einigen Jahren seine Sicht zum "Nichtangriffspakt von Gijon". Er erzählte vom vielleicht wichtigsten Schuss seines Lebens und hoch kochenden Emotionen.
Herr Hrubesch, die WM 1982 begann für Deutschland schlecht - mit einer 1:2-Pleite gegen Algerien. Wie war danach die Stimmung im Team?
Horst Hrubesch: Die Stimmung war richtig schlecht. Wir haben uns danach selbst enorm unter Druck gesetzt. Wir sind schließlich als Europameister zur WM gereist und dann haben wir gleich zum Auftakt so ein schlechtes Spiel gemacht.
Wie hat Bundestrainer Jupp Derwall auf die Pleite reagiert? Oder gab es sogar eine Neuauflage der "Nacht von Malente"?
Hrubesch: Wir waren alle unzufrieden, da musste der Trainer nicht auf den Putz hauen. Wir haben vernünftig miteinander gesprochen und die richtigen Schlüsse aus dem Auftaktspiel gezogen.
Was Chile zu spüren bekam. Der 4:1-Sieg war der Wendepunkt im Turnier...
Hrubesch: Da haben wir gezeigt, was wir wirklich können. Das war auch nicht sonderlich überraschend, weil wir ja eine gute Mannschaft waren. Nur im ersten Spiel konnten wir es nicht umsetzen. Aber wir haben trotz des schlechten Starts nicht an unseren Fähigkeiten gezweifelt. Wir waren eine gute Truppe, die zugegebenermaßen in der Vorrunde Schwierigkeiten hatte. Aber das kennt man ja von deutschen Mannschaften. Nach dem Sieg gegen Chile dachten wir, dass wir jetzt drin sind in der WM. Und dann kam dieses blöde Spiel gegen Österreich. Erst danach ging es richtig los.
Das Spiel gegen Österreich - der "Nichtangriffspakt von Gijon". Nach ihrem Tor zum 1:0 passierte fast nichts mehr, beide Teams spielten sich nur noch den Ball hin und her.
Hrubesch: Das stimmt so nicht. Nach dem 1:0 hatten wir noch riesige Chancen, es hätte 3:0 oder gar 4:0 für uns stehen müssen. Und irgendwann wurde beiden Mannschaften klar, dass sie etwas zu verlieren hatten. Beide Teams wurden vorsichtig. Dann kommen solche Spiele zustande, die es heute übrigens noch genauso gibt.
Es war also keine Wettbewerbsverzerrung?
Hrubesch: Das wird ja immer so hingestellt, als ob es da Absprachen gegeben hätte. Aber mit solchen Unterstellungen habe ich ein echtes Problem. Ich kann von meiner Seite aus sagen, dass es keinerlei Absprachen gab. Wir haben nicht betrogen.
Es gibt also keinen Grund, sich bei den Algeriern zu entschuldigen?
Hrubesch: Ich weiß nicht, wofür wir uns entschuldigen sollten. Es ging doch zur Sache. Wir haben uns richtig auf die Socken gehauen. Wenn man sieht, was in den Zweikämpfen zwischen Bruno Pezzey und mir beispielsweise abgelaufen ist, dann muss ich doch bezweifeln, ob manche, die da Absprachen gesehen haben wollen, richtig hingeschaut haben.
Warum kam das dann in der Öffentlichkeit anders rüber?
Hrubesch: Natürlich riskiert man in so einem Spiel gegen Ende nicht mehr Kopf und Kragen. Wir wussten, dass wir raus sind, wenn wir noch ein Tor kassieren. Und die Österreicher wussten, dass sie raus sind, wenn sie noch ein oder zwei Dinger fangen. So einfach ist das.
Trotzdem hagelte es nach diesem Spiel Kritik.
Hrubesch: Die Emotionen sind da wirklich ziemlich hoch gekocht und wir hatten kaum mehr Ruhe. Aber wir wussten ja, dass wir nichts zu bereuen hatten.
Schließlich erreichte Deutschland als Gruppensieger die Zwischenrunde. Sie spielten plötzlich nicht mehr - und das als Derwalls Lieblingsspieler. Weder beim 0:0 gegen England, noch beim 2:1-Sieg gegen Spanien. Warum?
Hrubesch: Der Trainer hatte sich für eine andere Variante entschieden. Das war alles für mich überhaupt kein Problem. Mir war bewusst, dass ich in der Vorrunde nicht so toll gespielt habe.
Es folgte das legendäre Halbfinale gegen Frankreich, Sie wurden für Felix Magath eingewechselt. In der Verlängerung lag Deutschland bereits mit 1:3 zurück, glich dann noch aus.
Hrubesch: Wir hatten gegen diese technisch bärenstarken Franzosen nichts mehr zu verlieren und haben einfach noch mal alles versucht. Als wir dann das 2:3 gemacht haben, wurden die richtig nervös. Da war mir klar: Es geht noch was. Nach dem 3:3 hatten wir dann sogar noch in der Verlängerung die Möglichkeit, das Spiel für uns zu entscheiden.
Es kam zum Elfmeterschießen, es stand 7:7, Sie mussten "nur" noch treffen. Wann haben Sie erfahren, dass Sie schießen würden?
Hrubesch: Ich glaube, dass eigentlich Karl-Heinz Förster schießen sollte. Der wollte aber nicht. Dann hab ich gesagt: Ich mach das schon.
Hatten Sie keine Angst?
Hrubesch: Ich hatte ein gutes Gefühl. Es wäre ja auch gar nicht so viel passiert, wenn ich verschossen hätte, weil Frankreich vorher vergeben hatte. Das Elfmeterschießen wäre einfach weitergegangen. Ich habe daher keinen übermäßig großen Druck empfunden.
War dieses Spiel aus heutiger Sicht vielleicht sogar das Highlight ihrer Karriere?
Hrubesch: Es war einer der Höhepunkte, genauso wie das EM-Finale 1980. Das eigentliche Highlight meiner Karriere war aber für mich mein erstes Bundesligaspiel mit Essen gegen Uerdingen.
Wie bitte?
Hrubesch: Ja, wirklich. Ich habe gleich in meinem ersten Spiel zwei Tore gemacht. Ich denke heute noch ab und zu darüber nach, was wohl gewesen wäre, wenn es nicht so losgegangen wäre.
Fakt ist, dass Sie es bis ins WM-Finale geschafft haben. Beim 1:3 gegen Italien, wo Sie wieder eingewechselt wurden, war Deutschland chancenlos.
Hrubesch: Ja, das muss man ganz klar so sagen. Wir hatten eigentlich von Beginn an Probleme ins Spiel zu finden. Zu der Zeit war es so, dass du bei einem Rückstand gegen die Italiener kaum eine Chance hattest, das Spiel noch zu drehen. Die standen in der Abwehr fantastisch, waren insgesamt richtig gut. Wir hätten nur gewinnen können, wenn bei uns alles gepasst hätte. Italien wurde verdient Weltmeister.