Vermeintlicher Beweis: Die 1:2-Pleite von Kroos' Klub Real Madrid beim FC Barcelona. Müde? Toni Kroos? Wer den "Nationalspieler des Jahres 2014" am Samstag in Tiflis beobachtete, bekam einen ganz anderen Eindruck.
Weder die strapaziöse Saison mit Real, noch die vier Stunden Flug am Vortag von Frankfurt/Main in die georgische Hauptstadt oder die drei Stunden Zeitverschiebung waren ihm da anzusehen. Kroos plauderte locker und gelöst über sich, die deutsche Nationalmannschaft und das EM-Qualifikationsspiel am Sonntag (18.00 Uhr im LIVE-TICKER) gegen Georgien.
"Klar waren es viele Spiele, und ich hatte keine Winterpause - da ist es normal, dass man die Müdigkeit manchmal spürt. Aber das kann ich momentan gar nicht sagen, weil ich mich gut fühle", sagte er. Dass sich auf seiner Stirn ein bisschen Schweiß im Lichte der Kameras spiegelte, lag an den Temperaturen im vollgepackten Ballsaal des Hotels Radisson Blu.
Viele Spiele in kurzer Zeit
Dabei hätte Kroos allen Grund, erschöpft zu sein. Hinter ihm liegen eineinhalb äußerst anstrengende Jahre mit 96 Pflichtspielen für Bayern München und Real sowie 22 Einsätzen für den DFB.
Schon in der vergangenen Saison war er mit den Bayern in sechs Wettbewerben aktiv (Bundesliga, DFB-Pokal, Supercup, Champions League, europäischer Supercup, Klub-WM) und bestritt 51 von 56 Begegnungen. Dazu kamen 16 Länderspiele, sieben davon bei der WM mit dem Triumph im Maracana.
Nur 30 Tage nach dem Endspiel nahm er mit Real im europäischen Supercup die Saison bei seinem neuen Klub auf. Wieder musste er in allen sechs Wettbewerben ran, bestritt bis jetzt 42 der 45 Pflichtspiele Madrids, davon 31 über die volle Distanz.
Ancelotti baut auf Kroos
Bei Real rieb man sich verwundert die Augen über den nimmermüden Deutschen, der seine überragende WM-Form spielend über die kurze Pause gerettet hatte. Das Sportblatt Marca schrieb vom "besten deutschen Export seit Claudia Schiffer". Doch zuletzt lief es für Real nicht mehr rund, es gab Kritik - auch an Kroos, obwohl der etwa gegen Barca erneut gut spielte.
Kroos nannte die Auswüchse der Berichterstattung in seiner Wahlheimat in Tiflis "extrem, aber das ist immer nur so schlimm, wie man es an sich heranlässt. Mich interessiert es eigentlich überhaupt nicht". Er weiß: Coach Carlo Ancelotti baut in den anstehenden entscheidenden Wochen auf ihn. Wie Bundestrainer Joachim Löw, bei dem Kroos unantastbar ist.
"Als Sieger das Land verlassen"
Gerade deshalb schonte Löw den Mittelfeldspieler am vergangenen Mittwoch gegen Australien (2:2) - in Georgien gehört er selbstverständlich zur Startelf. Kroos zahlte das Vertrauen nicht nur bei der WM zurück. Im vergangenen Herbst half sein Tor, um in der EM-Quali gegen Irland (1:1) eine Blamage zu verhindern. Und beim 1:0 in Spanien sorgte er höchstpersönlich für einen gebührenden Abschluss des WM-Jahres.
Das gab Selbstvertrauen, auch wenn es Kroos daran noch nie mangelte. Das zeigte er auch in Tiflis, wo er der Höflichkeit der Gastgeber mit einem kecken Spruch begegnete. "Entscheidend ist, dass wir als Sieger das Land verlassen. Ob die Gesichter dann noch so freundlich sind, werden wir sehen", sagte Kroos ganz aufgeweckt.
Toni Kroos im Steckbrief