Joachim Löw war bei der Pressekonferenz zur WM-Analyse am Montag selbstkritisch.
Er sprach von einer "riesigen Fehleinschätzung" bezüglich der taktischen Ausrichtung. Er gab zu, dass er das Weiterkommen bei der WM als Selbstverständlichkeit vorausgesetzt habe. Er sprach im Zuge dessen sogar von Arroganz. Und die Auswirkungen des Fotos von Mesut Özil und Ilkay Gündogan mit Recep Tayyip Erdogan habe er ebenfalls unterschätzt. Diese Deutlichkeit in der Selbstkritik ist löblich und der erste Schritt.
Aber haben diese Erkenntnisse einer zweimonatigen Aufarbeitung und einer ausführlichen Analyse bedurft? Die Aussagen waren inhaltlich nicht tiefgreifend oder gar überraschend. Das einzig Bemerkenswerte war letztlich, dass Löw nun selbst das aussprach, was seit dem WM-Aus ohnehin hoch- und runterdiskutiert worden war.
Löw verkündet keine gravierenden Veränderungen im DFB-Team
Abgesehen von zwei, drei pointierten Sätzen war ein Großteil der Aussagen eher im Bereich der Phrasen. Die Flamme müsse wieder entzündet werden, die Spielweise adaptiert. Wie er das zukünftig angehen will, führte er nicht aus. Inhaltlich kam wenig rum. Löw entschuldigte sich für das, was bei der WM passiert ist. "Gravierende Veränderungen", wie sie DFB-Präsident Reinhard Grindel angekündigt hat, haben die Verantwortlichen aber nicht präsentiert.
Stattdessen gibt es minimale Anpassungen. Die personellen Konsequenzen sind marginal, beinahe nicht erwähnenswert: Thomas Schneider ist nun nicht mehr Co-Trainer, sondern Scout. Statt vier gibt es künftig drei Physiotherapeuten und Dr. Müller-Wohlfahrt ist nicht mehr bei der Mannschaft.
Im Kader stehen für die anstehenden Länderspiele mit Kai Havertz, Thilo Kehrer und Nico Schulz drei Neue, dafür ist neben den zurückgetretenen Mario Gomez und Mesut Özil auch Weltmeister Sami Khedira nicht nominiert. Das sind Konsequenzen, aber mit Sicherheit keine gravierenden. Besonders die sportlichen Entscheidungen wären vermutlich auch mit der Verteidigung des WM-Titels getroffen worden.
Oliver Bierhoff zieht keine Konsequenzen
Genauso verhielt es sich mit den Aussagen von Oliver Bierhoff. Der Erkenntnisgewinn war ebenfalls sehr überschaubar. Zwar sagte er, man müsse gegen die Entfremdung und für mehr Identifikation etwas tun. Die Kritik an der Kampagne #ZSMMN und am Begriff Die Mannschaft habe man durchaus wahrgenommen. Und sie sei auch berechtigt. Konsequenzen und Lösungsansätze präsentierte Bierhoff hier jedoch nicht.
Unter dem Strich stand: Löw und Bierhoff sehen ihre Fehler ein, es wird aber auf einem ähnlichen Kurs weitergehen. Das ist ja auch logisch. Wer von Löw erwartet hat, dass er jetzt eine radikale Revolution durchzieht und diese mit einer flammenden Rede ankündigt, war naiv. Denn so ist Löw nicht.
DFB hat sich bewusst für Joachim Löws Weg entschieden
Mit der Entscheidung, Löw weiterhin zu vertrauen, hat sich der DFB bewusst für seinen Weg entschieden. Genauso wie Bierhoff so weiterarbeiten wird, wie er es bislang getan hat. Genau das ist bestätigt worden.
Das soll nicht bedeuten, dass Löw und Bierhoff die Falschen für den Neuaufbau der Nationalmannschaft nach dem WM-Debakel sind. Der Ruf nach einem radikalen Kahlschlag ist vielleicht auch zu populistisch. Die Pressekonferenz am Mittwoch hat aber auch keinen Aufschluss darüber gegeben, dass sie die Richtigen sind. Das müssen nun die Resultate in den kommenden Monate zeigen. Die von langer Hand angekündigten Ergebnisse der Analyse jedenfalls hatten letztlich null Aussagekraft. In dieser Form hätte man sie sich auch sparen können.
DFB: Der Kader für die Spiele gegen Frankreich und Peru
Spieler | Position |
Manuel Neuer | Torwart |
Marc-Andre ter Stegen | Torwart |
Jerome Boateng | Abwehr |
Matthias Ginter | Abwehr |
Jonas Hector | Abwehr |
Mats Hummels | Abwehr |
Thilo Kehrer | Abwehr |
Joshua Kimmich | Abwehr |
Antonio Rüdiger | Abwehr |
Nico Schulz | Abwehr |
Niklas Süle | Abwehr |
Jonathan Tah | Abwehr |
Julian Brandt | Mittelfeld/Angriff |
Julian Draxler | Mittelfeld/Angriff |
Leon Goretzka | Mittelfeld/Angriff |
Ilkay Gündogan | Mittelfeld/Angriff |
Kai Havertz | Mittelfeld/Angriff |
Toni Kroos | Mittelfeld/Angriff |
Thomas Müller | Mittelfeld/Angriff |
Nils Petersen | Mittelfeld/Angriff |
Marco Reus | Mittelfeld/Angriff |
Leroy Sane | Mittelfeld/Angriff |
Timo Werner | Mittelfeld/Angriff |