Frage: Trotzdem kann man festhalten, dass es bisher eine WM der Torhüter ist.
Neuer: Die Torhüter spielen bisher eine tragende Rolle, wir haben viel mehr gute Leistungen gesehen als bei der WM 2010. Die Klasse der Torhüter ist gestiegen. Ich schau auch immer genau hin, um mir Sachen abzugucken. Man lernt nie aus. Ich habe früher schon immer Eurogoals geschaut, weil man da viele gute und schlechte Sachen der Torhüter gesehen hat. Die positiven Sachen pickt man sich raus und die negativen lässt man weg.
Frage: Holland hat zuletzt beim Elfmeterschießen für Aufsehen gesorgt, weil Louis van Gaal kurz vorher noch den Torhüter gewechselt hat. Ist das auch in der DFB-Elf vorstellbar?
Neuer: Vorstellbar ist alles, aber ich glaube, dass das bei uns nicht passieren wird. Wir haben bisher in den 120 Minuten unser Wechselkontingent ausgeschöpft und wir haben einen intelligenten Trainer.
Frage: Wie bereiten Sie sich auf ein mögliches Elfmeterschießen gegen Brasilien vor?
Neuer: Ich habe mich vor allen K.o.-Spielen mit den Offensivaktionen, den Standards und den Elfmetern des Gegners beschäftigt und das wird auch gegen Brasilien der Fall sein.
Frage: Wem trauen Sie mehr: den statistischen Unterlagen oder Ihrer Intuition?
Neuer: Es spielt beides zusammen. Die Entscheidung kommt von innen, da kann man nicht an eine Statistik denken. Man muss ein gutes Gefühl bei der Entscheidung haben. Wenn der Andi Köpke sagt, der Schütze hat sieben Mal nach rechts geschossen und ich trotzdem nach links springe, kann man auch nichts machen. Das ist meine Entscheidung.
Frage: Wie sieht Ihre mentale Vorbereitung auf ein WM-Halbfinale aus?
Neuer: Für mich ändert sich nichts, ich muss da nicht in mich gehen. Wenn man weiß, dass man gut drauf ist, ist das die halbe Miete. Wenn man die Abläufe am Spieltag kennt, ist man auch gut vorbereitet. Den alten Spruch "Wie man trainiert, so spielt man auch", nehme ich recht ernst und bin auch im Training motiviert.
Frage: Wann laufen bei Ihnen die ersten Bilder des Spiels im Kopf ab?
Neuer: Ich bin da relativ ruhig und mache mir wenige Gedanken. Ich sitze nicht beim Essen und denke an gelbe Trikots. Wir müssen an unsere Stärke glauben und uns nicht aus der Ruhe bringen lassen. Die Atmosphäre in Belo Horizonte wird ganz anders sein. Ich weiß nicht, ob wir bei einem Länderspiel so etwas schon mal erlebt haben. Man muss sich vielleicht auch mal einreden, dass die gelben Trikots weiß sind, obwohl es gar nicht stimmt.
Frage: Ist der von allen Seiten gelobte Teamgeist der Schlüssel zum Erfolg bei dieser WM?
Neuer: Ja, sicherlich. Wir haben uns in dieser Hinsicht auch verbessert im Vergleich zu 2010. Wenn man sich unsere Bank anschaut, wie sie mitfiebert und wie sie für die Spieler auf dem Platz da ist. Aber auch auf den Reisen und im Campo Bahia herrscht positive Stimmung. Keiner ist beleidigt, wenn er nicht spielt, man akzeptiert die Entscheidung und ordnet sich dem gemeinsamen Ziel unter. Erfolg ist das Wichtigste für uns alle. Es gab für die Mannschaften in der K.o.-Runde keine Geschenke. Die besseren Mannschaften werden auch im Halbfinale weiterkommen.
Frage: Ist Deutschland nach den Ausfällen von Neymar und Thiago Silva bei Brasilien sowie Angel Di Maria bei Argentinien der Top-Favorit auf den WM-Pokal?
Neuer: Alle vier Mannschaften haben sehr gute Chancen. Wir hatten bei der WM 2010 gegen Spanien und bei der EM 2012 gegen Italien keine gute Tagesform, das soll sich ändern.
Frage: Was spricht neben den Problemen der anderen Mannschaften noch für Deutschland als Weltmeister?
Neuer: Wir haben uns im Turnier gesteigert, haben in den siegreichen Spielen immer verdient gewonnen und waren dabei auch die bessere Mannschaft. Es hat uns geholfen, dass wir gegen Algerien nicht das beste Spiel abgeliefert, den Kopf aus der Schlinge gezogen und uns gegen Frankreich gesteigert haben. Jetzt können wir uns in einen Lauf spielen.