Das Urteil von Experte Ralf Rangnick war gnadenlos hart. Bei allen deutschen EM-Spielen, analysierte der Fußball-Vordenker, sei bei der DFB-Elf "frühes Anlaufen nie als Muster erkennbar" gewesen. Auch Joshua Kimmich machte das Gegenpressing als vielleicht größte Schwäche der Nationalmannschaft aus. Kein Wunder, dass Hansi Flick diesen Schlüssel des modernen Spiels als seine wichtigste Baustelle sieht - und dafür einen Spezialisten holte.
Sein Assistent Danny Röhl sei ein "absoluter Fachmann, der meine Vorstellungen vom Fußball teilt", sagte der Bundestrainer über den Zuarbeiter, den er aus München mit zum DFB nahm, und betonte: "Was die Spielphilosophie angeht, haben wir die gleiche Idee."
Wie das Ideal aussieht, machte der Flick-Flüsterer gleich am ersten Trainingstag klar: "Tempo, Intensität, große Aktivität" - das seien die Hauptmerkmale des neuen deutschen Stils, der vielen Spielern noch aus München bekannt ist. Dass die Bayern ihre Gegner im Triple-Jahr 2020 so erfolgreich jagten, war auch das Verdienst von "Taktik-Genie" (tz) Röhl.
Der 32-Jährige gilt als Mann der Leipziger Schule. Rangnick habe seinen Weg in der gemeinsamen Zeit bei RB (2012 bis 2018) "entscheidend geprägt und mitentwickelt", sagte Röhl. Sein Mentor nennt ihn einen "Top-Mann". Als solchen hat ihn auch Flick erkannt.
Flick holte Röhl schon zum FC Bayern
Er rief Röhl an, als Niko Kovac Flick zu den Bayern holen wollte und fragte, ob er nicht Lust habe, dabei zu sein. "Wir haben sofort gemerkt: Wir haben Sympathie füreinander", berichtete Röhl über dieses erste Telefonat.
Als Flick den glücklosen Kovac beim FCB beerbte, stieg Röhl zu dessen engstem Mitarbeiter auf. "Wir haben ein sehr großes Vertrauensverhältnis", sagte Röhl, der für Flick "ein sehr wichtiger Mann an meiner Seite" ist.
Schon 2010 fing Röhl beim Leipziger Nachwuchs an, 2014 rückte der studierte Sportwissenschaftler (Master in Spielanalyse und Scouting) als Analyst zu den Profis auf. Dort arbeitete er unter anderem Ralph Hasenhüttl zu, der ihn im Dezember 2018 prompt mit zum FC Southampton nahm und ihm weite Teile der Trainingssteuerung überließ.
Röhl genießt hohes Standing beim DFB
Flick bescheinigt Röhl "eine sehr gute Vita", DFB-Direktor Oliver Bierhoff "großen Fußball-Sachverstand und Innovationsfreude". Diese bewies er schon in den ersten Trainingstagen unter Flick, der ihm viele Freiheiten lässt. Röhl coachte sehr aktiv und versuchte, Begeisterung zu wecken.
Für Flicks Spielidee, erklärte Röhl, seien zwei Dinge von überragender Bedeutung: Dass seine Mannschaft in den ersten fünf Sekunden nach Ballverlust ins Gegenpressing geht. Und die Frage: "Was passiert nach Ballgewinn?" Das Ziel ist, dann möglichst schnell in eine aussichtsreiche Abschlussposition zu kommen. Das kann man trainieren.
"Unser Spiel hat mit Mut zu tun, den Gegner unter Druck zu setzen", sagte Röhl. In den ersten Länderspielen unter Flick gegen Liechtenstein (2:0) und vor allem Armenien (6:0) war das bereits zu erkennen, und bei den Profis kommt es gut an. "Es ist richtig gute Energie auf dem Platz", lobte Ilkay Gündogan, "das macht Geschmack auf mehr."
WM-Qualifikation, Gruppe J mit Deutschland: Tabelle
Rang | Mannschaft | Sp. | S | U | N | Tore | Diff. | Pkt. |
1 | Deutschland | 5 | 4 | 0 | 1 | 13:2 | 11 | 12 |
2 | Armenien | 5 | 3 | 1 | 1 | 6:8 | -2 | 10 |
3 | Rumänien | 5 | 3 | 0 | 2 | 9:6 | 3 | 9 |
4 | Nordmazedonien | 5 | 2 | 2 | 1 | 11:6 | 5 | 8 |
5 | Island | 5 | 1 | 1 | 3 | 6:10 | -4 | 4 |
6 | Liechtenstein | 5 | 0 | 0 | 5 | 1:14 | -13 | 0 |