"Es war eine Spitzenleistung" - Ajax-Trainer Erik ten Hag war nach dem knappen Auswärtssieg seiner Mannschaft in London sichtlich zufrieden mit der Leistung seiner Mannschaft und hatte dazu auch eigentlich allen Grund. In den ersten 30 Minuten spielten die Niederländer wie eine Heimmannschaft und dominierten Tottenham nach Belieben.
Und als Donny van de Beek Ajax im Anschluss an eine herrliche Kombination über David Neres, Lasse Schöne und Hakim Ziyech in Führung schoss, spiegelte sich jene Dominanz auch endlich auf der Anzeigetafel wieder. "Donny war heute fantastisch", sagte ten Hag nach der Partie über seinen Siegtorschützen, meinte damit aber nicht etwa seine Eiseskälte vor dem gegnerischen Tor, sondern seine Rolle in der umkämpften Schlussphase.
"Er war ungalublich wichtig im Pressing und beim Gewinnen von zweiten Bällen", sagte ten Hag. Doch damit war van de Beek nicht allein. Denn während Ajax in der ersten Halbzeit das Geschehen noch nach Belieben dominierte, nahmen die Spurs nach der Pause und einer Systemumstellung von Tottenham-Trainer Mauricio Pochettino von einem 5-3-2 auf ein 4-4-2 das Zepter, ohne jedoch für ernsthafte Torgefahr zu sorgen.
Das lag nach Meinung von ten Hag aber auch daran, dass seine Mannschaft "wie Löwen gekämpft" habe. "Das 1:0 ist okay, jetzt müssen wir es nächste Woche zu Ende bringen", erklärte Matchwinner van de Beek nach dem Spiel und verwies auf das Rückspiel in acht Tagen in Amsterdam.
Von einer Vorentscheidung wollte an diesem Abend in London niemand etwas wissen. Das galt sowohl für die Spieler von Ajax als auch für die mit sich selbst hadernden Spurs-Akteure nicht. Die Londoner werden viele Hoffnungen in die Rückkehr des am Dienstag gelbgesperrten Heung-min Son setzen, schließlich war die fehlende Durchschlagskraft besonders im zweiten Durchgang die große Schwäche der Spurs.
Die Statsitik spricht vor dem Rückspiel jedoch klar für die Niederländer. Wenn Tottenham das Hinspiel in einer K.o.-Runde im eigenen Stadion nicht gewann, schieden die Spurs in allen acht Fällen aus. Ajax setzte sich hingegen im Europapokal in K.o.-Runden nach einem Auswärtssieg im Hinspiel in 25 von 27 Fällen durch.
Tottenham Hotspur - Ajax Amsterdam: Die Analyse zum Spiel
Während Ten Hag auf seine eingespielte Truppe setzte und nur einmal im Vergleich zum 4:2-Sieg über Vitesse Arnhem tauschte (Neres für Dolberg), stellte Spurs-Trainer Pocchettino viermal um: Für Foyth, Davies, Dier sowie den gelbgesperrten Son standen Trippier, Vertonghen, Wanyama und Llorente in der Startelf.
Die Gäste aus Amsterdam traten von Beginn an extrem dominant im neuen Tottenham Stadium auf und spielten über weite Strecken der ersten Halbzeit wie eine Heimmannschaft. Ajax ließ die im 5-3-2 formierten Spurs laufen, hatte phasenweise über 70 Prozent Ballbesitz und suchte besonders über den linken Flügel mit Tagliafico und Neres blitzartig die Tiefe.
So auch beim Führungstreffer, der mit einem Ball von Ziyech auf links zu Neres seinen Ursprung fand, bei Ziyech im Zentrum noch einmal Zwischenstation machte und nach herrlichem Zuspiel im Zentrum bei van de Beek seine Vollendung fand (15.). Die Spurs taumelten fortan und konnten sich bei Keeper Lloris bedanken, dass es nicht schon früh 0:2 stand. Der Franzose parierte stark gegen van de Beek (24.).
Vertonghen-K.o. weckt Spurs auf - Neres trifft nur den Pfosten
Einzig durch Standards strahlte Tottenham vereinzelt Torgefahr aus: Llorente nickte einen Eriksen-Freistoß nach 26 Minuten einen Meter neben das Ajax-Gehäuse. Fünf Minuten später riskierte Keeper Onana Kopf und Kragen und räumte Alderweireld und Vertonghen ab. Letzterer musste anschließend schwer angeschlagen ausgewechselt werden (39.).
Die lange Verletzungsunterbrechung tat den Spurs allerdings gut: Pochettino stellte auf eine Viererkette mit Raute im Mittelfeld um und brachte Sissoko, der einiges an Dynamik und Körpersprache wieder zurück ins Spiel der Londoner brachte. Kurz vor der Pause vergab Alderweireld per Kopf die Großchance auf den Ausgleich (45.+4).
Auch nach dem Seitenwechsel profitierten die Spurs nachhaltig von Pochettinos Umstellung auf 4-4-2. Ajax leistete sich viele leichte und vor allem schnelle Ballverluste, Tottenham riss das Spiel durch gute physische Präsenz im Mittelfeld an sich, ohne jedoch für große Torgefahr zu sorgen. Lediglich der im ersten Durchgang unsichtbare Dele Alli prüfte Onana ernsthaft (50.).
Ajax hätte sich zehn Minuten vor dem Ende beinahe eine noch besser Ausgangslage verschaffen können, doch Neres setzte einen Schuss aus halblinker Position an den Pfosten. So blieb es beim knappen Auswärtssieg der Niederländer. Tottenham fehlte neben der Abschlussstärke von Son (Gelbsperre) und Kane (Sprunggelenksverletzung) besonders kreativer Input aus dem Mittelfeld von Eriksen und Alli, die beide enttäuschten.
Die Daten des Spiels Tottenham Hotspur gegen Ajax Amsterdam
Tor: 0:1 van de Beek (15.)
- Die Spurs mussten bis zur 26. Minute auf ihren ersten Schuss in der Partie warten. So lange dauerte es letztmals in der Champions League im November 2016 gegen Leverkusen (33. Minute).
- Ajax trifft im 13. Champions-League-Spiel in Serie und baut damit den Vereinsrekord weiter aus. Der alte Bestwert hatte bei acht Spielen in der Königsklasse aus der Saison 1996/97 gelegen.
- Nur Alessio Tacchinardi sah in einer CL-Saison mehr Gelbe Karten (9 für Juventus in der Spielzeit 2002/03) als Ajax-Verteidiger Tagliafico (6).
Der Star des Spiels: Frenkie de Jong (Ajax Amsterdam)
Bewies einmal mehr, dass er Herz und Hirn von Ajax ist. Bestach in der starken ersten halben Stunde der Niederländer durch gute Antizipation und einem guten Stellungsspiel. Machte dadurch viele zweite Bälle fest (11 Balleroberungen), die er und seine Teamkollegen in Ballbesitz und spielerische Dominanz ummünzten. Beeindruckte darüber hinaus mit seiner Seelenruhe am Ball - auch in Drucksituationen. De Jong hatte außerdem die meisten Ballaktionen aller 22 Spieler aus den beiden Anfangsformationen und eine starke Zweikampfquote (66,7 Prozent).
Der Flop des Spiels: Dele Alli (Tottenham Hotspur)
Hatte am meisten mit der taktischen Ausrichtung von Pochettino in der ersten Halbzeit zu kämpfen. Kam in den ersten 45 Minuten auf lediglich 13 Ballaktionen und führte keinen einzigen Zweikampf. War damit sowohl in der Offensive als auch in der Defensive der Spurs ein Totalausfall. Nach der Pause (wie alle Tottenham-Spieler) verbessert, aber glücklos im Abschluss.
Der Schiedsrichter: Antonio Mateu Lahoz (Spanien)
Hatte in einer sehr emotionalen Partie eine klare Linie in der Zweikampfbeurteilung und daher auch nur wenig Probleme in der Spielleitung. Bewies ein gutes Auge, als er das Führungstor trotz abseitsverdächtiger Position von van de Beek sofort gab und vom VAR nur bestätigt und nicht korrigiert wurde. In der heutigen Zeit und all der Diskussionen über die Qualität von Schiedsrichtern durchaus eine Erwähnung wert.