Die Regierungserklärung des neuen Kapitäns musste warten. Weil Bastian Schweinsteiger erst am Montagnachmittag bei der deutschen Fußball-Nationalmannschaft in Frankfurt/Main eintraf, hat der Nachfolger von WM-Spielführer Philipp Lahm erst am Dienstag seinen großen Auftritt. Statt Schweinsteiger, der erstmals seit dem Triumph von Rio wieder zum DFB-Team stößt, sprach unter anderem Ilkay Gündogan. Ausgerechnet.
Es ist noch gar nicht so lange her, da galt der Dortmunder als der bessere Schweinsteiger. Im Sommer 2013 meinten nicht wenige Experten, der Münchner müsse angesichts der starken Auftritte des Konkurrenten um seinen Platz im deutschen Mittelfeld zittern. Bundestrainer Joachim Löw sagte, Gündogan habe "alle Voraussetzungen, ein Weltklassespieler zu werden". Und dessen damaliger Assistent Hansi Flick meinte, Gündogan sei "sehr nahe dran" am Defensiv-Duo Schweinsteiger-Sami Khedira.
586 Tage Pause
Dann kam das Länderspiel am 14. August 2013 gegen Paraguay in Kaiserslautern. Gündogan begann im defensiven Mittelfeld neben Khedira, erzielte sogar ein Tor - doch dann musste er in der 27. Minute verletzt raus. Damals, sagte Gündogan am Montag, habe er mit "vier bis sechs Wochen" Pause gerechnet. Doch es dauerte 586 Tage, bis er wieder zum DFB-Team kam.
Am Mittwoch (20.30 Uhr/ZDF) könnte er beim ersten Länderspiel des Jahres gegen Australien zurückkehren - ausgerechnet im Fritz-Walter-Stadion. "Für mich schließt sich ein Kreis", sagte Gündogan.
Der 24-Jährige kam mit dem Zug - und war schneller als Schweinsteiger, der via Twitter aus dem Auto ein Foto mit dem zweiten Rückkehrer Holger Badstuber verschickte. "Der Tatendrang ist groß", meinte der Dortmunder, "aber jetzt Ansprüche zu stellen, wäre nicht richtig."
Gündogan auf gutem Weg
23 Pflichtspiele hat er bestritten, seit er Mitte Oktober erstmals seit jenem schicksalsträchtigen Tag von Lautern wieder für den BVB auf dem Platz stand. Nach guten Begegnungen "gibt es immer wieder ein Spiel, das nicht so prickelnd ist", sagte er. Schweinsteiger darf sich einstweilen sicher fühlen, zumal Bundestrainer Joachim Löw ihn nach dem Rücktritt von Philipp Lahm zum Spielführer machte. Gündogan wird zunächst mit dem auch wegen verschiedener gesundheitlicher Rückschläge schwächelnden Khedira um einen Platz kämpfen.
Löw schätzt seine Fähigkeit, den Gegner unter Druck zu setzen, Bälle zu gewinnen - und diese ebenso schnell wie präzise zu verteilen. Gündogan ist trotz seiner 180 cm sehr wendig, seine flüssig-eleganten Bewegungen erinnern an guten Tagen an Spaniens Weltstar Xavi.
Vor der langen Pause sei er "auf einem guten Weg" gewesen, meinte Gündogan, die WM nur am Fernseher verfolgen zu müssen habe daher "weh getan". Doch das Leiden habe auch Positives gehabt. Er wisse nun vielmehr zu schätzen, "dass man den Tag ohne Schmerzen verbringen kann". Inzwischen fühle er sich "wie neugeboren, wie ein ganz anderer Mensch".
Und das zeigte er auch. Gündogan lächelte viel, er "genieße das alles", sagte er. Als Urlaubsreise wollte er seine Rückkehr aber nicht missverstanden wissen. "Gerade die Spieler, die den Triumph nicht miterlebt haben, sind hungrig", sagte er. Schweinsteiger und Khedira werden es zu spüren bekommen.