"Wenn er bei Juventus Turin spielt, ist er bei uns immer ein Thema, weil ich weiß, was er kann", sagte Löw am Donnerstag in Prag über den langjährigen Schalker.
Diese Aussage überraschte insofern etwas, als Teammanager Oliver Bierhoff am Mittwoch betont hatte: "Stammspieler würde ich nicht als Kriterium nehmen, um im WM-Kader zu sein." Je nach individueller Charakteristik eines Spielers könne der betroffene Profi auch helfen, wenn er im Verein weniger gespielt habe, ergänzte er.
Höwedes, der am Mittwoch nach Turin gewechselt war, steht nicht in Löws Kader für die WM-Qualifikationsspiele. Der Bundestrainer begrüßte aber dessen Transfer. "Für Benni freut's mich ungemein", sagte Löw, Juve sei ein internationaler Top-Klub. Dass Coach Domenico Tedesco auf Schalke nicht mehr auf Höwedes gesetzt hatte, müsse man "dem neuen Trainer zugestehen".
Im Kreise der Nationalmannschaft sei Höwedes "immer sehr verlässlich und seriös" aufgetreten, betonte Löw. "Bei uns hat er seine Aufgabe immer erfüllt."
Keine Hierarchie im deutschen Sturm
Außerdem äußerte sich der Bundestrainer zu der Situation in der deutschen Offensive: "Ich will es vermeiden zu sagen, wir haben einen Stürmer Nummer eins, zwei und drei, weil es ganz unterschiedliche Stürmertypen sind."
Timo Werner von RB Leipzig beispielsweise sei "ein Spieler, der noch besser ist, wenn er eine ganz zentrale Spitze vorne hat und darum herumspielen kann". Werner könne "Wege in die Tiefe machen", anders als Mario Gomez (VfL Wolfsburg): "Mario ist eher ein zentraler Stürmer, wie auch Sandro Wagner, der mich beim Confed Cup insgesamt in seinem Auftreten auch absolut überzeugt hat." Lars Stindl von Borussia Mönchengladbach, der dem Kader im Gegensatz zu Wagner (1899 Hoffenheim) angehört, sei dagegen "ein hängender Spieler, der in Zwischenräumen agiert".
Gegen die Tschechen wird am Freitag wahrscheinlich Werner beginnen. "Er hat beim Confed Cup gut gespielt und ist gut in die Saison gekommen", sagte Löw.
180 Minuten fehlen zum WM-Ticket
Egal wer spielt, das Ziel der Länderspielpause ist für Löw klar: "Wir wollen uns mit zwei Siegen schnell als Tabellenerster qualifizieren. Wir wollen unsere weiße Weste behalten. Zudem müssen wir uns neu finden und wieder einspielen." Drei Tage später folgt in Stuttgart gegen die Norweger vielleicht schon der Matchball zum WM-Ticket.
Löw hat dafür nicht nur seine etablierten Weltmeister-Stützen wie Toni Kroos, Thomas Müller oder Mats Hummels zurückgeholt, sondern auch den Konkurrenzkampf extrem angeheizt. "Der hat richtig Feuer, der will noch was erreichen mit uns", stellte Hummels fest. Ab jetzt, das ist klar, wird jedes Spiel auch ein internes Ringen um einen der 23 Plätze im WM-Kader. Es gebe "keinerlei Freitickets", versicherte Löw, unabhängig "von Potenzial, Talent oder bisher gezeigten Leistungen". Er rief den "härtesten Konkurrenzkampf" aus, den "wir je erlebt haben".
Löw: Alle müssen Leistung bringen
Für viele der 17 Confed-Cup-Sieger, die am Donnerstag um 11.00 Uhr von Stuttgart aus in die "Goldene Stadt" aufbrachen, mag sich das wie ein Versprechen anhören - zuletzt schwächelnde Stars wie Jerome Boateng, Mesut Özil oder Julian Draxler dürfte es eher warnend in den Ohren klingen. Zumal Löw während der Pressekonferenz unter den Kristall-Leuchtern im Saal Bohemia II betonte: "Alle müssen alles für ihre Form tun." Es wird Härtefälle geben, womöglich gar äußerst prominente.
Der DFB schloss in den vergangenen Tagen die Reihen, um Müller zu schützen. Der Offensivspieler von Bayern München hatte offen seinen Klubtrainer Carlo Ancelotti kritisiert, DFB-Manager Oliver Bierhoff riet dem Rekordmeister daraufhin, sich der Bedeutung seiner Identifikationsfigur wieder stärker bewusst zu werden. Löw nahm den 27-Jährigen aufmunternd zur Seite, Teamkollegen betonten unisono Müllers "Einzigartigkeit".
Müller wird am Freitag in der Eden Arena definitiv spielen und möglicherweise sogar Kapitän sein, da Sami Khedira (Juventus Turin) ausfällt. Durch dessen Kniebeschwerden wird eine Planstelle im deutschen 4-2-3-1-System frei, die Sebastian Rudy besetzen könnte.
Unantastbar sind nur wenige: Neuer, Kroos, Hummels
Wenige Spieler dürfen sich "unantastbar" fühlen, wie Bierhoff es formulierte: Manuel Neuer, der in Prag und Stuttgart noch fehlt, Kroos, Müller, Hummels, Boateng und Khedira, mangels Alternativen auch Joshua Kimmich und Jonas Hector auf den defensiven Außenpositionen. Mit Ausnahme von Neuer und dem ebenfalls noch nicht wieder berufenen Boateng werde alle Genannten am Freitag spielen, sagte Löw, im Tor steht Marc-André ter Stegen.
Dennoch: Wer von den Etablierten glaube, dass es im Kampf um die WM-Tickets "ein Selbstläufer wird, der hat sich geirrt", sagte Bierhoff, und warnte vor Selbstzufriedenheit. Das war auch nochmals auf den Triumph einer jungen Mannschaft beim Confed Cup bezogen: "Chile ist gut", mahnte Bierhoff, "aber bei der WM kommen ganz andere Gegner." Er nannte Brasilien, Argentinien, Frankreich oder Italien.
Tschechien ist ein deutlich kleineres Kaliber, die großen Tage sind 20 Jahre her. "Sie stehen in der Gruppe mit dem Rücken zur Wand", urteilte Löw. Eine WM-Chance besteht, falls Nordirland in der Gruppe C schwächelt. Löw würde das freuen: Sollte der deutsche Verfolger Punkte lassen, wäre seine Mannschaft mit zwei Siegen durch. Mit der perfekten Bilanz von 24 Punkten aus acht Spielen. So definiert sich souverän.
Die voraussichtliche deutsche Mannschaftsaufstellung
- Tor: ter Stegen
- Abwehr: Kimmich, Rüdiger, Hummels, Hector
- Mittelfeld: Kroos, Rudy (Goretzka), Müller, Özil, Draxler
- Sturm: Werner
- Trainer: Löw